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Geschichten von der Silser Schifffahrt

15.08.17 - 00:00 Uhr

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Eine Schifffahrt auf dem Silsersee gehört für mich zum Engadiner Sommer und ist jährlich «Pflichtprogramm». Am schönsten ist die erste Fahrt am Vormittag, wenn der Malojawind noch schläft und der See glatt und friedlich daliegt. Dann unternehmen wir einen kleinen Spaziergang zur Halbinsel Chasté und steigen dort in die «Selg Maria» ein. Kapitän Franco Giani gondelt uns dann bis nach Maloja mit Zwischenhalt in Plaun da Lej und Isola. Hier auszusteigen, ist sehr verlockend. Die Ziegen mit ihren Glöckchen erinnern uns, dass wir auch ja nicht ohne Capretta – dem frischen Ziegenkäse von Isola – nach Hause gehen. Auch das gehört hier zum Sommer.

Wir machen dieses Mal jedoch die ganze Runde und fahren von Maloja bis nach Sils zurück, wo wir beim Bootshaus aussteigen. Hier macht auch Franco eine kurze Pause und begleitet uns zu seiner «Sommerresidenz», der Bootsremise, wo seine Tochter Francesca diesen Sommer eine kleine, feine Ausstellung über die 100-jährige Geschichte der Silser Schifffahrt und damit auch ihre Familiengeschichte zusammengestellt hat. Wir schauen uns im Bootsschuppen um, wo das Vapurin seinen Winterschlaf hält. Acht Tafeln mit Texten und historischen Fotos erzählen von dieser Geschichte, die ein enges Band zwischen dem Silsersee und dem Comersee webt.

Luigi Giani, Grossvater des heutigen Kapitäns Franco, war der erste der Familie, der den Weg vom Comersee ins Engadin einschlug, um dort Arbeit als Fischer zu suchen. Statt jedoch fischen zu gehen, begann er mit seinen beiden Kollegen der Familie Gilardoni, den Sommergästen des Engadins Schiffsausflüge zwischen Sils und Maloja anzubieten. Als Boote hatten sie venezianische Gondeln, eine davon ist im Bootshaus noch heute vorhanden.

1907 konnten die jungen Italiener ihren ersten kleinen Dampfer «Vapurin» aus der Taroni Werft in Stresa kaufen, der bis 1985 auf dem Silsersee verkehrte. Sie begründeten damit die höchstgelegene Kursschiffahrt in Europa auf 1797 m ü. M. Als dieses von dem noch heute im Einsatz stehenden Boot «Selg Maria» ersetzt wurde, hiess es in der «Engadiner Post»: «Bestimmt werden viele Einheimische und Gäste dem wunderschönen, alten Motorboot aus dem Jahre 1908 nachtrauern, und es wird einem nicht leicht fallen, sich an das neue, stromlinienförmige Boot zu gewöhnen.»
Wer Sehnsucht nach dem ersten Silser Vapurin hat, findet es noch heute im Museum Barca Larina in Pianello am Comersee.

Mittlerweile haben die Einheimischen und Sommergäste auch die «Selg Maria» in ihr Herz geschlossen. Und neben den Kurszeiten finden auch viele private Fahrten und kleine Feiern auf dem Motorschiff statt. Unser Sohn wurde in der Bucht von Plaun da Lej getauft, ein Erlebnis, das unsere ganze Familie ins gleiche Boot holte und unvergessen bleibt.

Und bis heute ist die Silser Schifffahrt eine Familienangelegenheit. Im Frühsommer, wenn Eis und Schnee schmelzen und den See wieder freigeben, zieht die Familie von Franco Giani vom Comersee wieder nach Sils und lässt den Vapurin ins Wasser. Seit 1969 ist er der stolze Kapitän.

Für viele steht der Start der Silser Schifffahrt auch für den Beginn des Engadiner Sommers. Gewohnt wird dann im «Bootshaus» bei der Schiffslende, näher am Wasser steht am Silsersee kaum ein Haus. Bis Mitte Oktober fährt Franco täglich drei- bis viermal über den See. Im November wird er dann zu Hause am Comersee gebraucht. Die Olivenernte steht an.

Ausstellung «Silser Schiffahrt – Seeleute» bis 5. Oktober 2017, täglich 10 – 17 Uhr im Bootshaus am Silsersee (Sils Maria), Eintritt frei. Weitere Informationen Familie Franco Giani: 079 424 32 27

Täglich Kursschifffahrt, Fahrplan: www.sils.ch/schifffahrt

Am Mittwoch 16. August 2017: Apéro und 1-stündige, frühabendliche Fahrt, kommentiert von Reto Zuan. Treffpunkt 18.15 Uhr beim Bootshaus. Reservation bis zum Vorabend bei Sils Tourismus, Tel. 081 838 50 50

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