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Paradiesisches Premana – Italiens Messerschmiede

20.06.17 - 00:44 Uhr

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Mit floral-geschmückten Stofflaken sind die schmalen Gassen des Messerschmiede-Dorfs Premana im Valsassina am Comersee eingefasst. Es sind vorwiegend alte Stoffe, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Aufgehängt wie Vorhänge an Eisenhaken, die entlang der Häuserzeilen befestigt sind, bauschen sie sich im Wind auf. Auf den einzelnen Laken sind kleine Votivbilder, Blumen, mit Hohlsaum versehene Tücher, Stickereien kunstvoll befestigt. Die Blumen sind alle frisch – direkt aus dem Garten gepflückt – Lilien, Rosen, Alpenrosen, Lavendelsträusschen. Ein grünes Band aus Efeu, frischem Lärchengrün, Eichenlaub schliesst den Schmuck nach oben ab. Einige Passagen sind sogar mit bunten Stoffbahnen überdacht. Das Sonnenlicht an diesem Sonntagmorgen beleuchtet die Szenerie theatralisch.

Ich komme mir vor, als würde ich durch einen Paradiesgarten-Weg wandeln ohne Orientierung, denn ich folge traumwandlerisch dem geschmückten Weg. Ab und an lädt ein reich dekoriertes Fenster mit einer Madonna oder ein festlicher Altar zur Andacht ein. Die Stimmung ist sakral, obwohl ja alles im Freien stattfindet. Einige Abschnitte sind mit Blumenblättern bestreut. Ich denke an die bunten Lichtreflexionen gotischer Kathedralen. Im 12. Jahrhundert hatte man gerade die Kunst der Buntglasfenster entdeckt und projizierte dank dieser neuen Technik das Paradies auf Erden auf den Boden der grossen Gotteshäuser.

Hier in Premana ist alles echt, zum Anfassen nah. Jede Familie im Dorf bestreitet «ihren» Abschnitt, als Ganzes ergibt sich ein kilometerlanger Rundweg durch das Bergdorf mit Start und Ziel auf dem grossen Kirchplatz.

Anlass dieses Schmuckes ist die traditionelle Frohnleichnams-Prozession, ein Festumzug, mit dem die leibliche Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie gefeiert wird.

Aufgebaut wird am Sonntag morgen, alles muss frisch sein, und die alten Tücher sollen ja keinen spontanen Regenschauer abbekommen. Nach der Prozession wird bereits alles wieder abgebaut. Das ganze Dorf hilft mit. Bis mittags ist alles versorgt – bis zum nächsten Jahr.

Bereits zum Jahresbeginn durften wir in Premana ein ähnliches Kirchenfest erleben: der Zug der Heiligen Drei Könige in der Nacht auf den 6. Januar. Bei Minustemperaturen waren wir gegen Mitternacht in den kleinen Gässchen unterwegs und haben den Umzug der Drei Könige hoch zu Ross erlebt. Auf dem Kirchplatz haben sie dem Jesuskind – dargestellt von einem drei Monate alten Baby! – Maria und Joseph, zwei Jugendlichen aus dem Dorf, Weihrauch, Myrrhe und Gold gebracht. Und dann wurde aus voller Kehle gesungen, das ganze Dorf ein Chor.

Premana ist bekannt für seine Messer und Scheren. Aus Premana kommen auch die Schmiede, die in ganz Venedig die gusseisernen Kirchenkreuze, Kandelaber, Gitter und Tore bis heute herstellen. Und aus dem Dorf kommen auch die gezackten Klingen der Swiss Panorama Knifes. Mittlerweile werden diese von einem Sohn einer traditionsreichen Messerschmiede-Familie von Premana im grenznahen Vicosporano im Bergell hergestellt – um die Swissness zu garantieren und das neue Bundesgesetz einzuhalten.

PS: Im Oktober 2018 feiert «Premana revive l’antico», ein Fest, das nur jedes zweite Jahr stattfindet, sofern das Wetter es erlaubt.

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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin auf Ihren Artikel vom 20.06.17 von Hanspeter Danuser v.Platen gestoßen mit dem Thema
Premana - ital.Messerschmiede.
Mein Vorfahre Antonio Mazzi oder Mazza aus Carzena (Comer See) hat im 18.Jahrhundert Lanzetten angefertigt und in Deutschland, in den Niederlanden und Stralsund (damals Schwedisch) verkauft.
Könnte er in Premana ausgebildet worden sein ?
Wo würde ich evt. Informationen darüber bekommen ?
Mit freundlichesm Gruß aus Berlin
Dagmar Nesener