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Die Entwicklung des Kriegs und die Rolle der Drohnen

Die Drohne verändert das Schlachtfeld. In allen Kriegen des 20. Jahrhunderts war die Artillerie am tödlichsten. Heute, in der Ukraine, sind es die Drohnen.

Südostschweiz
03.04.25 - 20:00 Uhr
Bild Keystone

Unter dem Namen Viktor Schewtschuk schreibt an dieser Stelle ein ukrainischer Offizier, Militärexperte und Politikwissenschaftler über den Verteidigungskrieg gegen Russland. Er drückt dabei seine persönliche Meinung aus, basierend auf allgemein zugänglichen Informationen.

Die Gespräche über einen Waffenstillstand in der Ukraine brachten keine grossen Fortschritte. Russland fügte neue politische Forderungen hinzu, nachdem auf der Ebene der technischen Teams ein Kompromiss erzielt worden war.

Ein Hindernis für ernsthafte Verhandlungen ist Moskaus positive Einschätzung seiner Aussichten auf dem Schlachtfeld. Das russische Militär bereitet neue Divisionen für die Sommeroffensive vor. Kürzlich erklärte Putin, dass sie die Ukraine «fertig machen» werden. Er sagte dies an Bord eines Atom-U-Boots.

Unterdessen geht der Krieg weiter. Die Ukrainer stellen sich auf die veränderte Natur des Krieges ein – und die Veränderungen sind beträchtlich: Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 hat sich der Krieg von einem gescheiterten russischen Blitzkrieg zu einem Zermürbungskrieg entwickelt.

Die wichtigste Veränderung gegenüber dem Beginn des Krieges ist die Umwandlung der ukrainischen Streitkräfte von einer professionellen Vertragsarmee in eine grosse Massenmobilisierungsarmee. Eine weitere Veränderung besteht darin, dass jetzt billigen Waffen in grossen Mengen der Vorzug vor teuren Maschinen und Präzisionswaffen gegeben wird, denn in vielen Fällen schlagen billige Drohnen die teuren Maschinen.

Das Schlachtfeld hat sich durch die technologischen Innovationen grundlegend verändert:

  • Dank der Drohnen kann dieselbe Feuerdichte nun von einer kleineren Zahl von Kämpfern in der Verteidigung gewährleistet werden. Aus demselben Grund ist es auch nicht mehr sinnvoll, eine grosse Anzahl von Soldaten und Material im Angriff einzusetzen.

 

  • Auch die Definition der Grauzone hat sich geändert. Früher befand sie sich zwischen den Linien der kämpfenden Parteien. Jetzt umfasst sie auch den nahen hinteren Bereich – etwa 10 bis 15 Kilometer, die für Drohnenangriffe leicht erreichbar sind. Das Durchbrechen der feindlichen Linien bedeutet nicht mehr, dass ein wichtiger Durchbruch erzielt wird. Vorrückende Kräfte können immer noch von Drohnen erreicht und vernichtet werden.

 

  • In allen Kriegen des 20. Jahrhunderts wurden die meisten Verluste durch die Artillerie verursacht. Heute werden etwa 70 bis 80 Prozent der Ziele von Drohnen getroffen. Nur 20 Prozent der Verwundungen gehen auf das Konto der Artillerie.

 

  • Die im letzten Jahr eingeführten Glasfaserkabeldrohnen machen es schwierig, die Fluggeräte mit funkelektronischen Mitteln zu bekämpfen. Funkelektronische Kampfmittel sind für den individuellen Einsatz, den Transport und den kollektiven Einsatz ein Muss geworden. Sie entwickeln sich zusammen mit den Drohnen ständig weiter.

 

  • Drohnen haben auch die Entfernungen an der Frontlinie verändert. Im Jahr 2022 betrug die Standardentfernung zwischen den Frontabschnitten und dem Evakuierungspunkt beziehungsweise dem nächstgelegenen logistischen Punkt im Hinterland etwa zwei Kilometer. Jetzt sind es vier bis fünf oder sogar mehr Kilometer.

 

  • Wegen des Drohnenrisikos ist es heute sicherer, zu Fuss in Stellung zu gehen als militärische Fahrzeuge zu benutzen. Das hat dazu geführt, dass Soldaten mit Munition und Verpflegung fünf bis acht Kilometer zu ihren Stellungen laufen, statt wie im Jahr 2022 ein bis zwei Kilometer. Auch kleine zivile Fahrzeuge werden in grossem Umfang eingesetzt.

All diese Veränderungen erfordern eine gründliche Ausbildung, Planung und Motivation der Soldaten und Kommandeure.

Ungeachtet der Schwierigkeiten an der Front halten die ukrainischen Soldaten diese relativ stabil. Im März besetzte das russische Militär weniger neues Gebiet als im Februar. Die Russen rückten im März sechsmal weniger weit vor als im November letzten Jahres auf ihrem Höhepunkt. Allerdings verstärken die Russen seit Mitte März ihre Angriffe wieder.

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