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Wie geht es unseren Bienen?

Zur Feier seines 132-jährigen Bestehens stellt sich der Imkerverein Davos der Bevölkerung vor und berichtet über seine Tätigkeit. Im Interview berichtet Heinrich Heusser, Imker und Bienenkommissär für die Kantone Graubünden und Glarus, über die Bienengesundheit.

Davoser
Zeitung
18.10.22 - 12:06 Uhr
Leben & Freizeit
Bienenkommissär Heinrich Heusser hat keine Berührungängste mit seinen Schützlingen.
Bienenkommissär Heinrich Heusser hat keine Berührungängste mit seinen Schützlingen.
zVg

Gibt es das oft erwähnte Bienensterben tatsächlich?

Heinrich Heusser: Das kann man so nicht sagen. Es ist eher ein Insektensterben, wie es unser Referent Andreas Müller anlässlich eines vom Imkerverein Ende August angebotenen Vortrags in der Aula Bünda erklärt hatte. So sind von den über 600 Wildbienenarten in der Schweiz ein Drittel gefährdet. Wildbienen sind Solitärbienen, viele von ihnen sind von einer einzigen Pflanze abhängig. Wenn es diese nicht mehr, gibt es auch diese Wildbiene nicht mehr. Sie sind Spezialisten und wichtig für die Biodiversität.

Anders ist die Situation bei den Honigbienen. Sie leben in Gemeinschaft. Im Sommer zählt so ein Volk etwa 30 000 Bienen, im Winter sind es immer noch zwischen 10 000 und 15 000 Individuen. Damit sind sie im Frühjahr, wenn das grosse Blühen beginnt, sofort bereit für die ­Bestäubung. Eine der Eigenschaften der Honigbienen ist, dass sie blütenstetig sind. Das heisst, sie fliegen die immer gleichen Blüten an, bis der Nektar oder die Pollen dieser Art ausgeschöpft sind. Dies ist ein grosser Vorteil für die Bestäubung von Kulturen.

Aber wie geht es unseren Honigbienen denn nun?

Leider ist es so, dass die Honigbienen ohne den Menschen nicht mehr überleben können. Der Hauptgrund ist die Varroamilbe. Sie gilt als der bedeutsamste Bienenschädling weltweit. Seit die Varroamilbe Ende der 1970er-Jahre nach Europa kam – in Davos wurde sie 1991 erstmals festgestellt – hat sich die Bienenhaltung grundlegend verändert. Heute ist die Varroamilbe, die ursprünglich mit der Asiatischen Biene lebte, weltweit verbreitet und verantwortlich für die meisten Völkerverluste.

Die Varroamilbe vermehrt sich in der Brut, wo sie sich vom Fettkörper der Bienenlarven ernährt. Durch diese Schädigung werden die adulten Bienen kurzlebiger. Sind zu viele Bienen eines Volkes betroffen, kann es den langen Winter nicht überleben. Doch es ist die Aufgabe der Imkerinnen und Imker, die Bienen ordnungsgemäss zu betreuen, sie gesund zu erhalten. Das ist so auch in der der Tierseuchenverordnung (TSV) festgelegt. Es ist damit eine gesetzliche Pflicht.

Was heisst das für die Imkerinnen und Imker?

Sie müssen Ende Juli nach der Honigernte die Milben reduzieren. Denn im August und September zieht das Volk die Jungbienen auf, die den Winter bis April überleben müssen. Die Bekämpfung erfolgt durch das Verdampfen von natürlichen Säuren, zumeist ist das Ameisensäure. Doch dies ist nicht ganz einfach. Beim Erfolg spielen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit eine zentrale Rolle. Schweizerischen Umfragen unter Bienenhaltern zeigen, dass die Wintersterblichkeit rund zwanzig Prozent beträgt. Auch wenn Graubünden und Davos etwas besser dastehen, ist es jedes Jahr eine grosse Herausforderung, die Bienenvölker über den Winter zu bringen.

Zudem gibt es noch Krankheiten, die nicht ganz einfach zu erkennen sind. Stellt eine Imkerin oder ein Imker Unregelmässigkeiten im Brutnest fest, sind sie verpflichtet, dies dem zuständigen Bienenkommissär zu melden. Denn es könnte sich um eine der hochansteckenden Bakterienkrankheiten wie Sauerbrut oder amerikanischen Faulbrut handeln. Sie müssen gemäss der TSV bekämpft werden.

Wie zeigen sich diese Erkrankungen?

Bei der Sauerbrut sterben ausschliesslich die Larven ab. Den adulten Bienen sieht man die Krankheit nicht an. Da der Nachwuchs fehlt, ist dennoch das Volk als Ganzes gefährdet. Die Sauerbrut ist eine typische Faktorenkrankheit, bei der keine genaue Ursache ausgemacht werden kann. Die Auslöser können vielfältig sein, darunter allgemeiner Stress sowie Pollen- und Nektarmangel.

Bei der amerikanischen Faulbrut sieht es anders aus. Sie ist zwar selten, aber sehr gefürchtet. Auch hier wird, wie es der Name schon sagt, die Brut befallen, die erwachsenen Bienen erkranken nicht. Doch sie übertragen die in den abgestorbenen Larven gebildeten Sporen. Diese wiederum bleiben sehr lange infektiös. Daher ist ein bekannter Übertragungsweg, wenn Bienen sich an Honigresten – zum Beispiel in nicht ausgewaschenen Gläsern in Glascontainern – bedienen. Vor allem ausländischer Honig kann für die Bienen krankmachende Sporen enthalten, auch wenn der Honig für uns Menschen unbedenklich ist. Darum ist es wichtig, dass die Gläser vor dem Entsorgen gut gewaschen werden. In der Landschaft Davos wurde diese Krankheit glücklicherweise seit Jahrzehnten nicht mehr festgestellt.

Eine Honigbiene mit aufsitzender Varroa-Milbe.
Eine Honigbiene mit aufsitzender Varroa-Milbe.
zVg

Sind die Bienen diesen Gefahren schutzlos ausgeliefert?

Während der Brutsaison von Anfang März bis Anfang Oktober liegt die Temperatur im Bienenstock konstant bei 35 Grad. Dies bei einer Luftfeuchtigkeit von über 60 Prozent. Optimale Bedingungen für die Vermehrung von weiteren Krankheiten, will scheinen. Dem ist aber nicht so. Denn die als Völker lebenden Bienen haben während der Evolution mehrere Abwehrstrategien entwickelt. Eine davon ist Propolis. Diese «Wunderwaffe» wird von den Bienen aus Harz, das sie von den Bäumen sammeln und mit körpereigenen Stoffen anreichern, hergestellt. Die harzige Masse kann in ihrer Zusammensetzung stark variieren und hat eine antibiotische sowie antivirale Wirkung. Propolis dient den Bienen auch zum Abdichten von kleinen Öffnungen, Spalten und Ritzen. Ausserdem verwenden sie es, um in den Stock eingeschleppte oder vorhandene Pilze, Bakterien und andere Mikroorganismen in ihrer Entwicklung zu hemmen oder sie sogar abzutöten.

Dennoch kommen Honigbienen ohne die Menschen nicht mehr aus?

Das Bienenvolk ist ein Organismus, der sich Millionen von Jahren entwickelt und immer wieder angepasst hat. Nun zahlen sie aber den Preis für unsere Mobilität. Es sind noch weitere Neozoen – also hier nicht heimische Tierarten, die zum Problem werden können – im Anmarsch. Für Bienenvölker gefährlich werden kann zum Beispiel die Asiatische Hornisse. Sie erreichte ausgehend von der Südküste Frankreichs dieses Jahr bereits den Jura und jagt mit Vorliebe Bienen. Oder der Kleine Beutenkäfer, der seinen Ursprung südlich der Sahara hat und sowohl Honig, Pollen als auch Bienenbrut frisst.

Was ist angesichts dieses Aufwandes und der Gefahren für die Bienen der Beweggrund, sich dennoch an die Imkerei zu wagen? Ist es der Honig?

Bei mir ist die Faszination für die Bienen. Je mehr man über sie weiss, umso interessanter wird und bleibt es. Selbst noch nach mehreren Jahrzehnten. Natürlich ernten wir auch gerne Honig, aber nur gesunde vitale Bienenvölker können ein Überschuss an Honig produzieren, den wir ernten können.

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