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Was bedeutet der Klimawandel für die Biodiversität?

Die Erderwärmung und der resultierende Klimawandel wirken sich weltweit auf die Biodiversität aus. Fachpersonen mit unterschiedlichem Hintergrund beleuchten am Wissenschaftscafé die komplexen Aspekte.

Leben & Freizeit
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08.08.22 - 00:00 Uhr

In den Schweizer Alpen bringt der Klimawandel neben extremen Wetterereignissen und Gletscherschwund auch Veränderungen in der Ausbreitung von Pflanzen und Tieren. Neben dem Umwelteffekt beeinflusst der Klimawandel somit auch direkt die menschliche Gesundheit, beispielsweise durch veränderten Pollenflug.

Podium:

  • Prof. Dr. med. PhD Marie-Charlotte Brüggen, Assistenzprofessorin/Oberärztin Dermatologische Klinik Universitätsspital Zürich
  • Prof. Dr. Andreas Fischlin, ETH Zürich, Mitglied und Autor IPCC
  • Reto Ringger, Gründer und CEO Globalance Bank AG, Zürich
  • Dr. Sonja Wipf, Leiterin Forschung und Monitoring Schweizerischer Nationalpark, Zernez

Moderation: Birgit Ottmer, Leiterin Kommunikation/Mitglied der Direktion Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf/Davos

 

Die Forschung zeigt, dass die Erderwärmung und der dadurch bedingte Klimawandel einen Effekt auf die Luftbelastung mit Allergenen haben. PD Dr. Katja Bärenfaller, Gruppenleiterin Molekulare Allergologie am Schweizerischen Institut für Allergie- und Asthmaforschung und Co-Präsidentin der Naturforschenden Gesellschaft Davos führt aus, dass beispielsweise in der San Francisco Bay Area im Zeitraum zwischen 2002 und 2019 festgestellt wurde, dass die Anzahl Wochen pro Jahr mit einer Luftbelastung durch Pollen und Schimmelpilz-Sporen gestiegen ist.[1] Für die Schweiz konnte für die Periode von 1990-2020 gezeigt werden, dass die Pollensaison für Hasel, Eiche, Gräser und Hanf/Brennnessel früher einsetzt und dass die Akkumulation von Pollen in der Luft für Hasel, Birke, Eiche, Buche, Brennnessel und Hanf erhöht war.[2]

 

[1] Paudel et al., Scientific Reports, 2021, https://doi.org/10.1038/s41598-021-92178-z

[2] Glick et al., Science of the Total Environment, 2021, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.146382

 

 
Graphical Abstract aus Glick et al., Science of the Total Environment, 20212
Graphical Abstract aus Glick et al., Science of the Total Environment, 20212

Der Effekt des Klimawandels auf Pflanzen ist komplex. Höhere CO2-Konzentrationen haben einen Düngeeffekt, aber nur, wenn den Pflanzen genügend Wasser zur Verfügung steht. Zudem haben Hitzeperioden, die oft mit Dürreperioden einhergehen, einen negativen Effekt auf das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen. Die Kombination dieser Faktoren macht auch einen Unterschied auf die Produktion von Pollen auf dem Land oder in städtischen Gebieten. Städtische Gebiete bilden während Hitzeperioden oft Hitzeinseln, allerdings zeigen sie höhere CO2- und tiefere Ozon-Werte, was in der Summe zu stärkerem Pflanzenwachstum und höheren Pollenkonzentrationen führen kann.

In der generellen Bevölkerung leiden etwa 25-30% an Allergien, welche die Atemwege betreffen, wie zum Beispiel Heuschnupfen. Faktoren, die das Auftreten allergischer Erkrankungen fördern, sind hohe Luftverschmutzung mit Ozon, Stickoxiden oder Feinstaub und eine hohe Allergen-Last in der Luft, vor allem durch Hausstaubmilben, Pollen, Pilzsporen und Tierhaut-Schuppen. Besonders problematisch ist das gemeinsame Auftreten beider Faktoren, weil Luftverschmutzung die natürlichen Barrieren in den Atemwegen durchlässig für Allergene macht und zu Reizungen und Entzündungen führt.

All diese Effekte des Klimawandels auf die Biodiversität beeinflussen die Allergen-Last und somit das Auftreten allergischer Erkrankungen und die Dauer der Symptome bei bestehenden Allergien. Sie stellen daher unter anderem auch ein Anliegen der öffentlichen Gesundheit dar.

Die Pflanzenökologin und Leiterin des Bereichs Forschung und Monitoring im Schweizerischen Nationalpark, Dr. Sonja Wipf, stellt fest, dass die Auswirkungen der Klimaveränderung In den Bergen besonders deutlich zu sehen sind. Nicht nur ist hier die Erwärmung überdurchschnittlich gross im Vergleich zum globalen Mittel. Die alpinen Ökosysteme sind auch primär durch harsches Klima und kalte Lebensbedingungen geprägt, eine Erwärmung hat deshalb starke Auswirkungen auf die Diversität, die Artenzusammensetzung und das Funktionieren von Lebensgemeinschaften in grossen Höhen.

Die Forscherinnen und Forscher beobachten eine schnelle Veränderung der Artenzusammensetzung und Höhenverbreitung von Pflanzen und Tieren, und diese hat sich über die letzten Jahre noch beschleunigt. Alpine Ökosysteme sind so zu sagen ein Fiebermesser, der die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Biodiversitätswandel besonders deutlich veranschaulicht.

Reto Ringger, Gründer und CEO der Globalance Bank AG, bringt die Ökonomie ins Spiel und sagt: «Geld bzw. wie man dieses anlegt, hat einen Einfluss auf das Klima oder die Biodiversität: positiv oder negativ.» Wir Menschen sind durch unsere Lebensweise und wirtschaftlichen Aktivitäten hauptverantwortlich für den Verlust der Artenvielfalt. In erster Linie direkt durch Landnutzung, aber auch indirekt durch Konsum bzw. dessen Emissionen und Abfälle. Wir müssen rasch umdenken und dabei spielt auch die Finanzwelt eine wichtige Rolle.

Die voranschreitende Erderwärmung forciert das weltweite Artensterben auf dem Land, in unseren Seen und Flüssen und auch im Meer. Der aktuellste WEF-Weltrisikobericht führt den Biodiversitätsverlust als drittgrösstes globales Risiko der nächsten zehn Jahre auf. Viele Branchen und Konzerne sind vom Artenverlust betroffen: Nahrungsmittelkonzerne, beispielsweise, müssen zum Schutz der Artenvielfalt beitragen, wollen sie sich langfristig genügend Rohstoffe sichern. Bereits nimmt Frankreich Investoren in die Pflicht: Ein neues Gesetz schreibt vor, dass Finanzinstitute über Biodiversitätsrisiken rapportieren.

Reto Ringger wird diese spannenden Abhängigkeiten aufzeigen und plädiert für mehr Transparenz der Klima- und Biodiversitätswirkung von Finanzanlagen.

 

Wissenschaftscafé vom 16. Juni 2022 in Chur
Wissenschaftscafé vom 16. Juni 2022 in Chur

Am Wissenschaftscafé vom 18. August 2022 im Kulturplatz in Davos, einer Co-Produktion der Academia Raetica, der Naturforschenden Gesellschaft Davos und der Wissensstadt Davos, diskutieren die Expertinnen und Experten auf dem Podium und mit dem interessierten Publikum. Hören Sie zu und diskutieren Sie mit!

 

Im Anschluss ans Wissenschaftscafé zeigt der Kulturplatz um 20.15 Uhr den Film «Prinzessin Mononoke». Infos und Tickets: www.kulturplatz-davos.ch

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