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«Viele passen ihr Verhalten nicht an die Hitze an»

Kantonsärztin Marina Jamnicki über die Risiken von hohen Temperaturen für die menschliche Gesundheit

Bündner Woche
09.07.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Vorsicht ist geboten: Ein Sprung ins kühle Nass kann zwar angenehm, aber auch gefährlich sein. 
Vorsicht ist geboten: Ein Sprung ins kühle Nass kann zwar angenehm, aber auch gefährlich sein. 
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Von Tobias Soraperra


Frau Jamnicki, welche Auswirkungen kann die Hitze auf die menschliche Gesundheit haben?

Marina Jamnicki: Es kommt immer darauf an, wie heiss es ist, für wie lange und wie heiss es in der Nacht ist. Letztendlich wirkt sich die Hitze vor allem auf den Kreislauf aus und die Fähigkeit, die eigene Körpertemperatur zu regulieren. Haben wir heiss, schwitzen wir bekanntlich. Mit dem Schwitzen wird die Körpertemperatur reguliert. Wird es jedoch zu heiss, versagen diese Mechanismen. Gefährdet sind vor allem Personen, welche ohnehin schon einen vorbelasteten Kreislauf haben. Das sind Leute mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Problemen, Schwangere, Ältere aber auch Neugeborene und Säuglinge.

Wie können sich gerade diese Risikopersonen schützen?

Da gibt es zwei Ebenen. Das ist einerseits das persönliche Verhalten, andererseits die Gestaltung der eigenen Umgebung. Wenn es richtig heiss ist, sollte die eigene Wohnung morgens gut durchgelüftet werden. Tagsüber sollten Fenster und Fensterläden dann geschlossen gehalten werden. Auf diese Weise bleibt die Temperatur im Inneren kühl. Beim eigenen Verhalten geht es darum, Aktivitäten zu vermeiden, welche den Körper zusätzlich aufheizen, wie zum Beispiel Sport. Über die Mittagszeit joggen zu gehen ist nicht das Schlauste, was man machen kann. Es gilt, sich langsam zu bewegen. Auch luftige Kleidung zu tragen, hilft sehr. Optimale Abkühlung findet man zum Beispiel in den Badis. Allerdings muss man aufpassen, dass man nicht mit überhitztem Körper ins Wasser geht. Sehr wichtig ist ausserdem, genug zu trinken, damit der Körper den Flüssigkeitsverlust ausgleichen kann.

Welchen Einfluss hat die Dauer einer Hitzeperiode auf die Belastung des menschlichen Körpers?

Zum einen braucht der Körper Zeit, um sich anzupassen. Deswegen haben viele Menschen bei grösseren Temperatursprüngen in kurzer Zeit mehr Probleme. Ein ganz wichtiges Element ist ausserdem die Temperatur in der Nacht. Kann sich der Körper dann abkühlen, ist er am Morgen erholter und man startet besser in den Tag. Gibt es mehrere Tage, an denen es auch in der Nacht nicht unter 20 Grad abkühlt, kann es für den Körper anstrengend werden.

Wie ist das grundsätzlich mit der körperlichen Anpassung? Sind zum Beispiel Menschen aus Südeuropa besser an die Hitze angepasst als wir in der Schweiz?

Es ist nicht der Körper, sondern das Verhalten der Leute. Nicht ohne Grund stehen die Menschen im Mittelmeerraum für die Arbeit frühmorgens auf. Auch die Menschen in den Wüstenstaaten haben ihre eigenen Methoden entwickelt, um mit der Hitze zurechtzukommen. In der Schweiz gibt es leider zu viele Leute, welche ihre eigenen Gewohnheiten nicht an die Hitze anpassen. Geht jemand für gewöhnlich immer um die Mittagszeit seinen sportlichen Aktivitäten nach, ist dies für die meiste Zeit des Jahres kein Problem, aber bei heissen Tagen im Sommer dagegen schon.

Fachwissen: Marina Jamnicki weiss über die Gefahren und notwendigen Verhaltensweisen bei hohen Temperaturen Bescheid. Bild Tobias Soraperra
Fachwissen: Marina Jamnicki weiss über die Gefahren und notwendigen Verhaltensweisen bei hohen Temperaturen Bescheid. Bild Tobias Soraperra

Welche wäre den die beste Tageszeit für körperliche Aktivitäten?

Der Morgen ist in der Regel die kühlste Zeit des Tages, weil die Temperaturen von der Nacht her noch relativ tief sind. Wenn es irgendwie geht, sollte man seine körperlichen Aktivitäten in diese Tageszeit verlagern.

Sie haben vorhin bereits das Thema Trinken angesprochen. Wie sieht’s mit Alkohol aus?

Das ist nicht empfehlenswert. Alkohol erweitert genau wie die Hitze die Blutgefässe. Der Effekt potenziert sich und der Blutdruck versackt komplett. Wenn man es dazu noch etwas übertrieben hat mit dem Alkohol, verhält man sich in der Regel auch unvernünftig. Das ist unter anderem eine Ursache für viele Badeunfälle. Daher sollte man bei Hitze eher auf Alkohol verzichten. Süssgetränke an sich sind nicht problematisch, aber auch nicht notwendig. Zu beachten ist, dass man den durch das Schwitzen entstandenen Salzverlust ausgleicht. Hilfreich ist es ausserdem, Früchte und Gemüse zu essen, da diese sehr wasserhaltig sind. Damit kann der Wasserbedarf des Körpers teilweise gedeckt werden.

Die Sommer werden immer wärmer. Ist diese Tatsache auch im Gesundheitsbereich spürbar? Sprich: Gab es in den letzten Jahren eine Zunahme von Badeunfällen und Hitzetoten?

Neulich gab es in der Schweiz ja ein Wochenende mit tragisch vielen Badeunfällen. Solche Phänomene sind durchaus zu beobachten. Gerade beim Sprung ins Wasser sind viele Leute unvorsichtig. Wenn der heisse Körper ins kalte Wasser kommt, entstehen Reflexe, die dazu führen können, dass man das Bewusstsein verliert.Was dann im Wasser passiert, brauche ich, glaube ich, nicht näher auszuführen. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf Menschen mit körperlichen Vorerkrankungen, sondern kann auch junge, gesunde und sportliche Personen treffen. Auch sind die Auswirkungen der Hitze statistisch sichtbar. Bei den sehr heissen Sommern in den vergangenen Jahren, angefangen beim Hitzesommer 2003, war durchaus eine höhere Sterblichkeit feststellbar. Dies betrifft vor allem ältere Personen und jene mit gesundheitlicher Vorbelastung. Gerade bei älteren Personen kann sich der Kreislauf nicht mehr so gut anpassen. Daher ist es sehr wichtig, dass ihre Umgebung angenehm gekühlt ist. Bei älteren alleinstehenden Personen sollte auch die Nachbarschaft ein Auge auf sie haben und schauen, ob sie Hilfe brauchen.

Stadt Chur bietet Abkühlung

Für Fussgängerinnen und Fussgänger, welche im Sommer in Chur unterwegs sind, bietet die Stadt für die heissen Tage Abkühlungsmöglichkeiten. An zwei Standorten in der Innenstadt, an der Bahnhofs- und an der Poststrasse, wurden Sprühduschen installiert. Diese sind jeweils vom späten Vormittag bis 18:30 Uhr in Betrieb und können wahlweise genutzt oder umgangen werden. Bereits im vergangenen Sommer kamen die Sprühduschen zum Einsatz. Nun wurden die Provisorien noch etwas optimiert und wurden im Gewand der Stadt ausgestattet. Laut Aussage von Stadträtin Sandra Maissen seien die Sprühduschen im vergangenen Jahr sehr gut angekommen. Der Wasserverbrauch der Sprühduschen sei laut Mitteilung der Stadt sehr gering. Trotzdem können die Sprühduschen nur genutzt werden, wenn in der Fussgängerzone reges Treiben herrsche. Bei schlechtem Wetter werden die Sprühduschen ganz ausgeschaltet.

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