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Tradition aus Klosters heisst den Winter willkommen

«Sägsi-Schällätä» ist ein junger Brauch aus Klosters – mit Feuer, Schällen und Samiklaus.

Bündner Woche
07.12.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die Kuhglocke, die den Winter begrüsst.
Die Kuhglocke, die den Winter begrüsst.
Bild Riccarda Hartmann

von Riccarda Hartmann

Flammen knistern und zischen. Orange schiessen sie in den Himmel. Verschlucken die aufgeschichteten Holzscheite auf dem Parkplatz der alten Eisbahn in Klosters. Das Feuer entzündet vom Wildmännli. Gekleidet in Tannenzweigen um die Hüfte und als Kopfbedeckung, mit braunem Stoff um die Füsse, steht das Wildmännli vor den emporreckenden Flammen. Das Grün hebt sich vom Orange-Gelb des Feuers ab. Das Licht tanzt über den nackten Oberkörper des Junggesellen. In der Hand einen Stock, daran die blaue Fahne mit dem weissen Kreuz darauf. Das Siegel von Klosters, der ehemaligen Gerichtsgemeinde im hinteren Prättigau.

Drei Tage vor dem «Sägsi-Schällätä»

So hat es wohl am 3. Dezember ausgesehen, beim Start des «Sägsi-Schällätä». Drei Tage davor ist in Klosters davon noch nichts zu sehen. Zumindest nicht tatsächlich. Aber in den Erinnerungen und Erzählungen von Erich Bernegger. Auf seinem weissen T-Shirt steht in bunten Buchstaben «Malerich». Auf seiner weissen Jeansjacke am Ellenbogen ist ein violetter Farbfleck sichtbar. Ein Maler und auch der Zunftmeister der «Schneeschällär» Zunft Klosters. Eine Zunft schützt ein Handwerk. Seit dem Mittelalter gibt es unterschiedlichste Zünfte, die gemeinsame Interessen der Leute wahren. Obwohl das «Sägsi-Schällätä» nach einem alten Brauch aussieht, wurde die erste «Schällätä» vor acht Jahren veranstaltet, wofür auch die «Schneeschällär» Zunft ins Leben gerufen wurde. «Damals haben die Gemeinde, Tourismus-Verantwortliche und Hotelierinnen und Hoteliers gefunden, sie möchten die Wintersaison mit einem kleinen Grüezi eröffnen», sagt Erich Bernegger. Ein Grüezi für die Gäste, die bereits anfangs Dezember in Klosters sind.

Umkehrbrauch vom Sechseläuten in Zürich

«Das ‘Sägsi-Schällätä’ ist wie ein Umkehrbrauch vom Sechseläuten in Zürich», erklärt der Zunftmeister. Die Wintersaison wird begrüsst. Eingeläutet. Auf dem Platz in Klosters brennt nur das Feuer. Es wird kein Schneemann – kein «Böögg» – wie beim Sechseläuten verbrannt. Anstelle den Winter zu verabschieden, wird er in der Gemeinde Willkommen geheissen. Lachend fügt Erich Bernegger hinzu: «Denn wir leben hier alle mehrheitlich von der Wintersaison.»

Zurück zum 3. Dezember. Nicht nur der Winter wurde hergeläutet. Die Kinder sangen laut, einige hatten ihr eigenes Glöckchen dabei. Sie riefen und schällten dem Samiklaus. Dieser erschien in seinem traditionellen rot-weissen Gewand und mit seinem langen weissen Bart in einer Kutsche. Zusammen mit dem Schmutzli natürlich. Die Kinder sagten ihr Sprüchlein auf. Der Sänger Bruno Flütsch, der bei «The Voice Of Germany» mitgemacht hatte, trat auf. Ein kleiner Chor der «Silvretta Stämli» sang wie jedes Jahr das «Schällärliedchen», von Erich Bernegger geschrieben. Einen «Segsi-Schällätä»-Marsch.

«Sägst-Schällätä»-Marsch

1)
Schällä, schällä, schällä,
schäll nomal!
Schällä, schällä, schällä,
schäll nomal!
Ds Chloschtärsch brennt
es Füür hüt Nacht,
d Frau Holle chunt mit wissär Pracht.
Ds Wildmäänli zünt där Huufän aan,
der Wintär chunt, dr Herbscht chan gaan.

2)
Schällä, schällä, schällä,
schäll nomal!
Schällä, schällä, schällä,
schall nomal!
Di Plumpner lüütend d Saison iin,
d Scheeschällär sekländ
um das Füür,
äs chomänd schon di erschtä Gescht,
hüt Abäd hämmer äs gmuätlichs Fescht.

3)
Schällä, schällä, schällä,
schäll nomal!
Schällä, schällä, schällä,
schäll nomal!
Willkommä, Winter, bliib bin ünsch
füf Monat lang und drii vier Taag,
ä hufà Gescht, ä Täschä Schnee,
das wäri ds bescht...was wit no mee.

Erich Bernegger

Faszinierende Flammen: Sie wärmen und spenden Licht auf dem Parkplatz in Klosters. Bild zVg
Faszinierende Flammen: Sie wärmen und spenden Licht auf dem Parkplatz in Klosters. Bild zVg

Sich Gehör verschaffen. Das tut man mit den Schällen. Einer Kuh wird sie umgelegt, damit sie leichter zu finden ist. Früher mehr als heute, erzählt Erich Bernegger, der als Junge Kühe gehütet hat. Oder Aufmerksamkeit bekommt man auch beim Eintreten in einen Laden. Ankündigung der Kundschaft durch ein Glöckchen. «Wir ‘schällän’ und machen ein grosses Feuer und dadurch wird das dort oben gehört», sagt Erich Bernegger und zeigt zum Himmel: «Und Schnee wird geschickt. Schnee und jede Menge Gäste.»

«Sägsi» und «Schällätä». Wie der Name vermuten lässt, läuft die Jungmannschaft, begleitet vom Wildmännli, mit ihren «Plumpa» zur Eröffnung und um sechs Uhr um das Feuer herum und schällt. Alle gleich angezogen. Dicke, blaue Prättigauer Bauern «Chutte», dunkle Hosen und schwarze Zipfelmütze. Um den Hals ein rotes Tuch gebunden. Alle Leute, die eine Schälle dabei haben – sei sie auch noch so klein – läuten. Durcheinander und doch melodisch erschallt das Geräusch und ruft den Winter herbei. Lange brennt das Feuer weiter, auch als das Läuten verstummt. Das Feuer fasziniert. Es ist der Mittelpunkt. Spendet Wärme und Licht in der kalten Jahreszeit. Der Winter ist somit symbolisch begrüsst und wird warm empfangen.

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