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Ilanzer Verein Momo verschenkt Zeit

Der Verein Momo schenkt kranken Kindern im Kantonsspital Graubünden wertvolle Stunden

Bündner Woche
21.01.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Betreuung und ein offenes Ohr: Junge Langzeitpatientinnen und -patienten bekommen vom Verein Momo viel Zeit.
Betreuung und ein offenes Ohr: Junge Langzeitpatientinnen und -patienten bekommen vom Verein Momo viel Zeit.
Seraina Spinas, Kantonsspital

von Susanne Turra

Momo lebt in einer Fantasiewelt. In einer riesigen Stadt. Sie ist ein kleines Mädchen mit einem dunklen Lockenkopf. Und sie trägt alte, kunterbunt zusammengeflickte Kleidung. Momo ist arm. Und sie hat Zeit. Diese schenkt sie Menschen, indem sie ihnen zuhört. Sie tröstet sie und beflügelt ihre Fantasie. Eines Tages tauchen die grauen Herren auf. Die glatzköpfigen Agenten versuchen, die Menschen dazu zu bringen, Zeit zu sparen. Um diese angeblich für später sicher und verzinst aufzubewahren. In Wahrheit aber werden die Menschen um ihre Zeit betrogen. Während sie nämlich versuchen, Zeit zu sparen, vergessen Sie, das Schöne im Leben zu geniessen. Momo lässt das nicht auf sich beruhen. Tapfer und mutig kämpft sie dagegen an. Wer kennt sie nicht. Die wundervolle Geschichte von Michael Ende.

Auch der kleine, ehrenamtlich tätige Verein Momo aus Ilanz schenkt Zeit. Zeit von Begleitern, Betreuerinnen, Spital-Lehrerinnen und Therapeuten. Zeit zum Lachen, Spielen, Basteln, Staunen und Erleben. Zeit für Kinder und Jugendliche mit einer Krankheit oder Behinderung.

Die Genesung unterstützen

Es ist Mittwochmorgen im Januar in Chur. Auch Valentina Montalta und Rahel Haymoz, Präsidentin und Aktuarin des Vereins Momo, nehmen sich heute Zeit. Zeit zum Erzählen, Aufklären, Aufrütteln, sichtbar machen. «Was fehlt, ist die Zeit», betont Gründerin Valentina Montalta gleich zu Beginn. «Alles andere ist eigentlich abgedeckt.» Und so ist schnell klar: Der Verein möchte Zeit schenken. Denn: «Zeit ist Leben, Liebe, Freude und Glück», so die Vereinsgründerin. Gesagt, getan. Es werden Frauenvereine angeschrieben, Familien und Institutionen im Kanton Graubünden. Und so wird der Verein vor sieben Jahren aus der Taufe gehoben. Und er kann sich sehen lassen. Nicht weniger als 120 Mitglieder gehören ihm bis heute an. Und das in einer Zeit des Vereinssterbens. «Hier sieht man, wie wichtig die Zeit für den Menschen ist», so Valentina Montalta. Und noch etwas ist wichtig. «Wir helfen regional», so Rahel Haymoz. «Unsere Arbeit beschränkt sich auf Graubünden.»

Seit 2015 arbeitet der Verein Momo mit dem Kantonsspital Graubünden in Chur zusammen. Das hat seinen Grund. Es ist das einzige Spital in Graubünden, das eine Kinder- und Jugendabteilung für Langzeitpatientinnen und -patienten führt. Und weil die Zeit im Spital für das Ärzte- und Pflegepersonal generell knapp ist, möchte Momo Zeit schenken. Und damit den Genesungsprozess der Kinder unterstützen.

Spitalzeit und Momozeit

Und so gibt es nun also Spitalzeit und Momozeit. Momozeit für gemeinsame Aktivitäten und Einzelbetreuung. Zeit zum Vorlesen, Backen und Zuhören. Und unter anderem auch für Kunst- und Musiktherapie, Bowling und Wald- und Hundespaziergänge mit Vierbeinern aus dem Tierheim. «Was es diesbezüglich braucht, das überlassen wir dem Spital», so Valentina Montalta. «Die Mitarbeitenden sind mittendrin. Sie wissen, was nötig ist. Kennen die Krankengeschichten.» Die Mitgliederbeiträge des Vereins werden ausschliesslich für diese Zeit eingesetzt. Anders bei Projekten. Diese werden von externen Sponsorengeldern bezahlt. So auch das jüngste Kind des Vereins. Die «Momo Leseecke» mit dem bunten Leseturm. Ein Rückzugsort für die Kinder und Jugendlichen in entspannter Atmosphäre. Gemütlich. Mit bequemen Kissen. Büchern. Und Spielen. Ein Treffpunkt, der rege genutzt wird. Und eine Möglichkeit, die auch von den Eltern der jungen Patientinnen und Patienten sehr geschätzt wird. Eine Möglichkeit, die es wohl ohne Zeit von Momo nicht gäbe.

Engagiert: Die Vorstandsmitglieder Rahel Haymoz (links), Valentina Montalta (stehend) und Sandra Cavigelli freuen sich über den neuen bunten Leseturm. Ergänzt wird das Team durch Vereinssekretärin 
Bild Seraina Spinas, Kantonsspital
Engagiert: Die Vorstandsmitglieder Rahel Haymoz (links), Valentina Montalta (stehend) und Sandra Cavigelli freuen sich über den neuen bunten Leseturm. Ergänzt wird das Team durch Vereinssekretärin Bild Seraina Spinas, Kantonsspital

So oder so. Es ist alles mit Zeit verbunden. Und es ist alles ehrenamtlich. Auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut. Mit Herzblut und Leidenschaft. Und so schaut auch der Vorstand des Vereins Momo ab und zu im Kantonsspital vorbei. «Ein solcher Einblick ist wichtig. So können wir das Ganze spüren», betont Rahel Haymoz. «Es ist sehr eindrücklich zu sehen, wie mit den Kindern gearbeitet wird», ergänzt Valentina Montalta. Um Geld zu sammeln, ist der Verein übrigens auch jedes Jahr am Städtlifest in Ilanz präsent. «Im Oberland kennt man uns. Künftig möchten wir im ganzen Kanton ein bisschen sichtbarer werden», sind sich Präsidentin und Aktuarin einig. Dennoch. Bei der Mitgliederwerbung bleibt der Verein vorsichtig. Das Engagement beschränkt sich auf den jährlichen Mitgliederbeitrag von 100 Franken. Grundsätzlich geht niemand eine Verpflichtung ein. Muss niemand Verantwortung übernehmen. Und sich auch nicht binden. «Bei uns sind alle willkommen», so die Präsidentin. «Die Aktiven und die Passiven.» Alle können Zeit schenken. Und so freuen sich die Vorstandsmitglieder über alle neuen Gönner und Gönnerinnen, Spenderinnen und Spender und Neumitglieder. 

Zurück zu den Grundwerten

«Mit der Vereinstätigkeit gehen wir zurück zu gewissen Grundwerten», so Rahel Haymoz. «Werte, von denen man meint, sie seien nicht mehr vorhanden.» Das ist falsch. Es gibt sie noch. Die Grundwerte. Sie sind nur nicht mehr so präsent. Gehen oftmals unter in dieser Schnelllebigkeit von heute. Diesem Individualismus. Und doch gibt es sie. Jene Momente. Und ganz viel Zeit. Damit die Kinder tapfer und mutig sein können. Wie Momo. Das Mädchen mit dem dunklen Lockenkopf. Aus Michael Endes Fantasiewelt.

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