×

Ein Besuch bei den «Igiser Holzchöpf»

Hineinschlüpfen in ein Kostüm, eine Maske und eine Rolle - Einblick in eine Igiser Fasnachtsgruppe.

Bündner Woche
18.02.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Es ist bereits dunkel an diesem Mittwochabend in Igis. Bei der Familie Zimmermann brennt das Licht in der Küche. Dort am Küchentisch haben drei der «Igiser Holzchöpf» Platz genommen. Peter Zimmermann, einer der ersten Holzchöpfe, dessen Sohn und nun «Chef-Holzchopf», Marco Zimmermann, und Roman Casanova, der von Peter Zimmermann schmunzelnd als ihr Aktuar vorgestellt wird. So sitzen sie da, entspannt, einfach drei Männer, die ab und an in eine andere Rolle schlüpfen. Sich während des Fasnachtmonates an Wochenenden unter eine hölzerne Maske begeben und an mehreren Umzügen mitgehen. Und das eigentlich auf friedvolle Art, auch wenn der erste Blick auf ihr Kostüm anderes vermuten lässt.

Aller Anfang ist ein Geschenk

«Angefangen hat es mit einem geschenkten Schnitzkurs, den mein Schwager Reto Della Pietra im Jahr 1996 von seiner Frau geschenkt bekommen hat», beginnt Peter Zimmermann über den Ursprung der «Igiser Hozchöpf», zu erzählen. «Er ist mit der Maske heimgekommen und wir sind kurz darauf auf die glorreiche Idee gekommen, wir könnten zu zweit gleich noch einen Kurs belegen und das haben wir im Herbst 96 dann auch getan.» Mit dem geschenkten Schnitzkurs nahm also alles seinen Anfang. Aus einer Familiengruppe ist schnell eine Quartiersgruppe geworden. Die Nachbarn sind zu der Familie der «Holzchöpf» dazugestossen. 

Zusammen: Die ganze Familie ist an den Umzügen dabei. Bild zVg
Zusammen: Die ganze Familie ist an den Umzügen dabei. Bild zVg

Marco Zimmermann steht auf, macht die Küchentür auf und verschwindet für einen kurzen Moment draussen. Mit einer Holzmaske kehrt er zurück. Mit der ersten Maske der «Igiser Holzchöpf». «Beim Kurs habe ich diese Maske geschnitzt», sagt Peter Zimmermann. Graue Haare schauen unter einem roten Tuch hervor. Auf der grossen Nase ist eine schwarze Warze. Ein Lächeln ist auf ewig in das Gesicht eingekerbt. Trotz der Löcher anstelle der Augen wirkt es beinahe so, als würde das Gesicht der Maske einen anschauen.

Es blieb nicht bei dieser einen Maske. Um die 40 Stück sind es heute, genau wissen die drei es auch nicht. Was 1997 als vierköpfige Gruppe gestartet hat, zählt heute über 30 Mitglieder. Und die Holzmasken? Natürlich alle selbst gemacht. «Ich brauche etwa zwischen 40 und 60 Stunden für eine Maske», sagt Roman Casanova, einer der drei Schnitzer. Dabei käme es darauf an, wie aufwendig die Schnitzarbeit sei, wie die Augen und die Hörner seien und wie es mit der Trockenzeit aussähe. 

«Wie es kommt, ist unterschiedlich. Du musst dich dem Holz anpassen»
Peter Zimmermann

Peter Zimmermann blättert in einem roten Ordner. Fotos von den ersten Umzügen sind zu sehen, auf farbigen Blättern eingeklebt und mit Konfetti verziert. Er findet das Bild, das er gesucht hat. Ein Foto, auf dem ein hellbraunes Stück Holz zu sehen ist. Der Ursprung einer jeder Maske ist der gleiche. Was daraus wird, ist den Schnitzern selbst überlassen. Und somit ist jede Maske der «Igiser Holzchöpf» anders. Hat ihren eigenen Charakter. Trägt die Handschrift des Schnitzers. «Wie es kommt, ist unterschiedlich. Du musst dich dem Holz anpassen», erklärt Peter Zimmermann. Einem «Holzchopf», den Peter Zimmermann einmal geschnitzt hat, schaut ein Stumpen aus dem Mund. Es ist jedoch ein Ast, den Peter Zimmermann so gelassen hat, weil er gerade gepasst habe.

Auch die Kleider sind selbst gemacht. Früher habe es Nähsamstage gegeben. Dann hätten die Nähmaschinen gerattert. Einige haben dann den rohen Stoff zugeschnitten, andere haben zusammengesteckt und wieder andere haben genäht. So erinnert sich Peter Zimmermann. Heute müssen sie die Jutekleider nur noch flicken oder hier und da etwas ergänzen.

Gemeinsam: Roman Casanova (v. l.), Marco Zimmermann, Peter Zimmermann und Reto Della Pietra. Bild Riccarda Hartmann
Gemeinsam: Roman Casanova (v. l.), Marco Zimmermann, Peter Zimmermann und Reto Della Pietra. Bild Riccarda Hartmann

Jede Maske hat einen eigenen Charakter

Bevor es am Umzug losgeht, wird miteinander angestossen. Mit dem selbst gemachten Röteli. Das gehöre dazu, meint Roman Casanova. Danach werden die Masken aufgesetzt und los geht es. An einem Umzug laufen im Durchschnitt etwa 20 «Holzchöpf» mit. Doch es ist nicht nur ein Mitlaufen. «Ich stelle mir immer meinen ‘Grind’ vor. Wenn ich normal gehe, sieht das nicht passend aus. Ich versuche, so herüberzukommen, wie die Maske es eigentlich verlangt, die ich trage», erklärt Marco Zimmermann. Roman Casanova stimmt ihm zu: «Der Laufstil und du veränderst dich ein bisschen. Du möchtest den Leuten imponieren. Im Prinzip ist es wie Schauspielerei.» Und jede Figur verhält sich anders. Da ist wohl auch eine gewisse Selbstinterpretation gefragt. Peter Zimmermann erinnert sich an früher, als er eine Hexe mit grossen Fangzähnen getragen hat: «Mit der Maske bin ich herumgeflitzt. Nach dem Umzug bin ich einfach k. o. gewesen. Nudelfertig. Kaputt.» Lächelnd schüttelt er den Kopf. Er ist hineingeschlüpft in die Rolle, die sie ihm gab.

«Guat Nacht Papi», kommt es vom Fusse der Treppe. Es ist Zeit, für die Tochter ins Bett zu gehen. «Guat Nacht Schätzali», sagt Marco Zimmermann, «möchtest du auch noch etwas über die 'Holzchöpf' sagen?». Das Mädchen überlegt nicht lange: «Sie sind gut». Dann verschwindet sie die Treppe hinauf. Sie wird es wohl wissen, denn auch sie läuft am Umzug mit und hat ihre eigene Maske.

Die drei Männer in der Küche machen auch nicht mehr lange. Ein Röteli muss aber noch sein. Und so stossen sie an. Jetzt sind sie zu viert. Reto Della Pietra ist zu ihnen gestossen. Er, der mit dem Schnitzkurs den Anstoss für die «Igiser Holzchöpf» gab.

Inhalt von buew logo
Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Jetzt für den «wuchanendlich»-Newsletter anmelden

Mit unseren Insider-Tipps & Ideen donnerstags schon wissen, was am Wochenende läuft.

Mehr zu Leben & Freizeit MEHR