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Glamouröses Understatement im Prättigau

Wie Klosters zum Ort von Hollywoods Grössen und des britischen Königshauses wurde.

Bündner Woche
06.10.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Wo man sich trifft: Die Bar im Hotel «Chesa Grischuna» lockt Prominenz aus der ganzen Welt an. Hier soll schon Gene Kelly auf den Tischen getanzt haben.
Wo man sich trifft: Die Bar im Hotel «Chesa Grischuna» lockt Prominenz aus der ganzen Welt an. Hier soll schon Gene Kelly auf den Tischen getanzt haben.
Riccarda Hartmann

von Laura Kessler

Hollywood on the Rocks. Kein Drink, nein. Vielmehr ein Ort, ein Hotel, eine Kegelbahn und eine Bar. Also doch ein Drink – viele Drinks. Auch Partys, ja, und das schöne, ausgelassene Leben. Dieses wird in Klosters zelebriert. Ziemlich diskret und fast schon im Geheimen. Hier, im Prättigauer Dorf, im Hollywood der Berge.

Dienstagvormittag, Ende September. Es liegt der Geruch von Schnee in der Luft, auch wenn noch der Regen vom Himmel prasselt. Am Bahnhof von Klosters warten zwei Postautos auf Fahrgäste, auf der gegenüberliegende Seite eilt eine Dame mit Einkaufstasche Richtung Bahnhof, ein Arbeiter trinkt seinen Kaffee aus einem Pappbecher. Es ist ruhig, Klosters ist verschlafen. Hollywood scheint weit weg. Von Glanz und Glamour keine Spur.

Christoph Luzi führt auf die Bahnhofstrasse. Er ist Projektleiter von 800 Jahre Klosters, den diesjährigen Feierlichkeiten, die unter dem Motto «Walserstolz und Weltgeschichten» stehen. Für diese Zeilen spielt beides eine Rolle. Es ist der Stolz der Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner, das Traditionsbewusstsein und vielleicht auch eine gewisse Engstirnigkeit, die aus Klosters ein Ort von Welt machten.

Wo King Charles zu Abend isst

Bildlich zeigt sich das im Hotel «Chesa Grischuna». Ein geschichtsträchtiges Haus. Eines mit niedrigen Räumen, dunklen Holzdecken und knarzigen Treppenstufen. Ein Hotel, in dem sich in Vergangenheit und Gegenwart Leute aus aller Welt treffen. Regisseure, Schauspielerinnen, Musikerinnen und Künstler. Hollywood ist in Klosters zu Gast. Das vor allem in den 40er- und 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Heute – oder zumindest bis vor Kurzem – speiste King Charles in der «Chesa Grischuna». Die Royals aus England sind fest mit dem Ort verbunden. Warum? Warum zog und zieht genau dieses Dorf Prominenz aus der ganzen Welt an?

«Es ist das Understatement», sagt Barbara Rios, welche die «Chesa Grischuna» in zweiter Generation führt. Kein bewusstes Understatement, wie sie betont, vielmehr die Art und Weise der Klosterserinnen und Klosterser, allen Menschen gleich zu begegnen. Man lebt und lässt leben. «Niemand würde auf die Idee kommen, eine bekannte Persönlichkeit beim Abendessen nach einem Autogramm zu fragen», sagt Christoph Luzi. Und niemand spricht den König von Schweden beim Einkaufen im Coop an. Auch dieses Bild bot sich bereits.

«Man traf sich in New York, Paris, Nizza und in Klosters»

Christoph Luzi

In der Gaststube der «Chesa Grischuna» serviert der Kellner Kaffee in Tassen mit dem Originaldekor von Architekt Hermann Schneider, der das Hotel 1938 plante. Hans Guler, Barbara Rios’ Vater, liess das Hotel im Stil der «Chesa Veglia» in St. Moritz erbauen. Das ist dann aber auch das Einzige, was das Hotel in Klosters mit dem Restaurant in St. Moritz verbindet. Denn während in St. Moritz das Sehen und Gesehen werden eine grosse Rolle spielen, übt sich Klosters in Zurückhaltung.

So kommt es, dass vor über 80 Jahren das Dorf im Prättigau als Ferienort der Reichen und Schönen entdeckt wurde. Salka Viertel, Drehbuchautorin und Schauspielerin, war Gast in der «Chesa Grischuna». Sie und ihre Familie, namentlich Sohn Peter Viertel, waren es, die Hollywood nach Klosters brachten. «Man traf sich in New York, Paris, Nizza und in Klosters», so Christoph Luzi. In der Bar im Untergeschoss, die mit Malereien von Hans Schöllhorn verziert ist, soll Gene Kelly (Singin’ in the Rain) angeblich auf den Tischen getanzt haben. «Das kann schon sein», sagt Barbara Rios und lacht. «Hier haben viele auf den Tischen getanzt.» Hier, in der «Chesa Bar», traf man sich zum Aperitif. Hier kam man hin. Hier und nirgends anders.

General Guisan, Gene Kelly, Audrey Hepburn

Wer alles schon in der «Chesa Grischuna» war, zeigt der Blick ins Gästebuch. Ein kostbares Gut, so kostbar, dass Barbara Rios weisse Handschuhe reicht, um die Seiten umzublättern. Sie alle waren hier. General Guisan, Gene Kelly, Kirk Douglas, Greta Garbo, Audrey Hepburn, Bing Crosby und natürlich, nicht zu vergessen, King – damals Prince – Charles. Die Liste liesse sich noch lange weiterführen. «Mal schauen, ob King Charles nun seine Ferien immer noch in Klosters verbringen kann. Jetzt hat er andere Aufgaben», meint Barbara Rios. Christoph Luzi nickt. Die Verbundenheit zum britischen Königshaus ist gross. Bald soll ein Kondolenzschreiben der Gemeinde Klosters London erreichen.

Kulturgut: Das Gästebuch der «Chesa Grischuna» schreibt ein Stück Weltgeschichte. Bild Riccarda Hartmann
Kulturgut: Das Gästebuch der «Chesa Grischuna» schreibt ein Stück Weltgeschichte. Bild Riccarda Hartmann

Das Gästebuch erzählt Geschichten. Geschichten, die auch in der Kegelbahn, die über einen unterirdischen Gang zu erreichen ist, geschrieben wurde. Die Wände sind verziert mit Malereien von Alois und Zarli Carigiet. Die Kegelbahn heisst deshalb auch «Carigiet Bar». Holzstühle und lange Tische stehen da. Ein schlichtes Interieur. Hier ist es also wieder, das Unterstatement. Ungezwungen und natürlich. Das, was anzieht. Das, was Klosters zu Hollywood on the Rocks macht.

www.klosters800.ch
www.chesagrischuna.ch

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