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Fehlende Teilzeitstellen führen zu Verlust von Fachkräften 

Viele Frauen schliessen ihre Gipser- oder Malerlehre ab. Doch nach wenigen Jahren legt fast die Hälfte davon den Pinsel zur Seite. Die Filmreportage über einen Betrieb in der Südostschweiz klärt auf.

Nicole
Nett
23.03.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Grosses Bedürfnis: Jeder zehnte Vollzeitmitarbeitende wünscht sich «am liebsten sofort» eine Teilzeitstelle.
Grosses Bedürfnis: Jeder zehnte Vollzeitmitarbeitende wünscht sich «am liebsten sofort» eine Teilzeitstelle.
Symbolbild Pexels

Beruf und Privatleben zu vereinen, ist oftmals nicht ganz einfach. Ein Teilzeitjob könnte helfen, die Work-Life-Balance zu stärken. Vor allem in handwerklichen Branchen wie im Maler- und Gipsergewerbe ist Teilzeitarbeit noch nicht stark verbreitet. Wir haben bei der Maler Walser AG in Chur reingeschaut:

Abwanderung von weiblichen Fachkräften

Es war der Verlust von Fachkräften, der zur Lancierung des Projekts «Teilzeitbau» führte. Rund 40 Prozent der Lernenden im Malergewerbe seien Frauen, und das seit 20 Jahren. Doch fast die Hälfte dieser ausgebildeten Malerinnen kehrten dem Beruf im Alter von 27 bis 36 Jahren den Rücken, erklärt Barbara Rimml, Projektleiterin des Vereins Pro Teilzeit. Dadurch habe das Malergewerbe viele Fachkräfte verloren. Ein Grund für die Abwanderung seien fehlende Teilzeitstellen gewesen. Zusammen mit den Sozialpartnern des Maler- und Gipsergewerbes lancierte der Verein vor vier Jahren deshalb ein Teilzeitförderungsprojekt. Seither haben sich die Teilzeitstellen verdoppelt.

624 neue Stellen

Jede zwölfte Stelle ist heute eine Teilzeitstelle. Früher war es jede 25. In der Deutschschweiz konnten so im Maler- und Gipsergewerbe bereits 624 neue Stellen geschaffen werden. «Das Bedürfnis nach mehr Teilzeitstellen ist gross», sagt die Projektleiterin Barbara Rimml vom Verein Pro Teilzeit. Zwölf Unternehmen beteiligten sich an Pilotprojekten zur Teilzeitförderung. Und es wurden Hilfsmittel für alle Unternehmen der Branche erarbeitet. Im Moment befindet sich das Projekt in der Schlussphase mit den ersten Erkenntnissen. «Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hat sich verbessert und zum Erhalt von Fachkräften beigetragen», so Rimml.

Gesellschaftlicher Wandel

Teilzeitarbeit sei momentan ungleich verteilt – zwischen den Geschlechtern und auch Branchen: Sechs von zehn Frauen arbeiten Teilzeit, aber nur zwei von zehn Männern. Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie der ETH Zürich hat gezeigt, dass Männer bei der Suche nach Teilzeitstellen benachteiligt werden. Das sei ein doppeltes Gleichstellungsproblem. Denn wenn Männer, die Verantwortung für die Familie übernehmen wollen, nicht Teilzeit arbeiten können, leiden auch die Frauen darunter, so Rimml. Der Verein Pro Teilzeit will dies ändern und engagiert sich für Teilzeitarbeitsmöglichkeiten für alle – für Männer und Frauen, egal ob sie im Büro, auf dem Bau oder in einer Leitungsposition arbeiten.

Nicole Nett schreibt und produziert hauptsächlich Geschichten für «suedostschweiz.ch». Die gelernte Kauffrau hat Multimedia Production studiert und lebt in der Bündner Herrschaft. Sie arbeitet seit 2017 für die Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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