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Eine Köstlichkeit aus Übersee wächst im Lugnez heran

Auf dem Hof Curoms in Morissen leben rund 140 Tiere. Darunter befinden sich neben Kühen, Rindern und Ziegen auch die hier wenig verbreiteten Truthähne.

Jasmin
Schnider
01.08.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Truthähne sieht man hierzulande meist in amerikanischen Filmen. Gerupft und gebraten an einem Stück auf den Teller, darf der Truthahn an Thanksgiving natürlich nicht fehlen. In der Schweiz ist diese Tradition weniger verbreitet. Jedoch bekommt man auch hier Truthähne zu Gesicht, beispielsweise in der Val Lumnezia und das sogar in lebendiger Form.

«Wir haben schon immer gerne Truthahnfleisch gegessen», erklärt Rahel Caduff, während sie über ihre 40 Truthähne schaut. Zusammen mit ihrem Mann Silvan Caduff betreibt sie in Morissen den Hof Curoms, einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchkühen, Mast- und Aufzuchtrindern, Ziegen und – Truthähnen eben. Die Bäuerin wollte «das mit den Truthähnen einmal ausprobieren». Ihren Mann musste sie erst noch überzeugen, sagt Rahel Caduff schmunzelnd. Doch nun haben sie die gefiederten Tiere schon fünf Jahre. 

Noch mehr Impressionen vom Hof Curoms seht ihr im Video:

Video Jürg Abdias Huber

Eine temporäre Sache

Jeweils Ende Frühling erhalten die Caduffs 40 sechs Wochen alte Truthühner und Truthähne. Meist ist die eine Hälfte davon männlich, die andere weiblich. Sie bleiben dann rund 20 Wochen auf dem Hof. «Die Tiere leben bei uns, essen hier, trinken hier, geniessen den Freilauf und sobald sie genug schwer sind, werden sie in den Schlachthof gebracht», fasst die Bäuerin zusammen. Nicht immer sei der Abschied von den Tieren einfach. Nach 20 Wochen baue sich jeweils eine gewisse Bindung zum Tier auf. So würden die Truthähne auf sie zukommen, wenn sie sie rufe. Die speziellste Bindung zu den Tieren habe jedoch der jüngste Sohn der Familie: «Wenn unser Kleinster mit ihnen spricht, geben sie immer Antwort.» Das liegt gemäss Rahel Caduff daran, dass er in einer Tonlage spricht, die ähnlich klingt wie das Gegacker der Truthähne.

Ein aussergewöhnlicher Feind

Anfangs hielten sie die Tiere noch im Kuhstall. Dieser steht im Sommer, wenn die Kühe auf der Alp sind, schliesslich leer. Während des Tages durften die Tiere dann jeweils nach draussen. Seit die Caduffs jedoch ihren Betrieb auf Bio umgestellt haben, halten sie die Truthähne in einem alten Bauwagen, der hinter dem Stall, neben dem Misthaufen steht. Diesen hat das Landwirtepaar umgebaut und mit Sitzstangen, Futter- sowie Wassertrögen ausgestattet. Davor steht ein kleines Sandbad, da die Truthähne gemäss der Bäuerin gerne ihre Federn in Sand baden. Zudem sei der Bauwagen sehr praktisch, da er verschiebbar sei.

Schlafplatz: Um vor Fressfeinden geschützt zu sein, verbringen die Tiere die Nacht in diesem Bauwagen.
Schlafplatz: Um vor Fressfeinden geschützt zu sein, verbringen die Tiere die Nacht in diesem Bauwagen.
Bild Jasmin Schnider
Geliebtes Hobby: Caduffs Truthähne baden gerne in ihrem eigenen Sandbad.
Geliebtes Hobby: Caduffs Truthähne baden gerne in ihrem eigenen Sandbad.
Bild Jasmin Schnider

Während des Tages haben die Tiere Zugang zu einer Wiese. Dort wandern sie gerne im Gras herum und fressen alles, was ihnen vor den Schnabel kommt – seien das Insekten, Würmer oder auch gerne einmal Abfälle aus dem Garten. Die Nächte hingegen verbringen sie im Bauwagen. Dieser wird von einem hohen Gitterzaun umgeben, sodass die Truthähne von Fressfeinden wie Füchsen oder Wölfen geschützt sind. Letztes Jahr hatte sich ein Fuchs einen Truthahn geschnappt. «Er kam dann glücklicherweise nur einmal und hat sich mit einem Tier zufriedengegeben.»

Die Truthähne der Familie Caduff müssen sich aber nicht nur von Fressfeinden in Acht nehmen. «Vor zwei Jahren stieg jemand mit einem Sack ins Gehege und wollte einen Truthahn kidnappen», erzählt die Bäuerin. Zum Glück habe der Nachbar den Täter ohne Beute in die Flucht schlagen können. Für solches Verhalten hat Caduff nicht viele Worte: «Da kann man sich das Leben auch schwer machen.» Schliesslich würde das Truthahnfleisch abgepackt und vakuumiert nur wenige Meter von der Truthahnweide entfernt im eigenen Hofladen zum Verkauf angeboten.

Gerne auf Wanderungen

Im Dorf Morissen sind die Truthähne der Caduffs durchaus bekannt, denn die eine oder andere Gruppe von ihnen habe sich in vergangenen Jahren einen Dorfspaziergang nicht nehmen lassen. «Im letzten Jahr hatten wir eine Gruppe, die sehr anhänglich war», setzt Caduff an. Sobald Wanderinnen und Wanderer an der Truthahnweide vorbei liefen, flatterten die Truthähne über den Zaun und wanderten mit ins Dorf. «Da sie anstatt zu fressen, mehr wanderten, hatten sie dann ein kleineres Schlachtgewicht», erzählt Caduff schmunzelnd. Es war aber nie ein Problem, die Tiere wieder nach Hause zu kriegen, da viele aus dem Dorf wissen würden, wo die Truthähne hingehören.

Truthähne sind sehr neugierige Tiere. «Abends kriege ich sie ganz einfach in den Bauwagen», so Caduff. Sobald die Ziegen sich auf den Weg zum Stall machen, folgen ihnen die Truthähne – aus reiner Neugierde. Und gemütlich sind sie auch. Am Morgen raus aus den Federn und ab auf die Wiese und sobald die Sonne zu hoch steht, zieht es sie zurück in den Schatten oder in den Bauwagen. «Grelle Sonne haben sie nicht gerne», erklärt sie. Und trotzdem, empfindlich sind sie nicht, im Gegenteil. «Wir könnten auch im Winter Truthähne haben, die Kälte würde ihnen nichts ausmachen», erklärt Caduff. Auch die Nachfrage nach dem Morissner Trutenfleisch wäre genug hoch, um doppelt so viele Tiere zu halten. Doch im Winter müssen schliesslich wieder die rund 100 Milchkühe, Mast- und Aufzuchtrinder und Ziegen auf dem Hof Platz haben.

Impressionen des Hofs Curoms in Morissen.
Impressionen des Hofs Curoms in Morissen.
Bild Jasmin Schnider

Jasmin Schnider produziert als Redaktorin Beiträge und Interviews für Radio Südostschweiz. Sie kommt aus Obersaxen und ist seit August 2020 Teil der Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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