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Ein «L» für jede und jeden

Chur Bus hat ein neues Ausbildungskonzept ins Rollen gebracht – auch für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger.

Bündner Woche
01.10.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Auf zur Fahrstunde: Fahrschüler Gerardo Fanelli steuert das Fahrschulfahrzeug aus der Oberen Au in die Stadt.
Auf zur Fahrstunde: Fahrschüler Gerardo Fanelli steuert das Fahrschulfahrzeug aus der Oberen Au in die Stadt.
Riccarda Hartmann

von Riccarda Hartmann

Kalt ist es. Ein bisschen wärmer wird es, als sich die schwarzen Fenstertüren des Busses öffnen und sich kurz darauf wieder schliessen. Mittwochmorgen auf dem Kiesplatz der Oberen Au. Roger Senti, Betriebsleiter und Angebotsplaner bei Chur Bus, stützt seinen Ellenbogen in seiner roten Jacke auf der gleichfarbigen, horizontalen Haltestange im Stehbereich des Busses ab. Vertrauter Busgeruch liegt in der Luft. Der Fahrlehrer Mario Engi und sein Fahrschüler Gerardo Fanelli haben sich ebenfalls in den Bus gesellt. Ersterer in einer weiteren roten Jacke. Zweiterer, trotz der kalten Luft, in einem weissen T-Shirt.

«Wir brauchen rund zehn bis zwölf neue Fahrdienstmitarbeitende auf den Fahrplanwechsel im Dezember», beginnt Roger Senti. Denn durch einen neuen Regio-Express von Chur nach Thusis und durch den durchgehenden Halbstundentakt der SBB-Verbindung zwischen Zürich und Chur an Wochenenden und Feiertagen müsse die Feinverteilung auch neu strukturiert werden. «Chur Bus erfährt einen grossen Ausbau», setzt der Betriebsleiter fort. Neue Buslinien und ein neues Linienkonzept in der Region entstehen. Und so auch neue Arbeitsplätze.

Ein neues Ausbildungskonzept

Wie bei anderen Berufen auch sei es schwierig, geeignete Fahrdienstmitarbeitende zu finden. «Darum haben wir ein Ausbildungskonzept neu auf die Beine gestellt.» Chur Bus bildet nun seit Anfang August Personen mit Führerschein der Kategorie B direkt auf Kategorie D aus. Was bedeutet das denn? Roger Senti erklärt. Personen mit einer Personenwagenprüfung können direkt die Prüfung der Kategorie D, sprich Reisecars, ablegen. Ohne zuerst noch eine Lastwagenprüfung der Kategorie C zu machen, wie es früher nötig gewesen wäre. So könnten Personen aus den verschiedensten Berufen eine Ausbildung zur Busfahrerin oder zum Busfahrer machen. So auch Gerardo Fanelli, ehemals Kundenmaurer, der jetzt Busfahrer wird.

«Im Frühling haben wir eine Kampagne lanciert, um Quereinsteigenden den Beruf Bus-Chauffeur und Bus-Chauffeurin schmackhaft zu machen», führt Roger Senti weiter. «Wir wollen, dass die Leute sehen, dass es eine Chance für sie sein kann. Dass sie sehen, hier habe ich einen sicheren Arbeitsplatz.» Er lächelt, als er sagt, wie es ihm Freude mache, den Auszubildenden dabei zuzuschauen, wie motiviert sie unterwegs seien.

Hier habe ich einen sicheren Arbeitsplatz.

Roger Senti

Dafür musste ein Fahrschulfahrzeug her. Und in so einem stehen die drei Männer. Die Farben ihrer Kleidung gleich der Farben der Auskleidung des Gefährts. Von Aussen ein ganz normaler Chur Bus – rot, weiss, schwarz. Der Unterschied: ein zusätzlicher Sitz. Dieser hat einen Platz beim vordersten Eingang neben dem Steuersitz bekommen und steht einsteigenden Passagieren und Passagierinnen im Weg. Kein Problem, denn Fahrgäste sind in einem Lernfahrzeug ohnehin nicht erlaubt. Seit Beginn des neuen Ausbildungskonzepts bildet Mario Engi Leute aus. Sitzend auf dem bequemen, weichen Stuhl in der Mitte des Ganges, schaut er über die Schulter der Fahrschülerin oder des Fahrschülers. Vor ihm sind zwei kleine Bildschirme, die mithilfe von Kameras das zeigen, was in den Rückspiegeln zu sehen ist. Quadratische Lämpchen leuchten. Rot. Blau. Grün. Je nachdem ob beispielsweise der Blinker eingestellt ist in einer anderen Farbe und an einer anderen Stelle. Ein Gas- und ein Bremspedal gehören ebenfalls zur Ausstattung, um eingreifen zu können, wenn es nötig ist.

Armatur: Die Fahrlehrperson hat einen Überblick über das Fahren der Schülerin oder des Schülers.Bild Riccarda Hartmann
Armatur: Die Fahrlehrperson hat einen Überblick über das Fahren der Schülerin oder des Schülers.Bild Riccarda Hartmann

Der Lernfahrbus wird auch als Linienbus verwendet. Dafür wird das Fahrschulpodest innert kurzer Zeit und mit wenigen Handgriffen ein- und wieder ausgebaut. Roger Senti zeigt die daumendicken, schwarzen Kabel, mit denen der Stuhl mit dem Bus verbunden ist, und erklärt, wie der Stuhl gelöst und dann herausgefahren wird. Das umgewandelte Fahrschulfahrzeug könne dann als Personenfahrzeug auf die Linie.

Noch auf der Suche

«Wir haben eine gute Sache geschaffen mit dem Fahrschulbus und mit der Zusammenarbeit mit Mario», ist sich Roger Senti sicher. Mario Engi nickt bekräftigend. Bereits zwei Querensteigende hätten diese Ausbildung bestanden. Aber sie seien weiterhin auf der Suche nach neuen Fahrer und Fahrerinnen, da der Fahrplanausbau viel mehr Leute brauche.

Vorerst geht es mit Gerardo Fanelli auf dem Fahrersitz und Mario Engi auf dem Fahrschulpodest vom Parkplatz der Oberen Au auf die Strassen Churs. Fahrschule steht auf der Anzeige. Das weisse «L» auf blauem Hintergrund verschwindet langsam aus dem Blick.

www.churbus.ch. Unter «werde Busfahrer:in» finden Sie alle Informationen zum Beruf und zur Ausbildung.

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