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Das erste Gaswerk in Davos

Gas stand schon früh zur Verfügung. Bei den in England entwickelten Verfahren der Gasproduktion handelte es sich um die erste industrielle Energieerzeugung.

Davoser
Zeitung
17.10.22 - 06:56 Uhr
Leben & Freizeit
Die erste Gasfabrik an der Tobelmühlenstrasse 1876.
Die erste Gasfabrik an der Tobelmühlenstrasse 1876.
Dokumentationsbibliothek Davos

Ab 1840 entstanden in der Schweiz die ersten Gasfabriken. Erst ab 1880 bekam das Gas dann Konkurrenz durch die Elektrizität. So waren beide Energiearten über manche Jahre nebeneinander im Gebrauch. Verfügbarkeit und Preis waren wichtige Faktoren und sind es heute noch.

Für die Beleuchtung waren Petroleumlampen, für die Wärme Holz- und Kohleheizungen im Gebrauch. Der Wunsch nach hellerem und wartungsfreiem Licht, hauptsächlich für die Strassenbeleuchtung, war aber vorhanden. So erstaunt es nicht, dass der Besitzer des Kurhauses (heute Hotel Europe), der Davoser Hotelpionier W. J. Holsboer, die Firma Gebrüder Sulzer in Winterthur beauftragte, ein Gaswerk zu bauen. Es sollte Leuchtgas herstellen, um damit die Strassenlaternen vor dem Kurhaus und in der näheren Umgebung zum Leuchten zu bringen. Als erster Standort für das Gaswerk war eine Parzelle in der Nähe der Kirche St. Johann vorgesehen, die Opposition dagegen war aber so stark, dass ein neuer Platz für das Werk gefunden werden musste. Auf seinem eigenen Grund, an der heutigen ­Tobelmühlenstrasse (unterhalb Hotel Central), konnte dann auf freiem Feld gebaut werden. Ab 1875 wurde dort Gas produziert, und die Promenade vor dem Kurhaus erstrahlte im neuen Licht der Gaslaternen. Gegen die Einführung einer allgemeinen Strassenbeleuchtung im ganzen Kurort war der Widerstand in der Gemeinde zu gross. Viele Hoteliers hegten die Befürchtung, dass die Gäste abends ausgehen könnten, um bei der Konkurrenz etwas zu konsumieren.

Die elektrische Strassenbeleuchtung an der Promenade, die 1893/94 eingeführt wurde. Zu sehen sind auch noch die alten Gaslampen, die ab 1875 ihren Dienst taten.
Die elektrische Strassenbeleuchtung an der Promenade, die 1893/94 eingeführt wurde. Zu sehen sind auch noch die alten Gaslampen, die ab 1875 ihren Dienst taten.
Dokumentationsbibliothek Davos

Zwar bejahte der Kurverein 1880 die Wünschbarkeit einer grösseren Strassenbeleuchtung und stellte auch eine finanzielle Beteiligung in Aussicht. Ein Jahr später verweigerte er die Beteiligung und sprach sich dafür aus, dass die öffentliche Beleuchtung Privaten überlassen werden sollte. Bereits 1893 wurden die Gaslampen durch die elektrische Strassen­beleuchtung ersetzt.

Mit dem Bau der Schatzalpbahn 1899 kam dem Gaswerk eine neue Bedeutung zu. In einem separaten Anbau zur bestehenden Gasfabrik wurden zwei Dawson-Gasmotoren mit je 50 PS installiert. Betrieben wurden sie durch Kraftgas, einer Mischung aus Kohlenoxyd, Wasserstoff und Stickstoff. Mittels Riemen wurden zwei Gleichstrommaschinen angetrieben. Eine Akkumulatorenbatterie war parallel zugeschaltet. Die so erzeugte elektrische Energie wurde mittels eines Bodenkabels zur Talstation der Bahn geführt. Eine Freileitung führte dann weiter zur Schatzalp, wo der Antrieb der Bahn und die Beleuchtung des Sanatoriums abgenommen wurden. Das Gaswerk war aber für das Hotel kein Erfolg und blieb immer ein Sorgenkind. Im Jahre 1900 übernahm die Bahn den Betrieb der Gasfabrik als Nebengeschäft.

Rauch und Gestank

Das Verbrennen von Holz und Kohle zum Kochen und Heizen gab leider viel Rauch. Hauptsünder waren die Grossküchen und Grossheizungen der Sanatorien und der Hotels, aber auch Bäckereien und die vielen Haushalte. Als Luftkurort für Kranke und Erholungsbedürftige war das schlecht. Besonders bei Windstille wurde die Rauchplage zu einem beängstigenden Problem und zur Überlebensfrage. Kur- und Verkehrsverein suchten Abhilfe. Eine «Sonderkommission für die Rauchfrage» unter der Leitung des Sanatoriumsbesitzers Karl Turban erstellte mit Spezialisten aus Karlsruhe, Dresden und St. Gallen verschiedene Gutachten. Das Ziel war, den Kurort weitgehend vom Rauch zu befreien. Die Kohlen- und Holzherde und die mit Kohle beheizten Zentralheizungen sollten verschwinden. Man entschied sich für den Bau eines Gaswerkes, das Davos mit Gas zum Heizen und Kochen versorgen sollte. Das Gas sollte zu einem akzeptablen Preis produziert werden, und die Umstellung leicht zu machen sein.

Am 28. Oktober 1904 wurde die «Gaswerke Davos AG» gegründet und ein Konzessionsvertrag mit der Gemeinde abgeschlossen. Nur noch der bei der Gasherstellung anfallende Koks sollte verfeuert werden. Beim Verbrennen von Koks fällt im Vergleich zum Kohlenbrand weniger Rauch, Russ und Schwefel an. Eine Gasfabrik war aber an vielen Orten nicht willkommen. Standorte wie das «Grünbödeli» und der «Wolfgang» waren bei den Nachbarn unerwünscht. Ein gemeindeeigenes Grundstück im «Schmelzboden» scheiterte an den Mehrkosten für die Kohlefracht. Die RhB-Linie Davos-Filisur wurde erst 1906 gebaut. Nach mühsamen Verhandlungen mit den Bodenbesitzern erwarb man schlussendlich ein Grundstück im Laret. Die Anlagen der alten, privaten Gasfabrik mit dem dazugehörigen Rohrnetz wurden gekauft, sodass die Anlage für die Gasversorgung nicht mehr benötigt wurde.

Die Gasfabrik im Laret

Die «Gaswerke Davos AG» verfügte über ein Anfangskapital von 450 000 Franken, sodass 1905 sofort mit dem Bau begonnen werden konnte. Einen grossen Vorteil hatte die Nähe zur RhB. Durch ein kurzes Schienenstück wurde das Werk mit dem Bahnhof Laret verbunden. Die angelieferte Kohle konnte so ohne Umladen bis ins Werk gefahren und direkt in die Kohlebunker gekippt werden.

Die Gasfabrik im Laret, aufgenommen von W. Oswald im Juli 1981.
Die Gasfabrik im Laret, aufgenommen von W. Oswald im Juli 1981.
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In einer geschlossenen Retorte wurde dann die angelieferte Steinkohle unter Sauerstoffentzug erhitzt. Sie verbrannte nicht, sondern schmolz, die austretenden Dämpfe waren das Rohgas. In der Retorte blieb die entgaste Steinkohle als Koks zurück. Nun musste das Rohgas noch von Teer, Ammoniak, Benzol und Schwefel gereinigt werden. Koks und die anderen Nebenprodukte konnten verkauft werden. Das entstandene «Stadtgas» (früher als «Leuchtgas» bekannt) konnte nun zu den Verbrauchern transportiert werden. In einer rund acht Kilometer langen Rohrleitung wurde es in den Gaskessel an der Mattastrasse gepumpt. Die mit rund 30 Zentimeter Durchmesser doch recht massive Leitung folgte der Kantonsstrasse und der Talstrasse. Der haushohe Gaskessel fasste 4000 Kubikmeter. Er bestand aus einer Grundeinheit und der Glocke. Diese hob und senkte sich entsprechend der gespeisten Gasmenge. Das Eigengewicht sorgte für den richtigen Druck im weitverzweigten Leitungsnetz bis hin zum Verbraucher.

Davos um 1940. Gut zu sehen ist hier der Gaskessel, der sich direkt neben dem RhB-Geleise befand.
Davos um 1940. Gut zu sehen ist hier der Gaskessel, der sich direkt neben dem RhB-Geleise befand.
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Fortsetzung folgt.

Rico De Boni stellt der DZ diesen Artikel freundlicherweise zur Verfügung.

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