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Bündner in Schweden: Wenn die Romantik zur Realität wird

Der Valser Raphael Illien lebt mit seiner Frau Yvonne und Sohn Joël in Schweden auf ihrer Huskyfarm – eine Geschichte von der Suche nach Freiheit und dem Finden von viel Arbeit.

Bündner Woche
27.01.23 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit
Auf Arbeit: Nicht mehr das Büro und auch nicht der Bau sind die Arbeitsorte von Yvonne und Raphael Illien, sondern die Weiten Schwedens.
Auf Arbeit: Nicht mehr das Büro und auch nicht der Bau sind die Arbeitsorte von Yvonne und Raphael Illien, sondern die Weiten Schwedens.
Bild Raphael Illien

von Laura Kessler

Er ist schon romantisch, der Gedanke an den hohen Norden, an die Weiten Skandinaviens, an die Nordlichter, den vielen Schnee, die lange Dunkelheit im Winter oder die ewige Helligkeit im Sommer. Die Länder Skandinaviens sind Sehnsuchtsorte. Das Bedürfnis nach Ruhe, Weite, Freiheit und Alleinsein zieht viele in die Länder Nordeuropas. Auch Yvonne und Raphael Illien. Unabhängig voneinander kamen die Deutsche und der Bündner als Touristin und Tourist nach Finnland, machten Hundeschlittentouren, arbeiteten mit den Hunden und lernten sich irgendwann kennen. Zusammen sind sie geblieben, haben eine Familie gegründet, eine Huskyfarm aufgebaut und leben jetzt in Glommersträsk, Schweden. Gefunden haben sie die Weite, die Freiheit und das Alleinsein – die Ruhe aber nicht wirklich.

Es ist Mittwoch. In Graubünden ist der Himmel bedeckt, Schnee liegt kaum. Das Grau des Himmels verläuft im Braun der Erde. In Mittelschweden ist das Bild ein anderes. Vor wenigen Tagen habe es stark geschneit, sagen Yvonne und Raphael Illien durch die Lautsprecher ihres Computers. Für das Paar, das den Winter und die Kälte liebt, ein gutes Zeichen. Für ihre 23 Huskys sowieso. Jetzt ist Hochsaison.

Gut eingepackt: Yvonne und Raphael Illien mit Sohn Joël.
Gut eingepackt: Yvonne und Raphael Illien mit Sohn Joël.
Bild Raphael Illien

Yvonne und Raphael Illiens Geschichte ist irgendwie eine typische Auswanderergeschichte. Irgendwie aber auch nicht. Typisch vielleicht, weil auch sie jene romantischen Gedanken nach Schweden gebracht haben, diese Gedanken an Freiheit, Weite und Ruhe. Untypisch aber wohl deshalb, weil aus der Romantik schnell Realität, weil aus Wünschen und Ideen schnell Taten wurden.

Yvonne wuchs in Deutschland auf. «Schon mit 14 wusste ich, dass ich nach Skandinavien will, um auf einer Huskyfarm zu arbeiten. Völlig unrealistisch», erinnert sie sich und lacht. Naja, damals war es unrealistisch. Auch einige Jahre später noch, denn Yvonne wurde Anwältin und arbeitete in einer Grosskanzlei. Ein Büro- und Stadtleben. Dann die erste Reise nach Skandinavien, die erste Schlittentour. Es folgten zwei weitere, bis die Anwältin ihren Job kündete, um fortan mit Hunden zu arbeiten. Von der Grosskanzlei in die Einöde. Ausbruch aus dem Hamsterrad. Könnte man meinen, aber: «Meine Entscheidung ist keine Entscheidung gegen Deutschland, auch keine gegen meinen Job. Es ist eine Entscheidung für das Leben hier», sagt sie. Raphael nickt. Auch der Valser entschied sich nicht für ein Leben in Schweden, weil er es in der Schweiz nicht mehr aushielt. Er wuchs im Bergdorf zuhinterst in der Val Lumnezia auf, lernte Maurer, war Skilehrer. Er lebte schon immer nahe mit und an der Natur, schon immer im Dorf, schon immer etwas abgelegen. Warum also das Dorf verlassen, um in einem anderen Dorf zu leben? «Es war die Hektik, die mir in der Schweiz nicht passte. Hier ist alles etwas ruhiger, etwas gemächlicher», meint er. Nach der Lehre und dem Militär hatte er genug vom Stress, wie er sagt. Er gönnte sich eine Auszeit und buchte in Finnland eine Schlittenhundetour. Keine klassische, Raphael ging mit der Idee, mehr über die Arbeit und das Leben mit den Hunden zu erfahren. Schon immer wollte er eigene Hunde und beobachtete gerne die Lawinensuchhunde bei der Arbeit in Vals. «Aber wir hatten halt Katzen zuhause», sagt er schmunzelnd. Als er in Finnland ankam, war es um ihn geschehen. «Der Schnee, die Weite, die Arbeit mit den Hunden, der klare Sternenhimmel. Ich ging zurück nach Hause und habe sofort eine Bewerbung abgeschickt», erzählt er. Eine Bewerbung, um als Schlittenhundeguide arbeiten zu können. Im Herbst 2015 war es soweit. Auf der Huskyfarm lernte Raphael nicht nur die Arbeit mit den Hunden, sondern auch Yvonne kennen. Seit Herbst 2016 gehen sie gemeinsam durchs Leben und durch Skandinavien. Sie arbeiteten auf verschiedenen Farmen, dann wurde Yvonne 2019 schwanger und das Paar lebte für einige Monate in Deutschland. Seit März 2020 sind sie aber zurück in Schweden. Jetzt mit einem Haus, einem Kennel und einem eigenen kleinen Business, das Hundeschlittentouren anbietet.

Im Element: 23 Hunde gehören zur Familie Illien. Im Schnee fühlen sich alle am wohlsten.
Im Element: 23 Hunde gehören zur Familie Illien. Im Schnee fühlen sich alle am wohlsten.
Bild Raphael Illien

Ihr Leben in Schweden sei nicht weniger mit Arbeit ausgefüllt als ihre früheren Leben, sagen die beiden. Sie arbeiten nicht nur im eigenen Betrieb, auch haben beiden noch einen Teilzeitjob in anderen Firmen. «Wir sind 24 Stunden auf Abruf, 365 Tage im Jahr. Aber die Arbeit mit den Hunden ist für mich ein grosses Hobby», sagt Raphael Illien. Er spricht von wahrem Reichtum, seine Frau von gehaltvollen Momenten, wenn sie von der Zeit mit ihren Hunden erzählen. Ein Leben, das sie nicht mehr missen wollen, auch wenn Auswandern kein einfacher Weg ist. Die Illiens mussten sich im Ort beweisen, mussten zeigen, dass sie es ernst meinen. Gerade in einer Region wie dieser, wo viele Deutsche und Schweizerinnen leben und es deshalb von den Einheimischen nicht nur gerne gesehen wird, wenn noch eine Deutsche und noch ein Schweizer ein Grundstück kaufen. «Es ist kein Ausprobieren. Du musst es wirklich wollen», sagt Raphael.

Sie wollen es. Sie machen es. Dieser Winter ist der zweite, in dem Yvonne und Raphael Illien Hundeschlittentouren anbieten und damit ihren Gästen die Weiten Schwedens näherbringen. Jene Sehnsuchtsorte, die für die junge Familie zum neuen Daheim geworden sind.

Weitere Informationen über Yvonne und Raphael Illiens Unternehmen «Lappland Nature Dreams» unter www.lappland-nature-dreams.com.

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