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Auf Sherlocks Spuren

Beweise finden, Spuren sichern, erfolgreich ermitteln: Auch zu Hause können Mordfälle mittlerweile aufgeklärt werden. Mit diesen modernen Brettspielen werdet ihr zu Hobbykommissaren.

Südostschweiz
12.06.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Krimispiel für zu Hause: Mitspielende Ermittler können in «Echoes» an Gegenständen Gesprächsfetzen oder Geräusche aus der Vergangenheit hören. Dafür werden Gegenstandskarten mit einer App gescannt.
Krimispiel für zu Hause: Mitspielende Ermittler können in «Echoes» an Gegenständen Gesprächsfetzen oder Geräusche aus der Vergangenheit hören. Dafür werden Gegenstandskarten mit einer App gescannt.
Pressebild

von Benjamin Siebert und Florian Lütticke

Die hohen Einschalt­quoten von «Tatort» beweisen: Die Schweizer sind Krimifans und ermitteln gerne mit. Doch nicht nur im Fernsehen oder in Romanen kann der Spürnasen-Leidenschaft nachgegangen werden. Auch die Verlage haben den Trend aufgegriffen und Brett­spiele auf den Markt gebracht, wo es darum geht, dem Täter auf die Spur zu kommen. Getreu dem Motto: «Mord ist ihr Hobby» – auch am eigenen Wohnzimmertisch.

«In Krimis fühlen wir uns zu Hause, da weiss man, worauf man sich einlässt. Sie sind weniger abstrakt als andere Spiele und weniger regelintensiv», sagt Stephan Kessler, für den Krimi­spiele eine wahre Leidenschaft sind. Der 42 Jahre alte Lehrer aus Deutschland veröffentlichte bereits ein Krimispiel als Autor («Ausgespielt!») und bietet von ihm entworfene Krimispiele für grössere Gruppen im Internet zum Download an.

«Krimispiele sind Eventspiele»

Schon 1985 kürte die Kritikerjury «Sherlock Holmes – Criminal Cabinet» zum Spiel des Jahres, «Tatort Nacht­express» bekam 1987 einen Sonderpreis. Doch die Spiele waren damals ihrer Zeit fast schon voraus. Denn den grossen Durchbruch hatten die Krimispiele erst rund 30 Jahre später. Heute liegen sie voll im Trend und sorgen für spannende und atmosphärische Abende.

Stephan Kessler trägt als Blogger und Podcaster den Spitznamen «Krimi­master». Er mag Krimispiele vor allem deshalb so gerne, weil es zwei seiner liebsten Genres verbindet: Das eine sind Geschichten und das andere ist die Deduktion, also das Ableiten von Erkenntnissen, oder das Kombinieren. «Die Spiele sind oft kooperativ: Dadurch entsteht ein tolles Gemeinschaftsgefühl. Und Krimispiele sind Eventspiele. Das sind Abende, an die man sich erinnert.»

Für den Experten und Spiel-des-Jahres-Juroren muss ein gutes Krimispiel vor allem «eine Authentizität erzeugen, dass ich wirklich das Gefühl habe, das ist nun echt. Es muss einem das Gefühl geben: Ich bin nun der Privatdetektiv oder der Polizist.»

Für Cineasten: «City of Angels»
Schon die riesige 3,5 Kilogramm schwere Box beeindruckt. Vollgepackt mit neun Fällen versetzt einen das Spiel ins Los Angeles der 1940er-Jahre. Das Spiel kann gegeneinander, alleine oder kooperativ gespielt werden. Im Haupt­modus übernimmt jemand die Rolle des Spielleiters – «der Stichel» genannt – und die anderen versuchen als konkurrierende Polizeibeamte, als Erstes Täter, Motiv und Tatwaffe herauszu­finden. Spannend sind dabei die Verhöre der Verdächtigen. Tipp für noch mehr Flair: Die Einsatzbesprechungen und Epiloge der stimmungsreichen Kriminalgeschichten gibt es auch als Audiofile mit der Stimme von Synchron­sprecher Oliver Rohrbeck («Die drei ???»).

Für «Cluedo»-Fans: «Unangenehme Gäste»
Woodruff Walton ist auf seinem Anwesen ermordet worden – die Spielenden müssen herausfinden, wer es war, mit welchem Motiv und welcher Tatwaffe. Das Prinzip klingt so ähnlich wie der Klassiker «Cluedo», sorgt aber für mehr Interaktion: Karten mit Hinweisen werden untereinander getauscht, sodass alle langsam immer mehr Informationen sammeln. Wer lösen möchte, kann seinen Tipp in eine optionale App eingeben und ist damit auch bei einer falschen Vermutung noch nicht raus. Im Spiel gibt es 39 Fälle mit unterschiedlichen Lösungs­kombinationen und ansteigendem Schwierigkeitsgrad.

Für Kartenspieler: «Sherlock»
Krimi für die Hosentasche: Auf 32 Karten finden sich bei jedem Fall Hinweise, aber auch reichlich falsche Fährten. Gemeinsam versuchen die Rätselnden, zu ermitteln, was sich abgespielt hat. Dabei entscheidet jeder, ob er seine Informationen offen auslegt oder aber verdeckt abwirft, ohne dass die anderen sie sehen. Die Gruppe muss mindestens sechs Karten auf dem Ablagestapel sammeln. Nicht alle Fälle können restlos überzeugen, sind aber mindestens kurzweiliges Krimifutter für zwischendurch.

Für Grübler: «Detective: Ein Krimi-Brettspiel»
Das für das «Kennerspiel des Jahres 2019» nominierte Spiel benötigt viel Zeit – ein einzelner der fünf aufeinander aufbauenden Fälle des Grundspiels kann durchaus drei, vier Stunden dauern. Doch für das Grübeln wird das Ermittlerteam mit einer tiefen Story belohnt. Alle Mitglieder der Antares-Behörde müssen jeden Tag (Spielrunde) gemeinsam entscheiden, welchen Spuren nachgegangen wird, welche Verdächtige verhört werden und worauf aus Zeitgründen verzichtet werden muss. Denn Vorsicht vor Überstunden, diese verursachen wie im echten Ermittler-Dasein Stress. Eine selbsterstellte Mindmap auf einer Pinnwand kann dabei eine gute Hilfe sein. «Detective» verknüpft mit einer Online-Recherche-Datenbank perfekt die analoge mit der digitalen Welt. Die Story vermischt Fiktion mit realen Geschehnissen.

Für Familien: «Redcliff Bay Mysteries»
Wem «Detective» zu mächtig ist, der sollte einen Blick auf «Redcliff Bay Mysteries» werfen. Das Spiel, das in einem englischen Küstenort des 19. Jahrhunderts spielt, ist deutlich zugänglicher und kürzer. Leichte Regeln und ein gut aufbereiteter Tutorial-Fall bereiten auch Anfängern einen angenehmen Einstieg. Das Team muss Tag für Tag, Stunde für Stunde entscheiden, welcher Ort besucht werden soll. So geht auch die ein oder andere Information an den Ermittlern vorbei. Das liebevoll inszenierte Familienspiel mit vier Fällen passt perfekt für einen Sonntagnachmittag.

Für echte Ermittler: «iDventure: Detective Stories» und «Hidden Games: Tatort»
Packung auf und sofort loslegen: Dokumente, Fotos, Rechnungen und vieles mehr liegen wild verteilt auf dem Tisch – nach einer Einleitung müssen die Ermittelnden kooperativ die zahlreichen Informationen kombinieren und so den Fall lösen. Anders als bei der preisgekrönten «Exit»-Reihe, in der ein Rätsel auf das nächste folgt, fühlen sich Serien wie die «Detective Stories» und die «Hidden Games» wie echte Polizeiarbeit für fortgeschrittene Krimifans an. Dabei wird immer wieder auch Technik intelligent eingebunden.

Für Technik-Freaks: «Chronicles of Crime»
Wer das Handy oder Tablet beim gemeinsamen Knobeln nicht in die Hand nehmen will, ist bei «Chronicles of Crime» falsch. Auf Karten mit Hinweisen, Personen und Orten müssen QR-Codes gescannt werden, in einer App lässt sich die Geschichte rund um den Krimifall erleben. Hingucker ist eine einfache 3-D-Brille, die auf das Handy gesetzt wird und mit der sich am Tatort umgesehen werden kann. Es sind schon einige Erweiterungen erschienen.

Für Kinder: «Verfuxt!»
Wer der 16 verschiedenen Füchse hat das goldene Ei gestohlen? Bei dem Kinder-Deduktionsspiel muss das Spürhühner-Team mit Würfeln Verdächtige suchen und Hinweise sammeln. Hierbei hilft der Fuchs-Scanner: In dem raffinierten Gimmick steckt verdeckt die Täterkarte. In eine Aussparung können Hinweisplättchen mit Accessoires wie Hut, Uhr, Schal usw. gelegt werden. Dann wird angezeigt, ob der Täter diese Accessoires trägt oder nicht. Bevor der Fuchs entwischt ist, müssen so möglichst viele verdächtige Füchse ausgeschlossen, der Täter überführt werden. Auch für Eltern spannend.

Für Hörbuch-Liebhaber: «Echoes»
Kein klassisches Krimispiel, aber auch hier schlüpfen alle Mitspieler gemeinsam in die Rolle von Ermittlern. Diese verfügen über eine besondere Gabe: Sie können an Gegenständen die sogenannten Echos der Vergangenheit hören – etwa Gesprächsfetzen oder Geräusche. Dafür werden Gegenstandskarten mit einer App gescannt. Diese spielt dann das zugehörige Audiofile ab. Die Ermittlerinnen und Ermittler müssen die Hörschnipsel in die richtige Reihenfolge bringen, um erst die einzelnen Kapitel und am Ende die Mysterygeschichten richtig zu rekonstruieren. Auch gut auf der Couch spielbar.

Zum Gruseln: «Nightmare: Das Thriller-Spiel»
Schon der Untertitel «Findet den Mörder, bevor er euch findet!» sagt eigentlich alles: Nur vordergründig geht es um die Aufklärung eines schrecklichen Mordfalles von vor 15 Jahren auf einem alten Anwesen. Im Mittelpunkt dieses Echtzeit-Spiels stehen Spannung und Gruselfaktor. Nervenkitzel ist bei dem einmaligen Event quasi garantiert. Am besten läuft das Spiel mit genau fünf Personen, so übernimmt jeder eine andere Rolle des Familienclans. Auch wenn die Story Luft nach oben hat, die tollen Grusel- und Überraschungseffekte überzeugen und brennen sich ein. Laptop oder Tablet sind ein Muss.

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