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«Die Strassen, Gassen und Plätze sind leer – menschenleer»

Der Bündner Arno Sgier betreibt seit einigen Jahren ein Hotel in Italien. Seine Wahlheimat hat zurzeit stark mit den Auswirkungen des Coronavirus zu kämpfen. Im Interview mit Radio Südostschweiz erzählt er vom quarantäne-ähnlichen Leben und erklärt, wie schlimm es um ihn und seine Mitmenschen in Italien wirklich steht.

Südostschweiz
12.03.20 - 13:00 Uhr
Leben & Freizeit

Arno Sgier ist ehemaliger Direktor der Davos-Parsenn-Bahnen. Seit einigen Jahren besitzt der Bündner ein Hotel in Italien, knapp zwölf Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt. Er lebt also schon länger im Land des «dolce vita». Doch zurzeit erinnert gar nichts an ein süsses Leben. Wie Sgier erklärt, findet das Leben nicht wie gewohnt auf den Strassen, in den Gassen oder auf den Plätzen statt. «Die sind alle leer – menschenleer.»

In Italien herrscht Ausnahmezustand. Das Coronavirus sorgt für Aufregung. Täglich liest und hört man von neuen Corona-Fällen in Italien. Sgier erklärt gegenüber Radio Südostschweiz, dass er die Massnahmen, die die italienische Regierung getroffen hat, für gerechtfertigt hält.

Jedoch schränken sie das Leben empfindlich ein. «Ich kann, ausser von notwendigen Aktivitäten wie dem Lebensmitteleinkauf, das Haus fast nicht mehr verlassen.» Man dürfe nicht ins nächste Dorf oder in die Stadt. Auch ein gemeinsames Abendessen mit Freunden sei nicht möglich. «Eigentlich kommt es fast einer Quarantäne gleich

Türen sind geschlossen

Ebenso hat die Gastronomie und Hotellerie mit den Auswirkungen des Coronavirus zu kämpfen. Sgier kann selbst ein Lied davon singen: «Seit rund zwei Wochen wird nichts mehr gebucht. Und Buchungen, die bereits getätigt wurden, werden alle storniert.» Viele Betriebe hätten schon freiwillig zugemacht.

Sgier meint: «Ich persönlich gehe davon aus, dass die Regierung in den nächsten Tagen eine komplette Schliessung von Restaurants, Bars und Geschäften anordnet (Ist inzwischen offiziell geschehen, die Red.).» Würde ein solches Szenario eintreffen, wären wahrscheinlich nur noch lebensnotwendige Einrichtungen wie Lebensmittelläden oder Banken geöffnet.

Auch in Mailand ist es menschenleer. «Dort, wo normalerweise dutzende Persoen die Strasse überqueren wollen, ist niemand.» Bei der Stazione Centrale, ist kein Mensch zu sehen.
Auch in Mailand ist es menschenleer. «Dort, wo normalerweise dutzende Persoen die Strasse überqueren wollen, ist niemand.» Bei der Stazione Centrale, ist kein Mensch zu sehen.
ARNO SGIER

Nicht nur gesundheitlicher Schaden

Das Coronavirus bringt noch andere Herausforderungen. Arno Sgier ist der Meinung, dass grundsätzlich drei Bereiche betroffen sind: die Gesundheit, die Wirtschaft und das Geld der Menschen. «Der gesundheitliche Bereich ist wohl am wichtigsten. Alle Menschen hoffen doch, dass man die Situation in den Griff bekommt.» Dies gelinge aber nur, wenn alle zusammenarbeiten und nach gleichen Massnahmen handeln würden.

Sgier betont: «Ohne ein gesundes Volk, gibt es auch keine florierende Wirtschaft.» Darum sei der Wirtschaftsbereich ebenso stark betroffen. Der Coronavirus trifft Italien zu einem schlechten Zeitpunkt, wie Sgier meint. Italien habe sowieso schon mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Milliarden gehen jetzt verloren. Alleine der Tourismus sei auf null. «Man kann heute schon sagen: Der Frühlingstourismus ist komplett verloren.»

Ein Teufelskreis

Und wo sich keine Touristen oder Gäste tummeln, braucht es auch keine Angestellten. Viele Hotels oder Gastronomiebetriebe haben ihre Mitarbeiter darum nach Hause geschickt. Für viele Italienerinnen und Italiener ein grosses Problem, denn ihnen fehlt nun das Einkommen.

«In Italien gibt es viele Menschen, die nicht auf Erspartes zurückgreifen können. Ohne Einkommen können sie sich beispielsweise keine Lebensmittel kaufen», erzählt Arno Sgier und ergänzt, «auch andere Ausgaben wie Hypotheken, Mieten, Strom oder Gaskosten könnten nicht mehr beglichen werden.»

Der Staat sei nicht in der Lage, diesen Menschen unter die Arme zu greifen. Die Situation ist schwierig und für alle Menschen belastend. Sgier ist trotzdem der Meinung, dass man in dieser schwierigen Situation weder den Kopf hängen lassen, noch den Humor verlieren dürfe. «Ich hoffe, dass man das Virus in den Griff bekommt und die Menschen sich dann wieder normal verhalten, reisen, Restaurants und Bars besuchen und Geld ausgeben.» (paa)

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