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Mit Passugger Quellwasser im Gepäck zu Fuss nach England

Es kann losgehen: Ab dem 1. April wandert Markus Balzer mit seinen beiden Eseln Aron und Millo quer durch Europa. Das ungewöhnliche Trio nimmt die lange Reise nach England zu Fuss auf sich, um einen Beitrag zum Naturschutz zu leisten. Und um selbst frei zu sein.

Simone
Zwinggi
11.03.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Markus Balzer ist Wirt im «Olmischen Kober» in Chur, wohnt in Passugg und hält Esel. Doch nächste Woche beginnt für Balzer ein neues Leben. Dann wird er seine Autonummer abgeben, mindestens bis Ende November. «Zum Strassenverkehrsamt gehe ich natürlich zusammen mit Millo und Aron», erklärt Balzer. Millo und Aron, das sind die beiden Esel von Balzer, die am 1. April gemeinsam mit ihrem Besitzer eine grosse Reise antreten.

Wessen Idee es eigentlich war, bis nach Stonehenge im Süden Englands zu wandern, das lässt sich nicht so genau sagen. «Ich bin nur der Dolmetscher meiner Esel», sagt Balzer und seine Augen leuchten und zwinkern ein bisschen. «Wir wollen mit unserem Marsch die Sonne um Gnade bitten, damit sie in Zukunft nicht mehr so erbarmungslos auf die Erde brennt und das Leben hier zerstört», übersetzt Balzer für Millo und Aron. Zu diesem Zweck führt das Trio zehn Liter Wasser aus den fünf Passugger Quellen im Gepäck mit – je zwei Liter pro Quelle. Dieses wollen sie im Ärmelkanal ins Meer fliessen lassen und danach dieselbe Menge an Plastik aus dem Wasser fischen. Vielleicht könnten sie die Sonne damit milde stimmen und die Erde dazu bringen, sich nicht mehr so schnell zu drehen, so Balzer – «das macht die Leute nur immer wahnsinniger.»

Das schafft sogar ein Esel

Das Vorhaben von Balzer und seinen Eseln ist also ein ganz eigener Beitrag zum Klimaschutz. «Ich habe früher auch Klimasünden begangen», erklärt Balzer und wird ernst, «und habe nur immer von der Natur genommen und genommen und nichts zurückgegeben.» Inspiriert von der Klimajugend wollte auch Balzer etwas tun. Und formuliert auf der Website zu seinem Projekt einen Satz, der irgendwie hängenbleibt: «Wir fordern Politiker dazu auf, dasselbe zu tun, was sogar ein Esel fertigbringt.» Nämlich? «Zwei Liter sauberes Wasser aus der Heimat zum Meer tragen und ebenso viel Plastik aus dem Meer fischen und zu Hause entsorgen», erklärt Balzer. Balzer selbst wird auf seiner Reise fortlaufend Plastik einsammeln, den er am Wegrand findet. «Und dann – in einem Plastiksack – bei der jeweiligen Gemeinde abgeben. Zusammen mit einem kleinen Flyer, der auf meine Aktion aufmerksam macht.»

Selber tragen muss Balzer diesen eingesammelten Plastik nicht. Für den Gepäcktransport sind Millo und Aron zuständig. Aron, der jüngere und grössere der beiden Esel, wird einen Wagen ziehen. «Dort drauf befinden sich Heuballen, zehn Kilogramm Polenta, meine persönliche Ausrüstung mit Kleidern, ein Zelt sowie Werkzeug», führt Balzer aus. Millo wird die zehn Liter Wasser tragen. «Alles in allem haben wir rund 200 Kilogramm Gepäck dabei. Wobei der Wagen alleine etwa 70 Kilogramm wiegt.» Gewicht, das die Esel ohne Probleme transportieren können. Und sollte der Weg einmal sehr steil sein, unterstützt sich das Trio gegenseitig. «Ich habe ein zusätzliches Tragegeschirr dabei, das ich Millo in einem solchen Fall überstreifen kann. Damit kann ich ihn vor Aron vor den Wagen spannen.» Gemeinsam werden sie auf diese Weise jeden steilen Hügel meistern.

«Wägali» ziehen, das hat Aron fleissig geübt:

Frei sein

Aber zurück zum Warum dieses langen Fussmarschs. Tut Balzer dies wirklich nur im Dienste seiner Esel? «Dieses Projekt steht im Zeichen des Naturschutzes, aber auch im Zeichen des `sich frei Kettens`», erklärt Balzer. Das Restaurant habe er «in gute Hände übergeben», sein Haus in Passugg wird er nach seiner Rückkehr nur noch in der untersten Etage bewohnen, der Rest wird vermietet. Sein Hab und Gut habe er auf ein Minimum reduziert, so Balzer. «Alle sagen immer, man müsse etwas tun. Für den Klimaschutz und für sich selbst.» Nur mit dem Umsetzen, da hapere es oft. Deshalb habe er beschlossen, jetzt etwas zu machen – «aber ohne erhobenen Mahnfinger», wie er betont. «Sondern einfach, um nicht immer nur vom Tun zu sprechen.»

Zappelnde Füsse

Lange dauert es nicht mehr, bis sich das Trio auf seine Reise macht. «Doch am liebsten würde ich jetzt schon losmarschieren», so Balzer. Nur untätig rumsitzen muss er allerdings nicht bis am 1. April. «Ich bin dabei, die letzten Sachen zu packen, und übe den Feinschliff beim `Wägali`-Ziehen mit Aron und Millo.»

In Bezug auf eine Sache sind Balzer aber in der letzten Vorbereitung die Hände gebunden: in der Situation rund um das Coronavirus. «Um meine Esel habe ich keine Angst, um mich selbst schon gar nicht. Ich hoffe nur, dass die Grenzen offen bleiben!», so Balzer. Er wolle sein Projekt unbedingt durchführen. Wolle endlich loslaufen – rund vier Stunden pro Tag werden es sein, zwei am Morgen, zwei am Nachmittag. «Pressieren müssen wir nicht, wir haben schliesslich nichts gestohlen.» Sein Ziel sei, nach zweieinhalb Monaten in Stonehenge anzukommen, um am 21. Juni beim Fest zur Sommersonnenwende dabei zu sein. Rund 1000 Kilometer beträgt der Weg dorthin. «Ich werde alle Interessierten auf meiner Website und meiner Facebookseite auf dem Laufenden halten, wie meine Reise verläuft», sagt Balzer. Er mache die Reise für sich, aber dennoch, etwas Aufmerksamkeit fände er schön. «Ich bin gespannt, wie die Leute auf uns reagieren.»

Die drei werden auf Velowegen unterwegs sein. Auf dem Rückweg will Balzer verschiedenen Politikern und Regierungen seine Aufwartung machen. Er möchte sie auffordern, dasselbe zu tun wie er und seine Esel: sauberes Wasser ins Meer tragen und Plastik aufsammeln. Seine erste Station wird 10 Downing Street in London sein, der Ort also, wo die britische Regierung ihren offiziellen Hauptsitz hat. Was er dort sagen möchte, hat er schon vorbereitet, auf Englisch natürlich.

Und wann ist er wieder zurück? «Spätestens Ende November. Millo hat schliesslich eine wichtige Aufgabe zu erfüllen: Am 6. Dezember muss er den Samiklaus bei seinen Besuchen bei den Kindern begleiten.»

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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