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Das Walensee-Wasser für einmal nicht zum Abkühlen nutzen

In Mühlehorn soll eine Liegenschaft umgebaut werden. Zwei Gesuche erhellen, dass sie künftig mit Wärme aus Seewasser geheizt werden sollen. Das Potenzial wäre beträchtlich, nur ist es für Glarner schwer erreichbar.

Fridolin
Rast
02.09.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Walenseewasser soll bald auch ein Haus im Tiefenwinkel heizen.
Walenseewasser soll bald auch ein Haus im Tiefenwinkel heizen.
FRIDOLIN RAST

Ein Baugesuch und ein Gesuch «für eine Entnahme von Seewasser» sind im neusten Amtsblatt zu lesen. Mit maximal 60 Minutenlitern Seewasser will ein Grundeigentümer künftig heizen. Dieses Wasser soll in rund 30 Metern Tiefe angesaugt und dann in einem Wärmetauscher um 2,5 Grad abgekühlt werden, wie es im Baugesuch näher heisst. Bevor es zurückfliesst – und dabei den See ein wenig abkühlt.

Für das Haus, das damit künftig geheizt werden soll, rechnet der Bauherr laut Angaben der Gemeinde Glarus Nord aus dem Baugesuch mit einer Heizleistung von 10 bis 11 Kilowatt. Oder mit einem Energiebedarf für Heizung und Warmwasser von 23 000 Kilowattstunden in einem Jahr. Bei der angegebenen Leistungszahl von 5,4 müssten für die Wärmepumpe zwei Kilowatt elektrische Leistung oder knapp 4300 Kilowattstunden Strom im Jahr eingesetzt werden.

Das ist wenig mehr als der Strombedarf, mit dem heute ein Durchschnittshaushalt ohne elektrische Heiz-Energie auskommen kann. Mit 55 000 Franken gibt der Gesuchsteller im aufgelegten Baugesuch die Baukosten für die Seewasser-Heizung an.

Im Grunde eine gute Sache

An sich sei die Seewassernutzung zum Gewinnen von Wärme sinnvoll, erklärt Jakob Marti, Leiter Umwelt und Energie beim Kanton. Wo die Seeufer dicht besiedelt sind, werde das seit Langem gemacht. Zum Beispiel durch die ETH Zürich oder die Stadt Luzern, aber auch am Bodensee und am Luganersee.

Von der Eawag, der Wasser-Forschungsanstalt der ETH Zürich, gibt es eine Abschätzung, die ein beträchtliches Potenzial aufzeige, erklärt Marti. «Auch am Walensee ist dieses Potenzial relativ gross.» Denn er ist tief und hat ein grosses Wasservolumen, das in der Tiefe ständig noch günstige 4 Grad Celsius warm ist. Für die Glarner gibt es aber ein Problem. Marti sagt: «Nur müsste der Wärmebedarf für eine wirtschaftliche Nutzung nahe am See sein.» Denn lange Leitungen lohnen sich nicht.

Für das Glarnerland ist wenig zu holen, weil dafür zu wenige Bauten am Walensee liegen. Dafür für die St. Galler Nachbarn, wie Marti erklärt: «Vom Potenzial her ist vor allem Weesen interessant.» Am besten mit einem Energie-Richtplan, der bestimmt, dass die Energie für ein geeignetes Quartier mittelfristig aus einer bestimmten Quelle kommt.

Vom Wirkungsgrad her schneiden Seewasser-Wärmepumpen mit einem Wärmeniveau von mindestens 4 Grad und Grundwasserwärmepumpen mit etwa 6 bis 7 Grad Celsius gut ab, wie Marti erklärt, viel besser als Öl- oder Gasheizung, aber auch besser als Luft-Wärmepumpen.

Trotzdem bleibt ein Strombedarf. Den sollte man nach Martis Empfehlung am besten mit zertifiziertem Wasserstrom decken. Bei selber produziertem (Solar-)Strom ist ein saisonaler Stromspeicher «fast nicht machbar», was dessen Produktion in der sonnigeren Jahreszeit aber nicht infrage stellt.

Nicht in die Linth eingreifen

Auf der Potenzialkarte der Eawag sind neben dem Walensee auch der Klöntalersee und die Linth ausgewiesen. Am Klöntalersee wohnt auch kaum einer, und im Winter wird er weitgehend geleert. «Und bei der Linth müsste man sehr zurückhaltend sein und möglichst nicht in den Wärmehaushalt eingreifen», bremst Marti. Denn da wären die lokalen Auswirkungen stärker.

Wird die Seewasser-Wärmepumpe bewilligt, so wäre sie in Glarus Nord wohl die erste ihrer Art, heisst es bei der Gemeinde. Wärmepumpen seien erwünscht, doch meist gehe es um Luft-Wasser- oder seltener um Grundwasser-Wärmepumpen. Ein quasi umgekehrtes und von der Wassermenge her 100-fach grösseres Vorhaben ist dagegen nie zustande gekommen. Denn das Projekt für die Kühlung eines Rechenzentrums beim versandete bald einmal.

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