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Auch Suchtkranke erhalten Chance auf IV-Rente

Suchtkranke Personen haben bis anhin nicht auf eine IV-Rente hoffen können. Das Bundesgericht hat nun entschieden, dass der Anspruch auf eine IV-Rente auch bei Suchtkranken geprüft wird. Dass die IV-Stelle Graubünden deshalb einen grösseren Ansturm erlebt, glaubt sie jedoch nicht.

Südostschweiz
07.08.19 - 08:00 Uhr
Leben & Freizeit
Die Rechtsprechung für die Beurteilung des Anspruchs auf eine IV-Rente wurde bei Suchterkrankungen nun geändert.
Die Rechtsprechung für die Beurteilung des Anspruchs auf eine IV-Rente wurde bei Suchterkrankungen nun geändert.
ARCHIV/ OLIVIA AEBLI-ITEM

Gemäss der bisherigen Rechtsprechung führt eine primäre Suchterkrankung nicht zu einer Invalidität und somit zu keiner IV-Rente oder einer Möglichkeit eines Wiedereingliederungsprogramms in das Berufsleben. Da Sucht aber als Krankheit betrachtet wird, hat das Bundesgericht nun aber entschieden, dass der Anspruch auf eine IV-Rente auch bei Suchtmittelkranken geprüft werden soll.

Neu ist eine fachärztlich diagnostizierte Sucht im Vornhinein «nicht mehr ohne IV-rechtliche Relevanz», erklärt Thomas Pfiffner, Leiter der IV-Stelle Graubünden, gegenüber Dario Gruber von Radio Südostschweiz. Konkret heisst das: Es können die Einzelfälle geprüft werden, ob und wie sich eine Abhängigkeit auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt.

Kein Ansturm

Dass dieser Entscheid einen grossen Ansturm auf die IV-Stelle verursacht, glaubt Pfiffner jedoch nicht. Denn: «Es ist nicht so, dass jede Abhängigkeit zu einer Leistung der IV führt. Die Krankheit muss im Einzelfall zu einer tatsächlichen Erwerbsunfähigkeit führen und mit einem bereits bekannten Beweisverfahren abgeklärt werden», erklärt Pfiffner.

Ausserdem bestehe weiterhin die Schadensminderungspflicht. Das bedeutet, wer sich in einem Eingliederungsprozess befindet, oder eine Rente bekommen sollte, der kann zu einer Therapie verpflichtet werden, so Pfiffner.

Auch Margrith Meier, Betriebsleiterin des Ambulatoriums Neumühle in Chur, stützt diese Einschätzung: «Ich glaube nicht, dass der Andrang grösser wird. Vielleicht werden Betroffene, welche schon lange in ihrer Sucht sind, dieses Thema noch einmal aufgreifen.»

Schon in den 80ern

Die IV habe sich bis in die späten 1980er Jahre nämlich bereits einmal bei Suchtkrankheiten beteiligt. Dies vor allem bei der Rehabilitation der Abhängigen. «Es führte aber auf politischer Ebene sowie zwischen den verschiedenen Versicherern zu Meinungsverschiedenheiten. In der Folge hatte sich die IV gänzlich zurückgezogen. Damit sind die Kosten natürlich explodiert, gerade in den Langzeittherapien», sagt Meier. Sie sei sehr froh und dankbar, dass nun dieser Entscheid für eine erneute Beteiligung der IV gefallen sei.   

Wieder ins Berufsleben

«Die betroffenen Personen durchlaufen künftig den vollständigen Abklärungs- und vor allem Eingliederungsprozess der IV-Stelle so wie alle anderen Versicherten», betont Pfiffner weiter. «Das heisst, dass der Fokus auf der beruflichen Eingliederung liegt und nicht auf der Rente».

Dort erhofft sich auch Margrith Meier vom Ambulatorium Neumühle einige Veränderungen. «Der Wiedereinstieg in den Beruf ist ein grosses Problem. Man findet wenig Arbeitgeber, welche bereit sind, Leute mit einer Suchterkrankung einzustellen. In diesem Bereich erhoffe ich mir mit diesem Bundesgerichtsentscheid die meisten Lichtblicke.» (nua)

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