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Warum man als Altbausanierer loslassen können muss

Wer einen Altbau saniert, ist meist ein anderer Hausbesitzercharakter als diejenigen, die neu errichten lassen. Allerdings müssen genau deshalb viele auch erst lernen, loszulassen.

Südostschweiz
18.07.19 - 14:17 Uhr
Leben & Freizeit

Was das durchschnittliche Gebäudealter anbelangt, so ist die Schweiz im Allgemeinen sowie unsere Südost-Kantone im Speziellen eine Nation von Leuten, die auf Beständigkeit setzen. Nirgendwo zeigt sich das besser als in den Gebäudelisten des BfS. 

Beispiel gefällig? In Graubünden gibt es insgesamt 34‘205 Einfamilienhäuser. Gerade einmal 4‘949 davon wurden seit dem Jahrtausendwechsel errichtet – gleichsam hat es hier 11‘876 EFH mit Baujahr vor 1945 und insgesamt wurden sogar 22‘030 der Häuser vor 1980 gebaut! Auf das ganze Land bezogen sieht es ähnlich aus, Qualität für Jahrhunderte sozusagen, an der viele gern festhalten.

Allerdings ist das Festhalten vieler sanierungswilliger Altbaubesitzer an ihren Stücken und vor allem den Details eher ein handfestes Klammern. Das bezieht sich sowohl auf das Haus per se wie auf alle, die daran Hand anlegen dürfen – nicht selten lautet da das Motto „mache ich allein und was drin ist bleibt auch drin“. Allerdings ist das vielfach und aus mehreren Gründen die falsche Denkweise. 

1. Man macht sich unnötig Arbeit

Es ist eine Sache, sich vor einer Sanierung im Netz Inspirationen zu holen und dann zu Jumbo oder Coop zu fahren, um zu schauen, was einem zwischen Dach und Kellerfenstern gut gefällt. Eine ganz andere ist es jedoch, sich zuhause mit Computer und Zeichenpapier hinzusetzen, und eine Sanierung wirklich zu planen. 

Viele Altbaubesitzer glauben trotzdem, dass niemand besser planen könne, wie das Haus nach der Sanierung aussehen solle, als sie selbst. Ein Architekt? „Bloss nicht, der kennt das Haus nicht und macht mir da was Modernes draus“. 

So kann man durchaus denken, auch wenn es falsch ist – schliesslich gibt es ebenso auf Altbauten spezialisierte Architekten wie man als Besitzer immer noch bei jedem Vorschlag das letzte Wort hat. Vor allem aber macht man sich unnötig viel Arbeit. Denn der Architekt ist mehr als ein Planungszeichner (Quelle: BENZ24) Er weiss viel mehr über Baualtersstufen, deren Notwendigkeiten, über Materialien und wie man so saniert, dass es zur lokalen Bebauung passt.

Und er fungiert immer als Treuhänder zwischen Bauherr und Handwerksfirmen – sowohl bei Alt- wie Neubauten. Wer auf ihn verzichtet, verzichtet nicht nur auf einen enorm kreativen Kopf, der einem dabei hilft, eine insgesamt stimmigere Sanierung durchzuführen, sondern er verzichtet auch auf einen wichtigen Helfer für tausenderlei Kleinigkeiten. 

2. Man behält Schlechteres

Auch im Hausbau war früher nicht alles besser. Das allermeiste sind bei ehrlicher Betrachtung subjektive Positionen zwischen Design und Raumplanung. Und Tatsache ist auch, dass das, was heute von vielen Altbaubesitzern in höchsten Tönen als „Patina“, als einzigartige Zeitzeugen bezeichnet und liebevoll restauriert wird, bei genauerer Betrachtung nachteilig ist.

Was einmal ein quietschender, vielleicht wurmstichiger Holzboden war, wird auch nach dem aufwendigen, staubigen Abschleifen immer noch ein quietschender, wurmstichiger Holzboden bleiben – nur eben jetzt in hellerem Ton, die Patina hat man ja abgeschliffen. 

Und auch wenn man die alten Bakelit- oder gar Porzellan-gefassten Dreh-Lichtschalter noch so sehr mit Autopolitur und Zahnbürste auf Hochglanz bringt, bleiben es doch Lichtschalter, die man unmöglich nur mit dem Ellbogen oder notfalls der Nasenspitze bedienen kann – etwa, wenn man schwer mit Einkäufen beladen ist. 

Diese beiden Beispiele sollen eines zeigen: Wer zu sehr an den alten Dingen im Haus festklammert, macht sich das Leben darin unnötig schwer, dehnt die Arbeitszeit und strapaziert auch oft noch das Portemonnaie – denn oftmals ist Gleichwertiges oder gar Besseres nicht nur schneller installiert, sondern unterm Strich auch noch günstiger. 

3. Man hat keine Garantie

Die Baubewilligung ist mehr als ein Rechtsakt, sie ist auch eine psychologische Hürde. Denn wer sie beantragt, ist sich meistens bewusst, dass hier tief in die Bausubstanz eingegriffen wird und ist dadurch geneigter, die Arbeit Profihandwerkern zu überlassen. Das Problem ist nur, dass es unterhalb davon eine ganze Menge Sanierungsarbeiten gibt, die keiner Bewilligung bedürfen.

Und wo man nur in den Baumarkt fahren muss, um loszulegen, herrscht auch bei vielen Altbaubesitzern die Ansicht vor, dass es deshalb auch vollkommen ausreichend sei, wenn sie ihre eigenen Heimwerkerkünste spielen lassen. 

Da werden dann in Eigenregie neue Zimmertüren installiert, im Bad neue Fliesen gelegt, vielleicht sogar die Elektrik erneuert – im Zweifelsfall findet man ja spätestens auf YouTube zahllose Videos mit Anleitungen. Bloss: Wenn dann hinterher die Türen von selbst zufallen, weil sie schief sind, die Fliesen nach drei Wochen reissen, weil der Kleber nicht anständig verteilt wurde oder noch Schlimmeres bei der Elektrik passiert, schaut man in die Röhre.

Was man vom Fachmann erledigen lässt, ist zwar auch nicht immer fehlerfrei. Aber wenn etwas nicht so ist, wie vereinbart, hat man das Recht auf seiner Seite. Wer nur an den eigenen Fähigkeiten festhält, erst recht, wenn sie nicht sehr hoch sind, muss sich im Schadensfall bei sich selbst beschweren – und anschliessend das Portemonnaie nochmals öffnen, diesmal hoffentlich für einen Profi. 

4. Man verzettelt sich

Wer sanieren möchte, macht das in den allermeisten Fällen deshalb, weil er darin wohnen möchte. An diesem Punkt kommt das Klammern an den eigenen Fähigkeiten sowie den alten Installationen des Hauses zu einem grossen Gesamtproblem zusammen. 

Denn in diesem Fall darf man nicht planen, möglichst bald in diesem Haus zu wohnen. Selbermachen und möglichst viel aufarbeiten statt zu erneuern, das sind zwei Faktoren, die mehr als alles andere Zeit fressen. 

Wir erinnern uns an den erwähnten Holzboden aus dem zweiten Kapitel. 

  • Will man ihn aufarbeiten, muss man ihn mindestens dreimal mit zwei speziellen Geräten abschleifen. Man muss Lücken und Ausbrüche verspachteln, wieder schleifen, Absaugen und schliesslich lackieren oder wachsen – eine Arbeit für Tage pro Raum.
  • Erneuert man den Boden hingegen, hebelt man per Kuhfuss die Bretter heraus, legt sie für künftige Heimwerkerprojekte sorgfältig beiseite. Dann misst man die alten Dielen aus, besorgt sich im Baumarkt neue, dazu noch Dämmung und Dampfbremse. Die beiden letzteren Materialien werden zwischen bzw. auf die Unterkonstruktion aufgebracht, man legt die Dielen auf – ein paar Dutzend Hammerschläge und wenige Stunden später hat man einen brandneuen Boden ohne Wurmlöcher, ohne Wellen und Quietschen.  

Und diese Denkweise zieht sich auf beinahe alles andere. Je mehr man aufarbeitet statt erneuert, je mehr man dabei auf sich selbst setzt, desto grösser ist die Gefahr, sich zu verzetteln. 

Schon bei vielen Sanierungsprojekten führte der Wunsch nach beidem dazu, dass die Arbeit sich über Monate, manchmal Jahre hinzog und das Haus zur „unendlichen Geschichte“ wurde.

Fazit

Es ist ein durchaus löbliches Ziel, ein altes Haus in Eigenregie zu sanieren und dabei maximal auf Erhaltung zu setzen. Allerdings sollte man dabei sehr genau prüfen. Beides hat viele Nachteile, die längst nicht jeder in einem Elan beachtet – dafür aber hinterher bitter bereut.
 

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