Ein Benkner verhilft Kühen zu Leichtfüssigkeit
Pediküre bei Rindtieren – das gibt es. Nur nennt sich das dann Klauenpflege. Ernst Schnider aus Benken hat sich darauf spezialisiert. Er zieht von Hof zu Hof und sorgt weit über das Linthgebiet hinaus für gepflegte Rinderfüsse.
Pediküre bei Rindtieren – das gibt es. Nur nennt sich das dann Klauenpflege. Ernst Schnider aus Benken hat sich darauf spezialisiert. Er zieht von Hof zu Hof und sorgt weit über das Linthgebiet hinaus für gepflegte Rinderfüsse.
Von Barbara Schirmer
Späne spicken durch die Luft, und das Geräusch im Ohr ist gewöhnungsbedürftig. Der hochtourige Lärm des Winkelschleifers erinnert wohl eher an eine Baustelle als an einen Bauernhof. Auch der Geruch, der sich langsam ausbreitet, ist speziell und schwierig zu definieren. Am ehesten zutreffen würde wohl süsslich, mit tierspezifischem Beigeschmack.
Mitten im Laufhof eines Bauernbetriebes im Linthgebiet steht Landwirt Ernst Schnider. In den Händen hält er jenen Winkelschleifer, der für den Lärm verantwortlich ist. «Damit schmirgle ich das überschüssige Horn an den Klauen weg», erklärt er, auf die Maschine deutend. Die Kuh befindet sich derweilen in einem Klauenstand. Das ist eine spezielle Vorrichtung, welche dafür sorgt, dass sich während der Klauenpflege weder Kuh noch Landwirt verletzen. Grad hat Schnider seine Arbeit am letzten Fuss der Kuh vollendet. Jetzt kommt Bewegung in die Szene.
Durch einen Knopfdruck senkt sich der Klauenstand bis auf den Boden. Kurz darauf scheppert es, und schon ist die vordere Abschrankung des Standes offen. Mit einem kecken Blick und leichten Füssen begibt sich die Kuh in Richtung Stall, wo im Fressgitter herrlich duftendes Heu auf sie wartet. Bereits rückt die nächste Kuh nach. Es ist Flora, eine ältere Dame, die bereits auf eine grosse Klauenpflegeerfahrung zurückblicken kann. Einmal jährlich steht diese Arbeit im Normalfall routinemässig an. Dabei gilt es einerseits für ein optimales Klauenprofil zu sorgen. Dies, damit die Kuh keine Fussprobleme entwickelt. Andererseits wird die Gelegenheit genutzt, die Füsse zu überprüfen. Denn diese könnten von beginnenden Krankheiten befallen sein.
Klauenschneiden à la Amerika
Hinkt eine Kuh unter dem Jahr, so fährt Ernst Schnider ebenfalls mit seinem Klauenstand vor. In diesen Fällen nur für ein einzelnes Tier. Dann gilt es heraus-zufinden, wo der Schuh – pardon, die Klaue – drückt. Ob faule Stellen, Eitertaschen oder Geschwüre, der Klauenpfleger kennt Tipps und Tricks, um den verschiedensten Beschwerden den Kampf anzusagen. Braucht es rezeptpflichtige Medikamente, wird ein Tierarzt beigezogen.
Ernst Schnider hat sich vor drei Jahren auf die professionelle Klauenpflege spezialisiert. Damals begann er die Hofübergabe zu planen. Er wollte Verantwortung abgeben und dem Sohn Platz machen. Sodass dieser seine Ideen im Betrieb verwirklichen kann. Doch das Pensionsalter war für Schnider noch in weiter Ferne. Eine Folgelösung musste angedacht werden.
Professionelle Klauenpfleger sind gesuchte Leute. Darauf wollte Schnider bauen. Ein Grundwissen hatte er bereits, da er sich als Landwirt auf seinem Betrieb grösstenteils selber um die Klauenpflege seines Tierbestandes gekümmert hatte. Nur bei komplizierteren Fällen zog auch er einen professionellen Klauenschneider bei. Also besuchte er verschiedene Schulungen, spezialisierte sich dabei auf eine besondere Technik. So pflegt er heute Kuhfüsse nach der Methode Bürgi.
Karl Bürgi ist ein Schweizer Klauenpfleger, der in Amerika lebt und dort jährlich Tausende von Kuhfüssen pflegt. Er entwickelte seine eigene Technik und gibt dieses Wissen seit einiger Zeit auch in der Schweiz weiter. Als Schnider mit der Ausbildung zum professionellen Klauenpfleger begann, war diese Ausbildung noch nicht anerkannt. Das Veterinäramt forderte das klassische Klauenschneiderzertifikat. Ein erneutes Schulbankdrücken folgte, und der Benkner eignete sich in Landquart am Plantahof ein weiteres Einmaleins der Klauenpflege an. Seit 2016 erfüllt er alle Bedingungen. Seit 2018 setzt er voll auf dieses Gewerbe, und Sohn Thomas Schnider ist der Betriebsleiter daheim. Längst ist das Klauenschneiden für den Landwirt zur Routine geworden.
Das Wartezimmer mit dabei
Routine zeigt sich aktuell auch auf dem Bauernhof im Linthgebiet. Eine Kuh schreitet in den Klauenstand. Dann klappt die hintere Abschrankung zu. Bauchgurten sichern das Tier. Der Lift hebt den Klauenstand an. Ein Vorder- und ein Hinterfuss werden hochgezogen. Schnider greift zum Winkelschleifer. Hobelt erst mit dem groben Blatt die Hornansammlungen ab, wechselt dann die Maschine. Diese ist mit einer feineren Scheibe ausgestattet und eignet sich optimal für das Finish. Kaum sind die ersten zwei Füsse fertig, finden sie den Weg zurück auf den Boden des Klauenstandes. Nun kommt die andere Seite an die Reihe. Sind alle vier Füsse versorgt, senkt sich der Lift wieder, die vordere Absperrung öffnet sich kurz scheppernd, und die Kuh marschiert dem Stall entgegen. Schon öffnet der helfende Landwirt hinten den Warteraum, und die nächste Kuh spaziert in den Klauenstand.
Nur gerade sieben Minuten dauerte diesmal die Fusspflege inklusive Wechsel. Das sei nicht immer so, betont Schnider. «Muss ich eine kranke Klaue behandeln, dauert es länger. Je nach Beschwerden wird sogar noch ein Verband angelegt. Es begibt sich auch nicht jede Kuh gerne in den Stand. Dann ist schnell viel Zeit vergangen.»
Aus diesem Grund hat Schnider hinter dem Klauenstand eine Vorrichtung aufgestellt. Quasi ein Wartezimmer kreiert. Er nutzt dabei das Herdenverhalten der Kühe. Diese laufen gerne einander nach. «Seit ich diesen Warteraum mitführe, geht der Wechsel im Stand meist problemlos.»
Für das Rindvieh sei das Klauenschneiden wie der Besuch eines Menschen beim Zahnarzt. Diesen Vergleich hat Schnider von einem Berufskollegen mit auf den Weg genommen. Geduld und die Fähigkeit, sich in das Tier einzufühlen, seien daher Tugenden, die einen Klauenschneider auszeichnen.
Längst ist das Gesicht von Ernst Schnider mit Mistspritzern versehen. Dennoch lacht der Landwirt über das ganze Gesicht. «Der Schmutz darf einen nicht stören, wenn man diesen Job macht», erklärt er. Als Schutz trägt er Regenhosen. Zusätzlich hat er sich eine riesige Schürze um den Bauch gebunden, ein Melkerhütchen auf den Kopf gesetzt und die Hände in Handschuhe gepackt.
Die Schutzbrille sei ihm ausgerechnet heute in die Brüche gegangen, und der Ersatz laufe bei diesem Wetter immer an. Sonst käme diese, nebst dem Gehörschutz, noch dazu. Immer im Auto dabei ist eine saubere Garnitur an Kleidern. Es kann nämlich sein, dass eine Kuh in der Aufregung für eine buchstäblich «verschissene Bescherung» sorgt. Dann möchte sich der Landwirt umziehen können.
Milchkühe aller Rassen
Zu Schniders Kundschaft zählen Milchkühe aller Rassen. Hin und wieder steht auch ein Stier im Stand. So ein Prachtkerl könne gut und gerne eine Tonne wiegen. Dann sei der Stand ausgefüllt. Auch Mutterkühe benötigen zwischendurch eine Pediküre. Diese Tiere bräuchten mehrheitlich mehr Geduld, da sie von Natur aus weniger zutraulich sind. Trotzdem kümmert sich der Landwirt auch um sie. «Bei mir soll jedes Tier der Sparte Rindvieh die Chance erhalten, auf guten Füssen durch die Gegend zu gehen», erklärt er.
Dann räumt er den Klauenstand zusammen. Zerlegt den Wartesaal in Einzelteile und lädt alles zusammen auf den Anhänger. Noch ein Kafi und ein kurzer Schwatz mit dem Landwirt – dann reist der Klauenschneider einen Hof weiter. Die nächste Pediküre wartet.
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