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Danke, Deli!

Kolumnist Luca Brunner lebt zurzeit in der grössten Stadt der USA. Von dort berichtet er in unregelmässigen Abständen über seine Erlebnisse – heute über Allerweltsläden für alle Situationen.

Linth-Zeitung
14.02.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die Allerweltsläden namens Deli gehören zu den Strassen New Yorks. Und sie lassen von Eiswürfeln bis Nagellackentferner kaum einen Wunsch offen.
Die Allerweltsläden namens Deli gehören zu den Strassen New Yorks. Und sie lassen von Eiswürfeln bis Nagellackentferner kaum einen Wunsch offen.
LUCA BRUNNER

von Luca Brunner

Manchmal hat die gute Morgenstund wirklich kein Gold im Mund! So zeigte am letzten Januartag um 5.30 Uhr in der Früh das Quecksilber minus 17 Grad Aussentemperatur an. «Polar Vortex» sei Dank. Zudem fühlte sich mein Kopf an, als hätte soeben ein Blitz frontal eingeschlagen. Zu allem Überfluss fehlte in meiner Hausapotheke jede Spur von Aspirin oder Ibuprofen. Zeit für die New Yorker Allzweckwaffe für solch verstrickte Situationen: den nächsten Deli. Meiner befindet sich glücklicherweise nur ein paar Treppenstufen entfernt, und so holte ich mir unten schnell eine Schachtel Kopfwehtabletten.

Delis – diese Allerweltsläden an fast jeder Ecke sind aus dem Strassenbild New Yorks nicht wegzudenken. Deli ist übrigens ein Lehnwort und stammt vom deutschen Wort Delikatessen ab. Mitte des 19. Jahrhunderts brachten es Einwanderer, vor allem aschkenasische Juden, in die USA. Deswegen werden die jüdischen Delis bis heute als die typischsten betrachtet. Institutionen wie Barney Greengrass oder Katz’s haben schon viele Mäuler und Hollywood-Produzenten erfreut. Bagels mit Räucherlachs, Pastrami auf Roggenbrot oder eine hausgemachte Knish gehören zu den Klassikern. Mittlerweile hat sich das Konzept von seinen Wurzeln emanzipiert. Sowohl angebotstechnisch als auch in Bezug auf die Vielfalt der Ethnien seiner Inhaber. Hinter den mit vergilbten Fotos und Aktionsschildern verklebten Fenstern verbergen sich die unterschiedlichsten Angebotspaletten. Mein Nachbar sagt immer: «Irgendwie findet man alles und nichts.» In der Hitze des Gefechts die Eiswürfel für die anstehende Hauseinweihungsparty vergessen? Den Nagellackentferner der Freundin verlegt? Beim Knoblauch rüsten aus Versehen fast die Fingerbeere abgetrennt? Oder einfach mit einem Brummschädel aufgewacht, wie ich kürzlich? Nicht verzagen, Deli fragen. 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Und wenn man im dümmsten Fall nichts Passendes findet, gibt es vielleicht zumindest ein geheimnisvolles Lotterielos oder ein pickelhartes Cookie gratis. Danke, Deli!

Luca Brunner aus Rapperswil-Jona ist Generalist, Journalist und Querdenker. Er lebt und arbeitet in New York.

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