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Der Mäzen

Geboren und aufgewachsen in Hamburg, hat der Unternehmer Klaus-Michael Kühne seinen Wohnsitz schon seit über 40 Jahren in der Schweiz. Beim 100. «Zmorga» verrät er, wie er sich fit hält und ob Geld glücklich macht.

27.01.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Jeden Tag im Büro: Auch wenn er seit vielen Jahren nicht mehr operativ in der Firma tätig ist.
SOMEDIA

Er ist ein wirtschaftliches Schwergewicht, von denen es heute nur noch wenige seiner Art gibt. Klaus-Michael Kühne. Der 81-jährige Mehrheitsgesellschafter des Logistikriesen Kühne + Nagel ist weit mehr als nur Unternehmer und Geschäftsmann. Er ist auch Mäzen und Stifter. Logistik, Medizin und Kultur sind die Bereiche, die er mit seiner Kühne-Stiftung fördert.

Der Hauptsitz von Kühne + Nagel befindet sich seit über 40 Jahren im schwyzerischen Schindellegi. Dort hat Klaus-Michael Kühne sein Büro. Und dort in der vierten Etage des Glashauses empfängt der gebürtige Hamburger Kühne die «Südostschweiz am Wochenende» zum «Zmorga».

Kurz nach 10 Uhr – eine Sitzung hat Kühne aufgehalten – betritt er den Raum und setzt sich an seinen gewohnten Platz auf dem grauen Ledersofa. Kaum da, klingelt schon sein Handy, das in seiner Vestontasche steckt. Kühne blickt kurz darauf, nimmt aber nicht ab. Dann ist er bereit fürs Interview – in Hochdeutsch, bittet er.

Herr Kühne, kommen Sie noch jeden Tag ins Büro?

Ja, wenn ich in Schindellegi bin, auf jeden Fall. Dann bin ich um 8.15 Uhr da. Nächste Woche gehe ich aber wieder für einige Tage nach Hamburg.

Wie halten Sie sich fit?

Ich bin jeden Morgen eine halbe Stunde auf dem Hometrainer und danach schwimme ich eine Viertelstunde. Am Wochenende spiele ich zudem Tennis. Sport hält mich fit, aber auch Reisen und geistige Beweglichkeit gehören dazu. An vielen Aufgaben und Projekten zu arbeiten, hält einen frisch.

Kühne hat sich vor Jahren aus dem operativen Geschäft des Logistikunternehmens zurückgezogen und ist heute Honorary Chairman und Mitglied des Verwaltungsrats von Kühne + Nagel. Geht es um wichtig Entscheide, «rede ich mit», sagt er. Neben dem Unternehmen kümmert er sich um seine Kühne-Stiftung und die Kühne Holding AG. Einerseits setzt er sich mit der Stiftung für Logistikweiterbildung sowie Forschung ein und unterhält eine eigene Logistikuniversität in Hamburg. Zudem fördert er mit der Hochgebirgsklinik in Davos ein medizinisches Projekt und kulturelle Vorhaben. Andererseits ist da die Holding, zu der zwei Hotels – in Hamburg und auf Mallorca – sowie andere Immobilien gehören. In der Holding sind auch die Beteiligungen an Kühne + Nagel und Hapag-Lloyd, eine der weltweit führenden Containerreedereien, gebündelt.

Haben Sie überhaupt noch den Überblick, was wo gerade läuft bei all Ihren Projekten?

Ich bin sehr informationshungrig und lese sehr viel. Die meisten Infos bekomme ich über E-Mails von extern oder meinen Mitarbeitern und ich beantworte alles sehr schnell. Und da ich mit vielen Menschen kommuniziere, bin ich gut informiert. Zudem bin ich es gewohnt, mich gleichzeitig um vieles zu kümmern und die wichtigen Dinge nicht aus den Augen zu verlieren und in der Hand zu behalten.

Fordern Sie viel von Ihren Mitarbeitern?

Ja. Aber auch von mir. Ich bin ein starker Impulsgeber, dadurch können auch Dinge bewegt werden und es geht vorwärts.

Geduld scheint nicht Ihre Stärke zu sein?

(Lacht). Nein. Geduldig bin ich gar nicht, im Gegenteil. Aber Ungeduld ist eine gute Eigenschaft, weil es einen antreibt, immer neue Ziele zu setzen und diese schnell zu erreichen. Natürlich ist es manchmal mühsam, vor allem für die Umgebung und die Mitarbeiter, wenn sie immer wieder angetrieben und ermahnt werden, wenn meiner Meinung nach manche Dinge nicht schnell genug erledigt worden sind. Da bin ich dann ein unbequemer Chef. Aber man muss, wenn man etwas erreichen will, sehr zäh sein.

Kühne strotzt trotz seines fortgeschrittenen Alters nur so vor Ideen und Plänen. So auch für die Hochgebirgsklinik Davos, die er zu einem grossen Forschungszentrum für Allergologie und Kardiologie ausbauen will. Nächstes grosses Projekt ist die Eröffnung des neuen Campusgebäudes neben der Klinik im Spätsommer dieses Jahres.

Wie kamen Sie dazu, die Allergieforschung zu unterstützen?

Das Projekt wurde ursprünglich von meiner Frau gewählt, weil es in ihrer Familie einen Fall von Neurodermitis gab. Wir sind schon seit zehn Jahren über die Stiftung in der Allergiethematik tätig, denn es besteht grosser Handlungsbedarf. Zuerst finanzierten wir eine Beratungsstelle am Kinderspital in Zürich für Eltern, deren Kinder an Neurodermitis leiden. Das ging dann weiter mit der Unterstützung erster Forschungstätigkeiten durch Professor Roger Lauener. Der Weg führte danach nach Davos, wo das Christine Kühne-Center for Allergy Research and Education etabliert wurde und sehr eng mit dem Schweizerischen Institut für Allergieforschung und anderen Institutionen zusammenarbeitet. Und so haben wir unsere finanziellen Mittel immer wieder erhöht.

Leiden Sie selbst an einer Allergie?

Meine Frau und ich sind selbst nicht davon betroffen. Das heisst, ich machte vor einem Jahr einen Lungen- und Allergietest. Dabei kam eine Allergieanfälligkeit zum Vorschein – aber sehr theoretisch, ich spüre also nichts davon (lacht). Ich habe auf irgendeine Pflanze, fragen Sie mich nicht auf welche, reagiert. Es ist auf jeden Fall harmlos. Aber bis dahin war ich immer stolz, dass ich keine Allergie habe, und dann hiess es, doch, in einem ganz bestimmten Bereich sind Sie allergisch.

2014 konnte die Hochgebirgsklinik den Konkurs abwenden. Kühne kaufte über seine Kühne Real Estate AG die Liegenschaften. Vorgesehen war ein «begrenzter Rettungsakt». Man habe aber komplexere Verhältnisse als angenommen vorgefunden und so beschloss Kühne dann, «voll reinzugehen», wie es der Hamburger ausdrückt.

Nun haben Sie noch weitere Pläne mit der Klinik und wollen sie als Herz-Rehabilitationszentrum etablieren.

Das sind langfristige Pläne, die wir prüfen. Möglich ist eine Zusammenarbeit zwischen unserer Hochgebirgsklinik Davos, dem Universitätsspital Zürich und dem Universitären Herzzentrum in Hamburg. Für eine entsprechende Einrichtung ist genügend Platz auf dem Areal in Davos vorhanden.

Kühne wurde im Juni 1937 in Hamburg geboren, wo er als Einzelkind aufwuchs. Sein Grossvater August Kühne gründete zusammen mit einem Partner die Spedition Kühne + Nagel, sein Vater Alfred Kühne führte das Unternehmen über sechs Jahrzehnte fort. Klaus-Michael Kühne machte das Abitur in Hamburg und absolvierte eine Kaufmännische Ausbildung in einer Bank. Danach folgte eine intensive Fortbildung unter anderem im Reedereigeschäft. 1958 trat er in das elterliche Unternehmen ein. Kühne übernahm 1966, mit 29 Jahren, die Verantwortung für Kühne + Nagel, weil sein Vater aus Alters- und Gesundheitsgründen zurücktrat.

Mit knapp 30 Jahren mussten Sie die Verantwortung für die Firma übernehmen. Haben Sie diese Last auch manchmal verflucht?

Ja, es war schon sehr früh. Ich trug diese Verantwortung viele Jahrzehnte – und ich war schon noch sehr jung und habe auch Fehler gemacht. Denn ich hatte ja gar nicht die Erfahrung und die Zeit, die es dafür braucht. Wir hatten aber immer sehr gute Mitarbeiter und wir führten das Unternehmen als Team. Der Ausbau der Firma war kein Zuckerschlecken und auch mit Rückschlägen verbunden.

Welches war Ihre grösste Niederlage?

Das war Ende der Siebzigerjahre, als wir eine Fehlinvestition tätigten. In der Folge musste ich einen Teil des Unternehmens verkaufen, um die Liquidität sicherzustellen. Das war eine harte Zeit, bei der das Familienunternehmen fast verloren gegangen wäre. Aber ich konnte es dank einer guten Partnerschaft retten. Es kostete mich aber einige schlaflose Nächte.

Kühne war viele Jahre lang pausenlos unterwegs. Er entwickelte das internationale Geschäft für das Unternehmen, reiste dadurch rund um den Globus und erschloss so ein Land nach dem anderen.

Bis Sie 50 Jahre alt waren, gingen Sie ruhe- und rastlos durchs Leben.

Das stimmt. Das Privatleben kam zu kurz und ich habe mich ganz auf das Unternehmen konzentriert. Und ein bisschen zu viel gearbeitet.

Bereuen Sie das heute?

Man muss sich vorher fragen, was man will. Einerseits habe ich spät geheiratet und konnte dadurch keine Familie gründen. Andererseits wäre ohne diese harte Arbeit und diese Umtriebigkeit auch nicht so viel zustande gekommen. Die Frage ist, auf welche Seite man sich ausrichten soll. Ich hatte beruflich Erfolg, was mich ja auch sehr zufriedenstellte.

Mit 52 Jahren, 1989, heiratete Kühne seine Frau Christine. Sie lernte er im Berner Oberland kennen. «In den Ferien und durch Zufall», sagt er.

Mit Ihrer Frau Christine an der Seite wurde das Leben dann doch etwas schöner?

Das kann man sagen, ja! Da kam dann eine gewisse Balance in mein Leben. Meine Frau hatte aber auch immer viel Verständnis für meine Arbeit und passte sich gut an. Ich versuchte, ihr dann privat so viel wie möglich zu bieten und wir verbanden Geschäftsreisen auch mal mit privaten Reisen. Einige Jahre nach der Hochzeit haben wir unser Haus auf Mallorca gekauft, ein weiteres haben wir noch auf der Lenzerheide.

Bereits Kühnes Eltern, Alfred und Mercedes Kühne, hatten auf der Lenzerheide ein Haus, wo sie ihre Ferien verbrachten und im Alter auch lebten. Die Liebe zur Schweiz, aber natürlich auch die wirtschaftlichen Vorteile waren mit ein Grund, weshalb Vater und Sohn Kühne 1969 den Hauptsitz der Firma nach Schindellegi verlegten. Dort lebt Kühne mit seiner Frau.

Sie leben und arbeiten seit bald 50 Jahren in der Schweiz. Als was fühlen Sie sich eigentlich?

Leider immer noch als Deutscher (lacht). Ich werde ja immer wieder gefragt, warum ich nicht Schweizer werde. Aber ich bin der Meinung, da, wo man herkommt, ist die Heimat, ist man aufgewachsen und ist man in einer bestimmten Nationalität verwurzelt. Da kann man trotzdem andere Länder schön finden und sich wohlfühlen. Aber warum soll man dann die Nationalität wechseln? Ich habe da meine eigene Vorstellung.

Ihr Herz hängt immer noch an Hamburg?

Auf jeden Fall! Ich habe Deutschland vor 45 Jahren verlassen, habe mir aber immer wieder gesagt: Wer so viel Glück im Leben hatte, der soll seine Heimat nicht ganz vernachlässigen. Aus diesem Grund haben wir auch sehr viele geschäftliche und kulturelle Aktivitäten in Hamburg entwickelt. Wie das Engagement bei der Staatsoper, der Elbphilharmonie oder der Hotelbau als jüngste Initiative. Und dann bin ich ja auch noch Fussball-Fan. Das ist Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben…

Wie könnte es? Aber Sie sprechen ja nicht gerne über Ihr Engagement beim HSV…

Das ist so. Es war ein Flop und ist leider nicht so gut gelaufen. Aber wenn alles andere gut läuft, dann muss man sich so etwas auch mal leisten respektive muss es verkraften können. Man kann nicht überall Erfolg haben, Misserfolge gehören zum Leben.

Dann ziehen Sie sich beim HSV zurück?

Nicht ganz, aber ich werde mich nicht mehr so engagieren, wie ich es vor einigen Jahren getan habe. Da habe ich vielleicht zu viel des Guten getan und mich zu sehr begeistern lassen. Jetzt bin ich etwas nüchterner und vorsichtiger geworden.

Im August 2014 stieg Kühne beim Hamburger Sport-Verein, kurz HSV, ein und gab dem Klub ein Darlehen von 17 Millionen Euro für die Verpflichtung neuer Spieler. Später erwarb er 7,5 Prozent der Anteile der HSV Fussball AG, inzwischen sind es bereits gut 20 Prozent. Kühne zählt laut Wirtschaftsmagazin «Bilanz» zu den 300 reichsten Schweizern.

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