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Hüftschwung des Erfolgs

Frédéric Zwicker schreibt in seiner heutigen Kolumne über den Ballon d'Or, Sexismus und seine Bauchtanz-Künste.

Linth-Zeitung
11.12.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Kolumnist Frédéric Zwicker übt vor dem Spiegel den Bauchtanz.
Kolumnist Frédéric Zwicker übt vor dem Spiegel den Bauchtanz.
PRESSEBILD

von Frédéric Zwicker

Weltfussballer des Jahres? Dieses Jahr Mohammed Salah. In den zehn vergangenen Jahren je fünf Mal Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Weltfussballerin des Jahres? Dieses Jahr die Brasilianerin Marta. Aber wissen Sie, wer es in den sieben Jahren zuvor war? Eben. Marta hat mit sechs Auszeichnungen eine mehr gewonnen als Messi oder Ronaldo. Fünf von sechs gewann sie zwischen 2006 und 2010 in Folge. Deshalb kennt man sie. Von fünf der sechs Frauen, die in den sieben Jahren zwischen Martas Titeln gewählt wurden, habe ich noch nie gehört. Bei den Männern kenne ich alle, die seit der ersten Verleihung 1991 Weltfussballer waren. Das ist nicht weiter erstaunlich, weil Männerfussball viel mehr Aufmerksamkeit erhält als Frauenfussball. Etwas Erstaunliches ist jetzt aber trotzdem passiert.

Beim Ballon d’Or, der seit 1956 von der französischen Fachzeitschrift France Football verliehen wird, wurde dieses Jahr erstmals auch eine Frau gekürt. Sie erhielt gleich mehr Medienaufmerksamkeit als ihr männliches Pendant Luka Modrić. Dies, weil der französische DJ Martin Solveig die gekürte Fussballerin Ada Hegerberg fragte, ob sie twerken könne. Twerken ist ein Tanzstil, bei dem vornehmlich Tänzerinnen sehr explizit ihre Hüften schütteln und kreisen lassen.

«Dank der Physio fing ich an, vor dem Spiegel Bauchtanz zu üben.»

Damit war der Shitstorm natürlich angerichtet. Der Tagesanzeiger reagierte humorvoll und stellte Nino Schurter, Beat Feuz, Elia Zurbriggen, Kevin Mbabu und Co. bei den Swiss Sports Awards Fragen, die sonst nur Frauen gestellt werden. Auch, ob sie twerken könnten. Die Skifahrer kannten den Begriff nicht, der Radfahrer sagte, er könne es nicht, und Mbabu meinte: «Ja, aber nicht hier.»

Ich war vor einem Jahr schon in der Physiotherapie und Osteopathie für meine Schulter. Die Therapeutin befand, die Probleme lägen tiefer, vor allem in der Hüfte, die blockiert und verschoben sei. Sie deblockierte und richtete sie mit einigem Murksen. Als ich nach Hause spazierte, erwartete ich Pfiffe, so lasziv erschien mir mein gelockerter Hüftschwung.

Ich merkte, dass die Übungen, die ich machen sollte, allesamt im Bauchtanz enthalten sind. Deshalb fing ich an, vor dem Badezimmerspiegel Bauchtanz zu üben. Ich lernte mit Youtube-Instruktionsvideos aber auch die Grundschritte des Cha-Cha-Cha, ein bisschen Rumba und Salsa. Jetzt bin ich noch einmal bei derselben Therapeutin. Sie lobte mein Tanztraining und meinte, die Hüfte kreise viel lockerer als vor einem Jahr. Ich solle jetzt aber auch noch die Vorwärts- und Rückwärtsbewegungsfreiheit verbessern.

Die Hüfte ist zentral für die Stabilität von Ober- und Unterkörper, für die Durchblutung der Organe oder für die Verdauung. Seit einer Woche übe ich mich deshalb im Twerken. Gerade Profisportlern, Frauen wie Männern, würde ich den Tanz ebenfalls sehr empfehlen. Es wäre ein Beitrag zum sportlichen Erfolg und gegen den Sexismus.

Kontaktieren Sie unseren Autor zum Thema: redaktion@linthzeitung.ch

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