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Der löchrige Hügelzug

Kolumnist Martin Mühlegg ist viel im Linthgebiet unterwegs und hält dabei Augen und Ohren offen. So entdeckt er immer wieder interessante Gegenstände, die er in seiner Kolumne vorstellt.

Linth-Zeitung
28.11.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Der löchrige Hügelzug
Mitten in den Bäumen offenbart sich ein Loch.
MARTIN MÜHLEGG

von Martin Mühlegg

Der bewaldete Hügelzug zwischen Bollingen und Wagen ist ein attraktives Naherholungsgebiet. Er lässt sich auf etlichen Kiespisten, Wanderwegen und Pfaden erkunden. Wer diese Wege verlässt, sollte sich in Acht nehmen. Das Gelände ist nämlich so löchrig wie ein Emmentalerkäse.

Die tiefsten Löcher befinden sich bei Wurmsbach am westlichen Ende des Oberwaldes (Sandsteinbruch der Firma Kuster) und bei Brand südlich von Eschenbach. Letzteres ist 40 Meter tief und von senkrechten Wänden umgeben. Es ist der Sandsteinbruch der Firma Müller. Die beiden grossen Löcher sind von hohen Zäunen umgeben.

Gefährlicher sind die nicht mehr bewirtschafteten Steinbrüche. Bei der Risi und bei Tschuppis oberhalb des Dorfes Bollingen gibt es keine Zäune. Aber auch dort geht es jäh in die Tiefe, einige der senkrechten Wände sind über zehn Meter hoch. In einigen dieser Löcher haben sich kleine Seen gebildet. Weitere alte Steinbrüche – und damit auch grosse Löcher – gibt es beim Moos (Passhöhe) und im Weierriet (in der Nähe der Helbling-Werft).

Bollinger Sandsteine sind seit Jahrhunderten sehr beliebt. Erstmals schriftlich bezeugt wurden die Steinbrüche im Jahr 1259. Grabungen weisen darauf hin, dass schon die Römer diesen natürlichen Baustoff gewonnen haben. Ihre Blütezeit hatten die Steinbrüche im 19. Jahrhundert, als die Städte in der Umgebung schnell wuchsen.

Die bekanntesten Gebäude aus Bollinger Sandstein sind das Zürcher Fraumünster, das Zürcher Stadthaus, der CS-Hauptsitz am Paradeplatz und die Stiftskirche St. Gallen. Auch in den Ortschaften am Obersee bestehen unzählige Häuser aus dem Sandstein. Am auffälligsten sind die Sockelsteine und Fenstereinrahmungen, die man an vielen Bauten in der Rapperswiler Altstadt oder im Uzner Städtchen sieht.

Der Bollinger Sandstein war begehrt, weil er gut an seine Bestimmungsorte verschifft werden konnte – und vor allem, weil er von besonderer Qualität ist. Er hat eine schöne blaugraue Farbe und ist sehr resistent. Im Gegensatz zu vielen anderen Sandsteinen (es gibt sie auf der ganzen Welt) hat er keine Lagerschichten und ist damit sehr wetterbeständig. Blöcke mit Einschlüssen – «Gallen» oder «Mergel» genannt – müssen jedoch von den Steinmetzen aussortiert werden. Sobald es nass wird, zerfallen diese Einschlüsse.

Die Steine in den Wäldern zwischen Wagen und Bollingen erzählen weitere Geschichten. Zum Beispiel lässt sich an Ritzen und Furchen erkennen, dass hier bis vor hundert Jahren auch im Kleinen Steine abgebaut wurden. Die Spuren auf den Steinen weisen auf starke Männer hin, die hier ihre Pickel geschwungen haben – manche von ihnen werden Hunderte von Hieben ausgeführt haben, bis sie einen Block freigespitzt hatten.

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