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Die Herkunft von Milch, Fleisch und Eiern hautnah bestaunen

Andy Raimann bietet neuerdings auf seinem Bio-Hof in Goldingen Stallvisiten an. Interessierte können dabei mit den Tieren auf Tuchfühlung gehen und einiges über die Lebensmittelproduktion erfahren.

Linth-Zeitung
24.11.18 - 04:31 Uhr
Leben & Freizeit

von Barbara Schirmer

Die Stalltüre öffnet sich. Zum Vorschein kommt eine schwarze Nase. Dann geht es blitzschnell. Ein gehörnter Kopf folgt und schon hüpfen zwei Walliser Schwarznasenschafe dicht hintereinander an den Besuchern vorbei. Beide stürmen sie Richtung Weide. Den Weg kennen sie längst. Jetzt taucht auch Landwirt Andy Raimann auf. Er folgt den übermütigen Schafen hinterher und verschliesst die Weide mit dem Elektrozaun. «Das sind unserer Haustiere», erklärt er mit einem Augenzwinkern. Das Augenzwinkern, da Haustier nicht ganz korrekt ist. Schliesslich wohnen die Schafe im Stall bei den Kühen und Kälbern. Was Andy Raimann damit sagen möchte, ist, dass die Schafe auf seinem Biohof in Goldingen aus reiner Freude gehalten werden. Es handelt sich nämlich um zwei kastrierte Herren, die wegen kleinerer Mängel an ihrem Erscheinungsbild nicht für die Weiterzucht in Frage kommen. Tochter Zoe habe sie als Mitbringsel ihrer Lehrzeit auf den Hof gebracht.

Wenn der Landwirt so erzählt, wird schnell klar, dass er gerne mit Menschen redet, ihnen gerne seinen Beruf und sein Gedankengut näher bringt. Es liegt daher auf der Hand, dass sich die Bauernfamilie für das Angebot Stallvisite entschieden hat.

Bei Stallvisiten können interessierte Menschen kostenlos und hautnah die Herkunft von Milch, Fleisch und Eiern bestaunen und dabei einiges über die Nahrungsmittelproduktion erfahren. Das Angebot wurde vom Schweizer Bauernverband lanciert. Die Raimanns sind dabei längst nicht die Einzigen, die mitmachen. In der Schweiz laden insgesamt über 300 Bauernhöfe dazu ein, das Zuhause von Frau Kuh und Co. zu entdecken.

Die Lage des Hofes in Tann ob Goldingen bietet sich dafür regelrecht an. Von allen Seiten führen Wanderwege direkt an der Stalltüre vorbei. Ob als Fussgänger via Höhenweg von der Klinik Wald her oder als Velofahrer auf dem Herzroutenweg, der vom Bodensee bis nach Genf führt – sie alle passieren Raimanns Hofplatz.

Der Christbaum im Wald

Andy Raimann erzählt, dass auch vor dem Mitwirken beim Angebot Stallvisite immer mal wieder interessierte Spaziergänger und Wanderer einen Blick in den Stall erhaschten. Ihr Augenmerk fiel dabei meist zuerst auf die Kälber, die auf der Wiese davor weiden. Auch jetzt befindet sich der Kuhnachwuchs draussen, geniesst das letzte Herbstgras. Wer zu dieser Zeit einen Stallrundgang macht, der findet keine Tiere darin vor. Wann immer möglich, lässt der Landwirt seine Tiere nach draussen, damit sie genügend Bewegung haben und einen Teil ihres Futters dort aufnehmen können. Grundsätzlich nutzt er nur jenes Futter, das auf seinem Hof wächst. Von Kraftfutterzukäufen hält er nichts. «Wir müssen mit dem arbeiten, was die Natur uns zur Verfügung stellt», so seine Überzeugung.

Mit dem Anschluss an das offizielle Angebot Stallvisite erhielten die Raimanns eine Tafel, welche den Besuchern die wichtigsten Grundregeln im Zusammenhang mit den Tieren auf dem Hof erklärt. Unmittelbar neben der Tafel bietet der Landwirt Prospekte an. Darunter ist auch eine Einladungskarte zu einer Adventsausstellung. «Dieses Blumengeschäft habe ich mit Christbäumen beliefert», erklärt Raimann. Eine Gärtnerei versorge er mit Zapfenästen. Dafür klettert der Landwirt, einem Eichhörnchen gleich, auf die Bäume und sägt die wertvollen Äste ab. Nur einmal habe er den Baum vorher gefällt. «Ich dachte, so sei es einfacher», erzählt er schmunzelnd. Doch dann stellte er fest, dass durch den Fall des Baumes die Zapfen nicht mehr an den Ästen hielten. Seither setzt er auf die Methode Eichhörnchen.

Melkt Tochter Zoe, dröhnt Musik aus den Lautsprechern. Ist Vater Andy am Werk, ist die Akustik ruhiger.

Die Frage, wo sich denn seine Christbaumkultur befinde, beantwortet er lachend: «Im Wald! Meine Bäume sind nicht perfekt. Die haben da mal weniger Äste und dort mal zwei Spitzen. Doch das stört meine Kundschaft nicht. Im Gegenteil, sie wünscht sogar ganz explizit einen natürlichen Baum, der ohne Spritzmittel gewachsen ist.» Er nehme immer Jungwuchsbäume, die ausgelichtet werden müssen. Er könne ja nicht alle Fichten stehen lassen. «Der Wald muss gepflegt werden», sagt er.

Nebenerwerb Holz

Es liegt daher auf der Hand, dass Raimann, sobald es die Vegetation zulässt, mit der Motorsäge und Schnittschutzhosen ausgerüstet, in den Wald zieht, um Bäume zu fällen. Das Holz dient im Winter dazu, das Bauernhaus zu beheizen. Zusätzlich verkauft die Familie Brennholz an private Kundschaft.

Andy Raimann bietet aber auch Gartenpflege an. Dabei schneidet er in Privatgärten Stauden und Hecken zurück und sägt zu gross gewordene Bäume um. Im Winter ist der Landwirt auf dem Schneepflug im Einsatz. Sobald sich die weisse Pracht über das Goldingertal legt, zieht er mit seinem Traktor los und macht Strassen wieder passierbar.

All das geht nur, da seine Frau, Susan Raimann, aktiv auf dem Hof mithilft. Einige Arbeiten übernimmt sie fix. So sei sie die Hauptarbeitskraft an der Spaltmaschine. Aktuell ist auch Tochter Zoe eingestellt. Sie ist gelernte Landwirtin und hat diesen Sommer ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen. Nun überbrückt sie die Zeit bis zum Wintersaisonanfang daheim.

Zoe Raimann findet es gut, dass ihre Eltern beim Angebot Stallvisite mitmachen. Sie sieht die Notwendigkeit, den Mitmenschen die Landwirtschaft näher zu bringen. «Die Leute müssen sehen, wie und wo wir unserer Lebensmittel produzieren», gibt sie zu bedenken. Trotzdem ist sie froh, wenn ihr Vater den Lead bei der Stallvisite übernimmt. Sie wirkt lieber für sich irgendwo auf dem Hof. Diesen Sommer hätten sie viele Weiden gesäubert, alte Zäune durch neue ersetzt und natürlich das Heu für den Winter geerntet. Am liebsten arbeite sie aber im Stall bei den Tieren: «Beim Melken kann ich herunterfahren und meine Gedanken bündeln.»

Kühe mit Hörnern

Kommen Stallvisiten-Besucher zur Melkzeit, ist einfach zu erraten, wer von den Raimanns gerade am Wirken ist. Melkt Tochter Zoe, dröhnt nämlich Musik aus den Lautsprechern. Ist Vater Andy am Werk, ist die Akustik ruhiger. Dann sind die typischen Stallgeräusche zu vernehmen. Das Surren der Melkmaschine, Fressgeräusche und hin und wieder ein Kuhhorn, das eine Metallstange touchiert. Denn Raimanns Kühe tragen Horn, ganz bewusst. Bei der Anbindehaltung, welche er in seinem Stall eingerichtet hat, sei das problemlos, betont er.

Noch ist die Stallvisite bei der Familie Raimann nicht beendet. Denn da sind auch die gut 80 Legehennen. Ganz nach dem Motto der Bauernfamilie scharren sie zurzeit noch munter im Freien. Die Eier werden alle direkt verkauft. Dazu begibt sich Susan Raimann zweimal in der Woche auf die Eier-Tour. «Wir können nicht erwarten, dass die Kundschaft bis zu uns hochkommt. Dazu wohnen wir zu abgelegen», sagt Andy Raimann. Dafür geniessen aktuell die Wanderer und Spaziergänger in aller Ruhe, weit weg vom Strassenlärm, einen Herbstmarsch auf einer der beschilderten Routen vom Zürcher Oberland ins Goldingertal. Wer weiss, vielleicht legen sie auch eine Stallvisite bei der Familie Raimann ein.

Unsere Bauern im Wechsel der Jahreszeiten – November
Die Arbeit der Landwirte in der Region ist oft stark mit der jeweiligen Jahreszeit verbunden. So gewährt die «Linth-Zeitung» einmal im Monat Einblick in einen Landwirtschaftsbetrieb. Auf seinem Bio-Hof in Tann ob Goldingen beschäftigen Andy Raimann im Hinblick auf die nahenden Festtage auch Christbäume und Zapfenäste. Die Hauptarbeit machen aber die Tiere aus, und dies das ganze Jahr. Wer möchte, kann im Rahmen der Stallvisite bei dieser Arbeit jederzeit zuschauen.

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