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Als im Fontana drei Herztöne gleichzeitig zu hören waren

Die ersten Drillinge, die im Fontana in Chur zur Welt gekommen sind, haben kürzlich ihren 70. Geburtstag gefeiert. Die Beziehung zwischen Jonas, Margrith und Paul Tscharner ist auch heute noch eine besondere.

Südostschweiz
04.11.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Aller guten Dinge sind drei: Die Drillinge Jonas (unten links), Margrith und Paul sind vor 70 Jahren im Fontana geboren.
Aller guten Dinge sind drei: Die Drillinge Jonas (unten links), Margrith und Paul sind vor 70 Jahren im Fontana geboren.
PRESSEBILD

von Daria Joos

Sie waren bei ihrer Geburt am 30. Oktober 1948 eine kleine Sensation: Margrith, Jonas und Paul Tscharner, die ersten Drillinge, die in der Frauenklinik Fontana in Chur geboren wurden. «Wie wir hören, wurden in der Fontana, dem kantonalen Frauenspital, Drillinge geboren. Kinder und Mutter sind gesund und munter», war in der «Neuen Bündner Zeitung» damals zu lesen.

Zwei Töchter sind genug

In der Zeit vor der modernen Ultraschalltechnik waren Mehrlingsschwangerschaften oft eine Überraschung. So auch für Katharina Tscharner, Bäuerin aus Scheid. «Mama hat das lange nicht gewusst», sagt Jonas Tscharner. Der Arzt habe mehrere Herztöne gehört, aber erst in einer späten Phase der Schwangerschaft habe man beim Röntgen die Drillingsschwangerschaft entdeckt. «Papa hatte einen Schock», weiss Margrith aus Erzählungen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Eltern Katharina und Luzi Tscharner nämlich bereits zwei Töchter. «Papa sagte zu Mama, dass zwei Mädchen reichen würden», so Margrith Tscharner. Laut der Erzählung der Drillinge wollte ihr Vater seine jüngste Tochter der Familienfreundin und Haushaltshilfe Elisabeth Battaglia überlassen, die kinderlos geblieben war. Dagegen habe sich ihre Mutter «dann aber schon gewehrt».

Trotzdem war Elisabeth Battaglia eine wichtige Person im Leben der Tscharner-Drillinge. «Onda Beth» (Romanisch für Tante) wurde sie von den Kindern genannt. Als Bauernfamilie mit einem Hof und fünf Kindern, drei davon im Säuglingsalter, waren die Tscharners auf Hilfe angewiesen. So kümmerte sich Onda Beth oft um die Drillinge. «Sie hat uns sehr gern gehabt», sagt Margrith. Aber Onda Beth wollte die Drillinge auch vielen Leuten zeigen und vorführen. «Das war für uns nicht immer angenehm.»

Eine andere prägende Erfahrung im Leben als Drilling waren Verwechslungen. Paul und Jonas sahen sich vor allem als Kinder sehr ähnlich. «Wir wurden immer verwechselt», so Paul Tscharner.

«Zu essen hatten wir genug»

Nach den Drillingen kamen noch zwei weitere Buben zur Welt. Dann sass man also schon zu neunt am Tisch. Über die finanzielle Situation ihrer Eltern haben die Kinder wenig mitbekommen. Margrith sagt aber: «Zu essen hatten wir immer genug.» Man habe ihrer Familie allerdings schon geholfen – beispielsweise mit Kleiderspenden.

Viele Kleider machte die Mutter aber auch selber. So auch die Pullover, welche die Tscharner-Drillinge fünf Jahre nach ihrer Geburt bei einer Fotoaufnahme im Fontana trugen. «Daran kann ich mich gut erinnern», sagt Margrith und zeigt auf die vor ihr liegende Fotografie. «Das Muster hat sie mit der Strickmaschine gemacht.» Und sie erinnert sich auch, wie man sie und ihre Brüder vor einen Vorhang stellte und ablichtete.

Kinder als Arbeitskräfte

Als Bauernkinder mussten die Tscharner-Drillinge stets mitanpacken. «Schaffa, schaffa, schaffa», habe es geheissen. Nach der Schule halfen alle Geschwister auf dem Hof mit. Und im Sommer musste jeweils ein Kind ins Avers reisen, um dem Onkel beim Heuen oder im Restaurant zu helfen. Ihren ersten Sommer in Juf verbrachte Margrith, als sie zehn Jahre alt war.

Es war nicht einfach für sie: Romanischsprachig aufgewachsen verstand sie die deutschsprachigen Dorfbewohner nicht. «Und wenn ich etwas nicht verstanden habe, traute ich mich nicht zu fragen.» Ihre Eltern und Geschwister sah sie den ganzen Sommer über nicht – mit wenigen Ausnahmen. «Vielleicht sind die Eltern einmal auf Besuch gekommen», so Margrith.

Grosse Feier zum 70. Geburtstag

Später gründeten Paul, Jonas und Margrith Tscharner alle eigene Familien. Den Hof der Eltern übernahm Paul. Er heiratete für damalige Verhältnisse eher spät. «Damals gab es die Sendung ‹Bauer sucht Frau› halt noch nicht!», sagt Jonas lachend. Den Hof in Scheid gibt es übrigens immer noch: In vierter Generation wird er nun von Pauls Tochter geführt.

Als die Tscharner-Drillinge selbst Kinder hatten, standen sie mehrere Jahre miteinander weniger in Kontakt. Aber nach der Pensionierung hatten sie wieder mehr Zeit füreinander. Nach all dem «schaffa, schaffa, schaffa» sind sie nun «am Gnüssa».

Am Montag sind die Tscharner-Drillinge nun also 70 Jahre alt geworden. Den runden Geburtstag feiern sie dieses Wochenende mit einer Familienzusammenkunft. 60 Namen stehen auf der Gästeliste. Drillinge kommen darauf aber nur ein Mal vor. Und noch etwas ist speziell: «Die Bindung unter uns ist schon fester, als zwischen normalen Geschwistern», sagt Margrith.

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