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An Allerheiligen die Berufung zur Heiligkeit feiern

Heilig werden beginnt mit der Taufe. Allerheiligen eröffnet somit nicht nur den Blick auf die Heiligen, die im Leben vorangegangen sind. Sondern auch darauf, dass man selbst durch Gott zur Heiligkeit berufen ist.

Linth-Zeitung
01.11.18 - 04:34 Uhr
Leben & Freizeit
Christus wäre nicht zum Christus geworden ohne die Schuld anderer.
Christus wäre nicht zum Christus geworden ohne die Schuld anderer.
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von Abt Emmanuel Rutz, Kloster St. Otmarsberg, Uznach

Das Hochfest Allerheiligen, das die Kirche im Westen am 1. November feiert, möchte einerseits ein Blick auf Heilige sein, die uns im Leben vorangegangen sind, andererseits aber auch mich auf mein Leben blicken lassen, über das Christus in der Taufe den mir ganz persönlichen Ruf zugesprochen hat: «Auch du bist zur Heiligkeit berufen!» Und dieser Ruf ereilt uns jeden Tag von Neuem. Einmal, an Allerheiligen, sind wir nicht bloss daran erinnert, sondern eingeladen, diese Berufung miteinander zu feiern.

Berufen zur Heiligkeit

Der heilige Benedikt warnt die Brüder in seiner Regel vor einem überspitzten Zugang zur eigenen Heiligkeit mit den Worten: «Nicht heilig genannt werden wollen, bevor man es ist, sondern es erst sein, um mit Recht so genannt zu werden» (Kp 4,62). Damit schliesst er die Berufung zur Heiligkeit nicht aus. Vielmehr unterstreicht er sie und verbindet dieses Geschenk des Glaubens gekonnt mit der Vernunft.

Heilig werden ist ein Prozess. Das Fundament ist die heilige Taufe; darauf aufbauend das gelebte Leben, das gelebte Christsein! Und dazu gehören Handlungen der Liebe, des Verschenkens, des Verzeihens, des Ermunterns, aber auch – und seien wir nicht überrascht – unsere Fehler, unser Versagen, unsere Abhängigkeiten, unsere fehlende Eigenliebe und anderes mehr.

In der Osternacht besingt die Kirche im sogenannten Exsultet, dem Lobgesang auf den auferstandenen Christus, die «glückliche Schuld – o felix culpa». So provokativ es sein mag: Christus wäre nicht zum Christus geworden ohne die Schuld anderer! Aber Christus ist gerade auch deshalb der Urgrund dafür, dass wir durch unsere eigene Schuld und die Schuld anderer dennoch zur Heiligkeit berufen sind! Ist somit Allerheiligen nicht zugleich tief provokativ oder überfordernd und ebenso tief ergreifend und eindringend in das, wozu wir als Menschen berufen sind?

«Was nervt, ist die Fehlerkultur»

Nationalrat Marcel Dobler sagte einmal: «Was mich nervt, ist unsere Fehlkultur.» Seine Worte analysieren nicht nur sehr treffend unsere aktuelle Gesellschaft, sondern sprechen vielleicht auch davon, wie wir mit dem Ruf zur Heiligkeit umgehen. Denn als Teil dieser Gesellschaft und auch als getaufte Christen meinen wir, perfekt sein zu müssen! Dieser Drang nach Perfektionismus kann bereits bei den Kleinkindern beginnen und geht hinein bis in unser Herz beziehungsweise in unsere Seele. «Nein, ich bin niemals zur Heiligkeit berufen!» «Und mein Nachbar, meine Arbeitskollegin, die Politikerin oder dieser Kirchenmann schon gar nicht!» Ja, wir finden bei uns und bei allen anderen Fehler und Macken. Aber beim «Ruf zur Heiligkeit» beziehungsweise beim «Fest Allerheiligen» geht es nicht um Perfektionismus. Vielmehr geht es darum, meine Genialität, meinen christlichen Glauben, meine Abgründe, meinen Unglauben, mein Versagen von Jesus Christus in Einklang bringen zu lassen.

Eingeladen

Papst Franziskus schrieb neulich im Apostolischen Schreiben «Gaudete et exsultate», das den Ruf zur Heiligkeit zum Thema hat: «Es soll hier nicht um eine Abhandlung über die Heiligkeit gehen (…). Mein bescheidenes Ziel ist es, den Ruf zur Heiligkeit einmal mehr zum Klingen zu bringen und zu versuchen, ihn im gegenwärtigen Kontext mit seinen Risiken, Herausforderungen und Chancen Gestalt annehmen zu lassen. Denn der Herr hat jeden von uns erwählt, damit wir in der Liebe ‹heilig und untadelig leben vor ihm› (Eph 1,4).» Möge der Festtag Allerheiligen dazu beitragen können!

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