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Blick zurück: «Für Porzellan hatten wir das Geld nicht»

Beim ersten Erzählcafé entdecken vier Seniorinnen und ihre Begleitpersonen aus dem Alterszentrum Schwanden die Räume des Freulerpalasts. Beim Rundgang werden Erinnerungen an die eigene Jugend wach.

Südostschweiz
26.10.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die Teilnehmerinnen betrachten unter der Führung von Danièle Florence Perrin (links) die «Glarner Schätze».
Die Teilnehmerinnen betrachten unter der Führung von Danièle Florence Perrin (links) die «Glarner Schätze».
NATASHA LANZ

von Natasha Lanz

Vier Seniorinnen stehen um eine grosse Vitrine herum. «Wir hatten auch so einen in der Küche», erzählt eine der Damen und deutet auf einen Kupfertopf in der Vitrine. Nur ist dieser etwa so gross wie ein Finger und steht in einer Puppenstube. Die vier Damen sind Teilnehmerinnen eines Pilotprojektes des Museums des Landes Glarus im Freulerpalast in Näfels: ein Erzählcafé. Die Seniorinnen aus dem Alterszenrum Schwanden wurden am Mittwoch durch den Freulerpalast und die Sonderausstellung «Glarner Schätze» geführt und anschliessend mit Kaffee und Kuchen versorgt. Dabei soll ein Dialog entstehen.

Bei verschiedenen Objekten und Vitrinen bleibt die kleine Gruppe stehen und beginnt zu reden. Angeregt werden sie oft durch Danièle Florence Perrin, die Leiterin von Bildung und Vermittlung im Freulerpalast. «Hatte jemand solche Puppen?», fragt sie, und deutet auf die hübschen Porzellanpuppen in der Vitrine. Von den anwesenden Teilnehmerinnen nickt keine. «Ich hatte eine gestrickte Puppe», erwähnt Patricia Sigel. Sie arbeitet im Alterszentrum Schwanden und begleitete die Gruppe. «Für Porzellan hatten wir das Geld nicht», stimmt ihr darauf eine der Seniorinnen zu.

Fahrstuhllos durch den Palast

Angemeldet für den Anlass waren eigentlich 20 Bewohner des Alterszentrums. Dass aber nicht alle mitkommen, war zu erwarten: «Manchmal sind die Bewohner einfach nicht fit genug oder haben einen schlechten Tag», erklärt Sigel. Arm in Arm laufen die anwesenden Seniorinnen miteinander oder mit einer der drei Begleitpersonen durch das Museum. Treppen erweisen sich als schwierig. «Einen Fahrstuhl gibt es leider erst in zwei Jahren», entschuldigt sich Perrin. «Wenn aber jemand mit Rollstuhl mitgekommen wäre, hätten wir Leute organisiert, um sie wie in einer Sänfte raufzutragen», fügt sie schmunzelnd hinzu.

Die Führung geht durch einige Räume des Palastes. Kurz erklärt Perrin die Geschichte von Kaspar Freuler. Die Teilnehmer zeigen sich überrascht, dass Freuler selbst nie in dem Haus gewohnt hat. Sie vergleichen die Räume und vor allem die imposanten Kachelöfen, mit ihren eigenen. «Unserer war nicht so schön», ist einer der Kommentare zu den Zeichnungen auf den Öfen.

Objekte inspirieren Geschichten

Viel Zeit verbrachten die Teilnehmerinnen in der Ausstellung «Glarner Schätze», wo Sammler ihre Stücke präsentieren. «Ich habe Märchenbücher gesammelt», erzählt Elsie Knobel. Die 70-Jährige lebt in einer Alterswohnung, isst aber im Alterszentrum. «Ich finde die Puppenstuben hier schön, hatte selbst aber nie eine.» Bei einem Coiffeurstuhl in Form eines Pferdekopfes bleiben sie stehen. Perrin gibt den Auftrag, Geschichten dazu zu erfinden. «Der stand an einem Küchentisch, damit das Kind nicht vom Stuhl rutscht», mutmasst eine Teilnehmerin. Angeregt durch den Pferdekopf, erzählt eine andere vom Bauernhof, auf dem sie aufwuchs.

«Der Pilotversuch war ein Erfolg», sagt Danièle Florence Perrin am Ende des Rundgangs bei Kaffee und Kuchen. Sie erfreute sich daran, dass die Teilnehmerinnen so ins Reden gekommen sind. «Es ist eine Möglichkeit, via die Museumsobjekte in der eigenen Biografie zurückzugehen.»

In der beginnenden Museumssaison werden noch mehr solche Erzählcafés als Bildungs- und Vermittlungsangebot veranstaltet werden. «Wir fragen bei Alterszentren an, oder diese können sich melden, wenn sie Interesse daran haben.»

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