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Wie aus fünf Monaten Hilfseinsatz vier Jahre in Brasilien werden

Die Geschichte von Karin Eggenberger beginnt, wie die von vielen Maturanden. Doch eine solche Entwicklung, wie bei der jungen Bündnerin aus Muldain, ist sicher die Ausnahme. Eine Ausnahme, die vier Jahre später ihr ganzes Leben verändert hat.

Südostschweiz
11.09.18 - 16:56 Uhr
Leben & Freizeit
RSO

Nach der Matura ein Zwischenjahr einlegen, etwas in der Welt herum gondeln, dabei vielleicht einen Freiwilligeneinsatz leisten und Gutes tun – klingt nach einem ganz normalen Plan für junge Schweizer. So ähnlich dachte sich das wohl auch Karin Eggenberger aus Muldain.

Ein Einsatz in Honduras, wo sie während ihrer Kantizeit schon zweimal in einer Nicht-Regierungs-Organisation war, war geplant – inklusive dem Aufbau eines eigenen Hilfswerkes. Statt in Honduras landete Eggenberger in Brasilien, wo sie einen Einsatz beim Kinderhilfswerk Arco in Sao Paulo leistete.

Wie aus Pech Glück wird

Fünf Monate sollte dieser dauern. Das ist inzwischen vier Jahre her und die junge Bündnerin lebt noch immer in Sao Paulo im Stadtviertel Jardim Angela. Wie viel Zufall, Glück, Pech oder Schicksal bei diesem doch ungewöhnlichen Weg mit im Spiel waren, erzählte Eggenberger der RSO-Moderatorin Annina Good.

Eigentlich wollte Eggenberger nämlich nach den fünf Monaten beim Kinderhilfswerk Arco nach Honduras weiterreisen. Dafür fehlte ihr aber die Gelbfieber-Impfung und so blieb sie in Sao Paulo hängen – bis heute.

Derzeit ist die Bündnerin gerade in der Schweiz, um zu arbeiten und Geld zu verdienen. Hier zu bleiben kommt aber nicht in Frage. «Ich habe mich in die Menschen in Sao Paulo verliebt», sagte sie, «man sagt ja, man verliebe sich in ein Land. Aber eigentlich sind es die Menschen in die man sich verleibt, in ihr denken, ihr handeln. Das ist es was mich dort hält.»

Wenn es einsam wird

Die Brasilianer seien (Über)Lebenskünstler, immer positiv und immer dankbar dafür was sie hätten, beschreibt es Eggenberger. Diese Zufriedenheit, auch ohne viel Materielles, fehle ihr hier in der Schweiz sehr.

Doch die Unterschiede zwischen ihr als Schweizerin, ihrem Hintergrund, ihren Werten und der Bildung, und der Art der Brasilianer machen sie auch manchmal einsam. Gerade Situationen, die sie als schwierig empfinde, müsse sie alleine verarbeiten, weil die Menschen dort das anders sehen und wahrnehmen.

«Das macht es sehr schwierig, gewisse Dinge zu verarbeiten», erklärt Eggenberger, «Manches ist normal geworden, und es ist schockierend, dass das so ist, aber du findest niemanden, um dich darüber auszutauschen.»

Das Glück, das sind die Menschen

Auf der anderen Seite, sind es aber eben auch die Menschen, die extrem wichtig für sie seien und denen sie die schönsten Erfahrungen verdanke: 

«Ich habe einmal bei einer alleinerziehenden Mutter und ihren sechs Kinder gelebt. Der Jüngste war gerade sieben Monate alt, und er hat mich von Anfang an quasi als sein Mami behandelt. Wenn er in der Nacht nicht schlafen konnte oder erwacht ist, kam er zu mir und war überall immer mit mir zusammen. Inzwischen wohne ich nicht mehr dort, aber als vor kurzem eine Kollegin aus der Schweiz da war, haben wir sie besucht und er fragte: ‹Wie redet ihr miteinander?› Ich sagte, wir reden Deutsch, das hast du auch mal verstanden, ich habe mit dir immer Schweizerdeutsch gesprochen. Darauf meinte er: ‹Ja, du warst auch mal mein Mami.»

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