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Jolly: «Das meiste habe ich selber gemacht»

Manöel Jolly aus Weesen liebt seinen kleinen Rennwagen. Und obwohl er während eines Rennens eine persönliche Tragödie erlebte, würde er sein Schmuckstück nie verkaufen.

Jérôme
Stern
13.05.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Manöel Jolly pflegt und repariert seinen Amilcar aus dem Jahr 1927 eigenhändig.
Manöel Jolly pflegt und repariert seinen Amilcar aus dem Jahr 1927 eigenhändig.
JÉRÔME STERN

Manöel Jolly, wie lautet die genaue Bezeichnung für Ihr Schmuckstück?

Das ist ein Amilcar CGSS aus Frankreich. Die Firma begann anfangs der Zwanzigerjahre mit der Produktion sogenannter Cycle-Cars, das waren kleine Autos, die im Herkunftsland steuerlich begünstigt waren.

Wo haben Sie dieses Auto gefunden?

In einem Museum in Südfrankreich. Es war nicht mehr fahrtauglich. Nachdem ich das Auto 1990 gekauft hatte, musste ich es komplett restaurieren. Das meiste habe ich selber gemacht.

Was hat das Auto gekostet?

Es war sehr günstig.

Fuhren solche Amilcar in den Zwanzigerjahren Rennen?

Man konnte ihn sowohl als Sportauto auf der Strasse wie auch auf Rennstrecken einsetzen. Das Vorgängermodell fuhr bei den 24 Stunden von Le Mans mit.

War das Auto in seiner Klasse erfolgreich?

Anfangs waren sie erfolgreich. Aber dann kam mit der Marke Salmson ein übermächtiger Konkurrent. Deren Autos waren dem Amilcar motorisch überlegen. Als Revanche brachte Amilcar schliesslich ein reines Rennauto mit neuem Motor heraus. Dieses konnte fünf Geschwindigkeitsweltrekorde erringen.

Wieso habe Sie das Auto «Spirit of Yvette» getauft?

Dahinter steckt eine traurige Geschichte: Meine Frau Yvette und ich fuhren mit dem Amilcar bei vielen internationalen Oldtimer-Rallys erfolgreich mit. Yvette war eine sehr engagierte Kopilotin. Bei einem Bergrennen in den Dolomiten fuhren wir bergauf, ein Radfahrer kam uns entgegen. Er fuhr mit über 70 km/h, verlor in einer Kurve die Kontrolle und stiess mit uns zusammen. Er prallte auf meine Frau. Sie war auf der Stelle tot.

Trotzdem haben Sie beschlossen, weiterhin an Rallys zu fahren?

Ich habe einige Tage nachgedacht. Schliesslich habe ich mich entschieden: Wir machen weiter.

Heute fährt wieder eine Frau als Kopilotin mit.

Ja, vor fünf Jahren fragte ich meine Enkelin, ob sie bereit ist, den Platz ihrer Grossmutter einzunehmen. Sie sagte sofort Ja. Und sie macht ihre Aufgabe sehr gut.

Wie anspruchsvoll sind die Aufgaben einer Kopilotin?

Sehr. Wir fahren ja nicht auf Geschwindigkeit, sondern müssen vorgegebene Zeiten einhalten. Aufgabe der Kopilotin ist es, diese Zeiten auf die Hundertstelsekunde zu kontrollieren.

In Ihrer Familie gibt es noch weitere Amilcars?

Ja. Mein Sohn Philipp fährt dasselbe Modell wie ich, und wir haben noch einen Amilcar-Lieferwagen.

Würden Sie den Amilcar jemals verkaufen?

Nein. Solange ich lebe, bleibt er in der Familie. In Argentinien machte mir ein sehr wohlhabender Mann mehrere äusserst verlockende Angebote. Ich habe ihm geantwortet, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann. Damit musste er sich schliesslich abfinden.

Der schnelle Gartenarchitekt
Manöel Jolly wurde 1943 in Belgien geboren. In die Schweiz kam er nach seinem Hochschulabschluss 1966. Bei der Firma Beglinger absolvierte er ein Praktikum als Gartenarchitekt. In dieser Firma arbeitet er bis zu seiner Pensionierung vor zehn Jahren. Seine Leidenschaft für historische Autos begann im Kindesalter, da schon sein Vater alte Rennautos fuhr. In Weesen wohnt er seit 1971. Dort pflegt er auch eine kleine Sammlung von alten Sportwagen. Manöel Jolly hat zwei Söhne und drei Enkelinnen.

Jedes Wochenende stellen hier mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten aus der Region ihren Lieblingsgegenstand – sozusagen ihr Schmuckstück – vor.

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