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Aalglatt, wieselflink und pfeilschnell

Aal, Hermelin und Wanderfalke: Sie sind zurzeit die Stars der Schweizer Tierwelt. Höchste Zeit also, den Fisch, das Tier und den Vogel des Jahres 2018 näher vorzustellen.

Marco
Lüthi
24.02.18 - 16:47 Uhr
Leben & Freizeit

Sie leben in total unterschiedlichen Welten. Dennoch haben der Aal, das Hermelin und der Wanderfalke etwas gemeinsam: Alle drei sind seit Kurzem «Preisträger».

Der Schweizerische Fischereiverband kürte den Aal zum «Fisch des Jahres», die Naturschutzorganisation Pro Natura das Hermelin zum «Tier des Jahres» und der Schweizer Vogelschutz den Wanderfalken zum «Vogel des Jahres». Jede Wahl ist natürlich mit einer Botschaft verbunden: Für mehr vernetzte Lebensräume zu sorgen, vor neuen Gefahren zu warnen oder das Aussterben zu verhindern.

So unterschiedlich wie die drei Anliegen der Naturschutzverbände und der Organisation sind ihre diesjährigen tierischen Botschafter. Sie alle sind im Glarnerland heimisch – in einem Fall aber nur noch als Unikum. Gemeinsam mit der Glarner Biologin Monica Marti blickt die «Südostschweiz am Wochenende», Ausgabe Glarus, in die Welt von Aal, Hermelin und Wanderfalke.

Fisch des Jahres

Methusalix lässt sich gemächlich über die Steine am Grund treiben. Der knapp 70 Zentimeter lange Aal schlängelt sich alleine durch das klare, kalte Wasser. Einen Artgenossen hat er schon lange nicht mehr gesehen. Methusalix ist der letzte seiner Art im Glarnerland. «Sozusagen der letzte Mohikaner», meint Andreas Zbinden und lacht. Der kantonale Fischereiaufseher schaut regelmässig nach dem Aal, der in einem Aquarium in der Fischzuchtanstalt Mettlen in Netstal lebt. Aber nicht immer schon. Ursprünglich stammt er aus dem Walensee und ist mittlerweile fast 20 Jahre alt. Wegen seines hohen Alters hat er übrigens auch seinen Namen erhalten, wie Zbinden verrät. Methusalix ist eine Figur aus «Asterix und Obelix» und mit 93 Jahren der Älteste des Gallierdorfes.

Seit einigen Jahren wurden in den Glarner Gewässern keine Aale mehr gesichtet. Von «ausgestorben» ist bislang aber nicht die Rede, wie Biologin Monica Marti erklärt. Man spreche im Augenblick von «verschollen». «Bis eine Art als ausgestorben gilt, dauert es doch relativ lange.» Als vom Aussterben bedroht wird der Aal vom Schweizerischen Fischereiverband trotzdem eingestuft. Vielerorts in der Schweiz trifft der Aal auf unpassierbare Hindernisse, wie etwa Kraftwerkturbinen. So gehörten die Aale bis zur Industrialisierung hierzulande zu den häufigsten Fischen.

Den Ursprung der Aale in Europa wird in der Sargassosee vermutet. Dieses Meeresgebiet im Atlantik liegt östlich von Florida und südlich der Bermudainseln. Die geschlüpften Aale werden von dort vom Golfstrom in Richtung Europa verfrachtet. Nach mindestens sechs Jahren erreichen die Aale die Schweiz. Bis zu 20 Jahre bleiben sie hier, um dann ihren bis zu 6000 Kilometer weiten Weg zurück zu ihrem Ursprung in der Sargassosee anzutreten. Sollte es heute ein Aal dank den vermehrt eingebauten Fischtreppen bis in den Walensee schaffen, wird er dem Glarnerland trotzdem fernbleiben, wie Monica Marti vermutet. «Der Escherkanal ist für Aale wohl zu kalt.» So dürfte also Methusalix der letzte Mohikaner bleiben.

Tier des Jahres

Ausserhalb von Näfels huscht ein kleines, gertenschlankes Tier mit schneeweissem Fell und schwarzer Schwanzspitze über die Wiese. Ein Hermelin, das im Volksmund auch Wiesel genannt wird. Das flinke Weibchen ist auf der Jagd nach einer Wühlmaus, um ihren täglichen Energiebedarf zu decken. Seine Jagdstreifzüge führen es teilweise über mehrere Kilometer. Vor allem in den Wintermonaten braucht es viel Energie, um sich warm und fit zu halten. Bis zu 40 Prozent seines Körpergewichtes muss es täglich erbeuten – was ein bis zwei Mäusen entspricht. Im Durchschnitt ist ein Hermelin 300 Gramm schwer und so lang wie etwa ein Schullineal.

Ein Hermelin-Weibchen frisst im Jahr rund 450 Wühlmäuse – wenn es sechs Junge aufzieht, das Doppelte. «Das freut besonders die Bauern», sagt Monica Marti. Die pummeligen Wühlmäuse richten auf deren Wiesen Schäden an. «Damit sich aber der flinke Mäusejäger auch wohlfühlt und bleibt, braucht er eine Umgebung mit vielen Versteckmöglichkeiten, um vor seinen Feinden sicher zu sein», erklärt Marti. Oder anders gesagt: Für das Hermelin ist die Welt dort in Ordnung, wo etwas «Unordnung» herrscht. Ein Steinhaufen hier, ein ungemähter Wiesenstreifen dort, ein Bächlein oder eine Hecke dazwischen. «Wichtig ist, dass alle diese Kleinstrukturen gut miteinander vernetzt sind», so die Biologin.

Das Hermelin ist keine gefährdete Art. Im Vergleich mit anderen Gebieten in der Schweiz ist es im Kanton Glarus nach wie vor weit verbreitet. Von der Talsole bis oberhalb der Baumgrenze auf 3000 Meter über Meer. Bis im April trägt das Hermelin noch sein schneeweises Winterfell. Danach wechselt der Rücken auf Rotbraun, der Bauch bleibt weiss. Einige Wochen vor dem Fellwechsel endet bei den trächtigen Weibchen die Keimruhe: Den Winter über stoppt die Entwicklung der Embryos. Im Vorfrühling entwickeln sich diese weiter. «Dass Hermelin-Weibchen schon im Winter schwanger sind, ist ein grosser Vorteil», sagt Marti. Dadurch hätten sie schneller Nachwuchs, der den nächsten Winter so eher überleben würde.

Das Wiesel ist aber nicht nur Jäger, sondern auch Gejagter. Seine natürlichen Feinde sind der Fuchs, der Graureiher und die Hauskatze. Sein grösster ist aber wohl der Mensch, der natürliche Landschaftstruckturen entfernt und so dem quirligen Tier den Lebenraum nimmt. Glarner Landwirte, die auf ihren Flächen Hecken, Trockenmauern und Kleinstrukturen fördern, sorgen dafür, dass auch in Zukunft auf Spaziergängen die akrobatischen Kapriolen der Hermeline beobachtet werden können.

Vogel des Jahres

Mit etwas Glück können jetzt über dem Glarnerland vereinzelt rasante Balzflüge beobachtet werden. Mit bis zu 300 Stundenkilometern jagt das Wanderfalken-Männchen durch die Luft. So schnell stürzt es sich aus grosser Höhe mit angewinkelten Flügeln auf darunter fliegende Vögel und packt sie mit den scharfen Krallen. Auf der Jagd im Flachflug nähert er sich seiner Beute von hinten und nutzt den toten Winkel als Überraschungsmoment. Allerdings sind bloss 7 Prozent der Angriffe von Erfolg gekrönt.

Die Beute frisst der Wanderfalke später an einem sicheren Ort. Während der Brutzeit ab Mitte März versorgt er zudem das Weibchen mit Nahrung. Dieses brütet in Nestmulden, die sich meistens in Felsnischen befinden, innerhalb eines Monats drei bis vier Eier aus.

Der Wanderfalke hat einen blaugrauen Rücken und eine helle Unterseite mit dunkler Querbänderung. Seine Kopfplatte ist schwarz, und er hat einen schwarzen Bartstreifen. Mit einer Flügelspannweite von bis zu 1,1 Meter und einer Länge von 40 bis 50 Zentimeter ist der Wanderfalke der grösste einheimische Falke. Zu Hause ist der Wanderfalke auf allen Kontinenten ausser der Antarktis. «Trotz seiner enormen Verbreitung gibt es vielerorts nur wenige von ihm», sagt Biologin Monica Marti. So auch in Glarus. In der Schweiz gehört der Wanderfalke mit 300 Brutpaaren zu den gefährdeten Arten. Umso beeindruckender also, wenn man Zeuge seiner Schnelligkeit wird. Der Wanderfalke ist das schnellste Tier der Welt.

Marco Lüthi ist Redaktor und Produzent bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Mehr Infos

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