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Das Spiel mit den feinen Zügen

Sie nennen sich Klub der feinen Züge, mögen Hirnjogging und philosophieren über die Kraft des einfachen Bauern. Die Mitglieder des Schachklubs Rapperswil rücken ein Jahrhunderte altes Spiel in den Fokus.

Südostschweiz
20.02.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
«Ein ganz cooler Sport»: Die jungen Teilnehmer des Schachklubs Rapperswil geniessen das Spiel – Zug um Zug.
«Ein ganz cooler Sport»: Die jungen Teilnehmer des Schachklubs Rapperswil geniessen das Spiel – Zug um Zug.
MARKUS TIMO RÜEGG

Von Barbara Schirmer

Im ersten Stock der renovierten Scheune an der Kreuzstrasse in Rapperswil brennt Licht. Heute fänden Trainingsspiele statt, versicherte Präsident Markus Rhyner bei der Verabredung. Auf dem Flur ist allerdings kein Mucks zu hören. Unweigerlich stellt sich die Frage, ob sich in diesem Klublokal tatsächlich Kinder im Schachspiel üben? Da plötzlich ruft eine junge Stimme hinter der verschlossenen Türe: «Nein! Schach Matt!» Schon den ganzen Mittwochnachmittag finden hier Schachtrainings für die Kinder und Junioren statt. Am Abend dann beugen die Erwachsenen die Köpfe über die Bretter.

Doch vorerst ist ein Schichtwechsel angesagt. Schachlehrer Hannes Ramsauer verabschiedet jene Geschwister, welche bei ihm die hohe Kunst des Schachspiels lernen. Drei Jugendliche stürmen in den Raum, der Schachlehrer Robert Lechler übernimmt. Einer von ihnen ist David Schlup. Er ist zwölf Jahre alt. «Schach ist ganz ein cooler Sport», erklärt er seine Motivation. Die Grundlagen habe er vom Grossvater gelernt. Ähnlich reden Gerret Donhauser und Clément Lucas-Hirtz. Bei ihnen sind es die Väter, die mit ihnen die ersten Züge spielten.

Eine Million kann Schach spielen

Es sei oft so, dass jemand in der Familie bereits Schach spiele, weiss der Präsident des Klubs, Markus Rhyner. Auffallend viel sind es männliche Bezugspersonen. Die Frauen seien aber stark im Aufwind. Schach ist eine Sportart, die grundsätzlich keine Geschlechterunterteilung kennt. Ob Mann oder Frau, alle begegnen sich auf Augenhöhe. Auch im Alter, wenn es körperlich da und dort knackst und hapert, hält Schach den Geist jung. Rhyner betont: «Für eine spannende Schachpartie ist man nie zu alt.» Er selber habe in der Schule mit dem Schachspiel angefangen. Eine Zeit lang sei er recht aktiv gewesen, dann folgte eine Pause. Einige Jahre später trat der heutige Präsident dem Schachklub bei. «Ich wälze in meiner Freizeit aber keine Schachbücher», erklärt er. Daher sei er auch nur beschränkt gut. Gewinne man trotzdem mal gegen einen starken Spieler, freue das umso mehr.

Rhyners Schachwerdegang spiegelt jenen von vielen wider. Viele Leute, darunter auch Studenten, spielen gerne eine Zeit lang Schach. Dann wird meist irgendwann im Laufe des Erwerbslebens die Zeit knapp und andere Prioritäten dominieren den Tagesrhythmus. Jahre später kommen einige von ihnen zurück und finden die Freude erneut am Spiel. Studien hätten errechnet, dass eine Million Menschen in der Schweiz Schachspielen können, wirft Schachlehrer Lechler ein. Aber nur 5000 seien in einem Klub aktiv.

Schachlehrer Ramsauer gesellt sich zum Gespräch und zählt einige Vorteile auf, welche das Schachspiel mitbringt. Ob in Japan oder in der Schweiz, die Spielregeln seien immer gleich. Auch ganz ohne Sprachverständigung könnten zwei Menschen zusammen Schach spielen. Er ist überzeugt, das Schach auch eine Lebensschule darstellt. Aushalten, wenn man verliert. Nur weil man selber einen Fehler gemacht hat und der andere diesen Fehler zu seinen Gunsten ausnutzt – das müsse man aushalten können. Ramsauer interpretiert aber noch viel tiefsinniger. Im Schach könne die geringste Figur den Sieg erwirken, was durchaus auch aufs Leben übertragen werden dürfe: Auch das Geringste verdiene Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Varianten bringen Abwechslung

Im Klublokal ist nun genug philosophiert. Schachlehrer Lechler steht am Analysenbrett und fordert von seinen Schülern einiges an Denkver mögen. So können diese, geistig fit, am Zürichsee-Jugend-Grandprix antreten. Hier messen sich Jugendliche zur Findung des Zürichsee-Jugendmeisters. Teilweise werden die Jugendlichen auch in die Meisterschafts-Mannschaften der Erwachsenen integriert, um Erfahrungen zu sammeln und sich auf eine Teilnahme an der Stadtmeisterschaft vorzubereiten. Hier geniessen die Klubmitglieder eine ausgiebige Partie Schach. Es wird nach Zeit gespielt. Ganz wie bei den grossen Meisterschaften.

30 Mitglieder zählt der Rapperswiler Schachklub – würden ihn freuen.

Über die Stadtgrenze hinaus nehmen die Klubmitglieder an verschiedenen Turnieren teil. Während die Einzelergebnisse der Partien für die Spielstärke des Spielers gewertet werden, zählen bei Mannschaftswettkämpfen die Ergebnisse zusätzlich für die Rangierung der Klubmannschaft.

100 Jahre Schachklub Rapperswil

Das Schachspiel sei immer wieder von Neuem interessant, versichert Markus Rhyner. Wer möchte, könne auch die Rahmenbedingungen verändern. Bei Blitzturnieren zum Beispiel wird die Zeit sehr knapp bemessen und es muss unter Hochdruck entschieden werden, welcher Zug nun der richtige ist. Auch werde zwischendurch ein Spiel begonnen, bei dem die Figuren nicht in der richtigen Startposition stehen. Da müssen neue Wege und Möglichkeiten gesucht werden, um das Gegenüber in Bedrängnis zu bringen. In den Trainings werden auch Spiele vergangener Meisterschaften analysiert. Was heisst, dass die Partien Schritt für Schritt gemäss Spielprotokoll nachgespielt und mögliche Fehler diskutiert werden. Das sei sehr lehrreich, sind sich alle Anwesenden einig.

Der Schachklub Rapperswil zählt knapp 30 Mitglieder. Da bei den Trainings nicht immer alle anwesend seien, habe man angefangen, sich im nahen Restaurant «Krone» zu treffen. Das sei gemütlicher, erklärt Markus Rhyner. Über neue Schachbegeisterte würde sich der Klub freuen. Diesen Zeitgeist, der es Vereinen nicht einfach macht, die Mitgliederzahl konstant zu halten, spüren auch die Schachspieler. Einschüchtern davon lassen sich Rhyner und sein Team nicht. Im Gegenteil. Sie schauen nach vorne und planen den 100. Geburtstag des Klubs. Im Laufe dieses Jahres ist es so weit. Mit einem grossen Simultan-Turnier und viel Schach wird am 2. Juni gefeiert. Genauere Infos folgen zu einem späteren Zeitpunkt. Doch so viel sei an dieser Stelle verraten: Grossmeister Nico Georgiadis wird auch anwesend sein.

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