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Arzt testete Medikamente an Patienten

In den 1970er-Jahren sind in der Psychiatrischen Klinik in Wil rund 60 Patienten mit nicht zugelassenen Medikamenten behandelt worden. Nun wird geprüft, ob der Fall historisch aufgearbeitet werden soll.

Südostschweiz
31.01.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
In den 1970er-Jahren sind in der Psychiatrischen Klinik in Wil rund 60 Patienten mit nicht zugelassenen Medikamenten behandelt worden.
In den 1970er-Jahren sind in der Psychiatrischen Klinik in Wil rund 60 Patienten mit nicht zugelassenen Medikamenten behandelt worden.
SYMBOLBILD WODICKA

Der österreichische Psychiater Walter Pöldinger habe in Wil zwei Studien mit dem nicht zugelassenen Psychopharmaka Bromperidol durchgeführt, schrieb das «St. Galler Tagblatt» kürzlich.

Pöldinger (1929 bis 2002) war von 1974 bis 1985 Chefarzt der Psychiatrischen Klinik Wil (heute Psychiatrie St. Gallen Nord). Bromperidol, bis heute in der Schweiz nicht zugelassen, wurde zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt.

Aus der publizierten Bromperidol-Studie 1974 von Professor Walter Pöldinger gehe hervor, dass die Anwendungen an den Patienten dem damals gültigen Vorgehen entsprachen, hält die Klinik in einer Stellungnahme fest. Es gebe keine Hinweise, dass bei der Durchführung der Medikamentenstudien damals bestehende Regeln und Gesetze nicht eingehalten wurden. Medikamente würden damals – wie auch heute – erst aufgrund solcher Studien zugelassen.

Keine Studienakten im Archiv

Im Kanton St. Gallen wurden erst 1980 umfassende Patientenrechte gesetzlich verankert. Vorher brauchte es zwar bei Operationen eine Einwilligung der Patienten, nicht aber bei der Verschreibung von Medikamenten. Sowohl die Patienten als auch die Klinik hätten gewusst, dass neue Wirksubstanzen im Rahmen der Studien getestet wurden.

Man habe intern dazu recherchiert, ob die beteiligten Patienten ihr Einverständnis gegeben haben.

Die Studienakten wurden im Archiv aber nicht gefunden. «Wir nehmen an, dass Pöldinger die entsprechenden Akten mitgenommen hat, als er die Klinik 1985 verlassen hat», heisst es in der Stellungnahme weiter.

In den Patientenakten, die noch im Archiv sind, könnte es allenfalls Hinweise auf die Studien haben. Die Klinik will prüfen, ob historische Abklärungen nötig sein werden. Ob das damals zuständige Sanitätsdepartement von diesen Medikamentenversuchen Kenntnis hatte, könne zurzeit nicht beantwortet werden, heisst es beim St. Galler Gesundheitsdepartement auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Die Akten aus dieser Zeit seien dem Staatsarchiv übergeben worden.

Abklärungen, welche Transparenz schaffen können, würden begrüsst. In einem nächsten Schritt werde das Gesundheitsdepartement mit der Psychiatrie St. Gallen Nord und dem Staatsarchiv prüfen, wie vorgegangen werden soll.

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