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Der «Alpsommer» im Winter

Das Tal hat sie wieder, die Zimmermanns. Das ist jene Sennenfamilie, welche die «Südostschweiz am Wochenende» ihren Alpsommer hindurch begleitet hat. Alpserie zum Zwölften und Letzten.

Martin
Meier
15.01.18 - 10:38 Uhr
Leben & Freizeit
Das Älplerleben im Winter: Sennin Rebekka Zimmermann auf einem Spaziergang mit ihren vier Vierbeinern, dem tierischen Teil der Familie.
Das Älplerleben im Winter: Sennin Rebekka Zimmermann auf einem Spaziergang mit ihren vier Vierbeinern, dem tierischen Teil der Familie.
MARTIN MEIER

Max ist «in Mode» gekommen. Der Geissbock setzt jedem Hörner auf, der «seinen» beiden Eseln Cinzia und Anuschka zu nahe kommt. Bei ihnen hat Max dies noch nie getan. Noch nie nicht gekläfft hat auch Hund Leika. Und Älplerin Rebekka? Auch bei ihr ist etwas anders: Sie trägt – ganz ungewohnt – eine lässige Sonnenbrille.

«Es ist richtig warm», strahlt Rebekka mit dem Sonnenschein um die Wette. Sie ist mit ihren vier Vierbeinern auf Flaniertour – und zwar von Rüti dem jungfräulichen Fluss entlang nach Linthal und zurück, samt Cappuccino-Halt bei der Braunwaldbahn-Talstation.

Von der Älplerin zur «Tante Emma»

Die Bergstation kennt die 38-Jährige auch. Nicht etwa als Älplerin, vielmehr als «Tante Emma» – als Mitarbeiterin des Schwettiberg-Lädelis, von wo aus der Blick übers Tal auf die Alp Vorderdurnachal reicht. Auf den Ort, wo im Sommer das gekäst wird, was im Winter hier, im Lädeli in Braunwald, verkauft wird.

Heimweh? Rebekka stellt die Gegenfrage: «Was wett ich etz det hindä?» Alles sei braun von den Lawinen. Und auch die Munggen schlafen.

«Anja geht noch immer gerne zur Schule», erzählt Rebekka. «Marvin geht einfach, obschon er lieber auf der Alp wäre.» Der achtjährige Älplersohn weiss schon genau, was er will.

Sieben Jahre alt ist Anja – genau seit gestern. Da kamen das Grosi und das Gotti zu Besuch. «Das Kinderfest feiern wir dann nächste Woche», verrät Rebekka. Vielleicht sogar an ihrem Geburtstag, der am kommenden Mittwoch ist.

«Was ich den Winter hindurch sonst noch so mache, ausser feiern?» Rebekka überlegt: «Erst einmal aufstehen. Dann schaue ich, dass der Mann und die Kinder aus dem Haus kommen.» Mit Mann meint Rebekka ihren Martin (38), der seine Brötchen ausserhalb der Alpsaison auch im autofreien Braunwald verdient: mit Taxifahren bei Schumitrans. Das Weiss liegt meterhoch. Ununterbrochen schneits weiter. Die Sicht ist gleich null. Wo anderen jetzt der Spass vergeht, fängt er bei Martin erst an. «Das Taxifahren ist für mich alles andere als Schwerarbeit, verglichen mit dem, was ich den Sommer hindurch geleistet habe.» Martin grinst: «Gelaufen bin ich da genug.»

«Auf der Alp konnte ich einfach nur den Schlauch nehmen»

Älpler Martin weiss sich freilich auch im Winter für den Sommer zu beschäftigen – als Holzhackerbueb. So muss frisches Pfahlholz geschlagen werden, «damit der Alpzaun auch hält, was er verspricht.» Im 27 Kilometer langen Hag müssen Jahr für Jahr nahezu 1000 marode Pfosten ersetzt werden.

Das «Schellenursli-Glöggli» verrät ihn. Max hat sich selbstständig gemacht und sieht rot, weil er auf dem Asphalt vor der Braunwaldbahn kein Grün findet, das ohnehin nicht so fein wie auf der Alp schmeckt – nach Kräutern. Rebekka erzählt derweil weiter. «Wo sind wir jetzt stecken geblieben? Ach ja. Bei der Winterarbeit.» Der Haushalt sei halt schon mehr. «Vor allem das Waschen und Putzen.» Rebekka schmunzelt: «Auf der Alp konnte ich halt nur den Wasserschlauch nehmen.»

«Recht warm ists», wiederholt sich Rebekka, die auf der sonnenbeschienenen Bank Platz genommen hat. Das Wetter lässt die Älplerin auch unten im Tal nicht kalt. Einer wünscht ein Selfie zum Verschicken – mit den zwei Eseln. Ein anderer verlädt Skis. «Der muss was mit dem Kessler zu tun haben», schätzt Rebekka. «Wer sonst trägt Bretter ohne Bindungen herum.» Der Mann ist Kessler-Snowboard-Bauer Hansjörg Kessler.

Dafür kennt Rebekka noch alle ihre Alpkühe beim Namen, die bei den Bauern wieder in Reih und Glied im Stall stehen. «Ach ja. Die schönste Arbeit habe ich doch glatt vergessen», lacht Rebekka. «Der ganze Bürokram. Das Abrechnen mit den Bauern, das uns den Lohn gibt.» Für den es sich mitunter wieder lohnt, im Sommer hochzuziehen – auf die Alp Vorderdurchnachtal.

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