Hinter Stillen Mauern
Ein Blick hinter die Klostermauern und auf das Leben der Mönche – die neue Serie der «Glarner Woche».
Ein Blick hinter die Klostermauern und auf das Leben der Mönche – die neue Serie der «Glarner Woche».
von Susanne von Dach
Gemächlich durchquert er den langen Korridor, steigt die steinerne Treppe hinauf. Zu Fuss. Nicht mit dem Lift. So lange, wie ihn die Beine tragen, soll es auch so bleiben, sagt er. Dann steht er kurze Zeit später in seinem Zimmer. Hell und freundlich ist es, das Bett fein säuberlich gemacht, in der Mitte des Raumes stehen zwei Gitarren, auf dem Pult in der Ecke ein Computer, Bilder und Figuren afrikanischer Herkunft zieren die Wände und den Tisch.
Bruder Benedikt ist einer der acht Franziskaner-Ordensbrüder des Klosters Mariaburg, das mitten in Näfels, im alten Dorfteil Burgstock thront. Nachdem vor 347 Jahren die dort einst erbaute Burg abgerissen worden und darauf ein Kloster entstanden war, blieb es vorerst im Besitz des Kapuzinerordens. Später, 1986, haben die Franziskaner Kloster, Gebet und Seelsorge übernommen, nicht aber die damalige Schule. Heute gehört das Kloster der Marien-Stiftung an. Diese sichert dieses alte herrschaftliche Anwesen.
Seit seinem 10. Lebensjahr wusste Bruder Benedikt, dass er sein Leben dem Franziskanerorden weihen wollte, und dies geschah dann auch so. Kürzlich durfte er nun sein beachtliches 65-Jahr-Jubiläum im Dienste der Kirche und als treuer Franziskaner feiern. Heute, im 85. Altersjahr, kann er auf ein reich erfülltes Leben zurückblicken. Zwar stützt ihn, neben seinem tiefen Glauben, ein dunkelbrauner, hölzerner Gehstock, aber noch immer zeigt sich der Ordensbruder vital und weltoffen. Vor drei Jahren wurde er vom Franziskaner Kloster Insel Werd nach Näfels versetzt, und hier, hinter den stillen Mauern, verbringt er nun seinen bereichernden und glücklichen Lebensabend.
Bruder Benedikt lässt den Blick kurz durch sein Zimmer gleiten, dann verlässt er es wieder, begibt sich die Treppe hinunter und bleibt an diesem kühlen Novembermorgen kurz darauf im Klostergarten stehen. Nackt harren Bäume und Sträucher, die bunte Blumenpracht ist längst verblüht. Nur der hauseigene Kräutergarten lädt noch immer, wenn auch mit spärlichem Angebot, zum Bedienen ein. Bruder Benedikt wirkt in sich gekehrt, ganz im Einklang mit der Natur. So sei es, so sei nun mal der Lauf des Lebens, sinniert der Geistliche. Nur die weiss-grauen Kieselsteine knirschen unter den Schritten seiner schweren Schuhe inmitten der Stille des Gartens. «Haus, Friedhof und Gärten pflegen wir selber», erklärt er. «Insgesamt gibt es draussen und drinnen recht viel zu tun. Oft helfen uns dabei Menschen, die bei uns Unterkunft in Anspruch nehmen. Sie bekommen dafür Kost und Logis sowie, wenn nötig, einen bescheidenen Batzen für ihre täglichen Arbeiten. Auch Frauen und Männer, die beispielsweise bedroht werden, finden bei uns in seltenen Fällen in der nahe liegenden Notunterkunft-Stelle Unterschlupf. Wir arbeiten dabei eng mit der Polizei zusammen. Gemeinsam werden dann aktuelle Probleme Schritt für Schritt gelöst, sodass sich für die Betroffenen der Lebensweg kurz- oder langfristig wieder ebnet», erzählt er und sucht fröstelnd wieder Unterschlupf in den wärmenden Räumen des Klosters.
Hinter den stillen Ringmauern tut sich während des ganzen Jahres viel. Oft sind in den verschiedenen freien Zimmern Mitbrüder des Ordens zu Gast. Aber auch Bekannte, oder Leute, die sich nach Ruhe sehnen oder sich in der Stille ihrer tiefen Selbstfindung widmen möchten, dürfen im Kloster mitleben. Möchte sich ein Mensch in jene Stille, ins «Kloster auf Zeit» begeben, darf er zuvor einen Tag am Klosterleben teilhaben. Danach kann er sich entscheiden, für eine unbestimmte Zeit im Kloster zu wohnen.
Der Sinn dabei sei, sich dem täglichen Klosterleben anzuschliessen, an den geregelten Mahlzeiten und den Gebeten teilzunehmen, so Bruder Benedikt. Manche würden einige Tage, andere wiederum ein paar Wochen bleiben. Für Kost und Logis sei dafür ein kleiner, bescheidener finanzieller Beitrag erwünscht, jedoch nicht zwingend nötig. Diese Menschen kämen, erklärt der Franziskaner, aus dem Kanton, aber auch aus der gesamten Schweiz sowie aus der ganzen Welt.
Oft sind es Hilfesuchende, die durch irgendwelche Umstände in Not oder eine seelische Krise geraten seien, die sich an das Kloster wenden. Sie werden angehört und finden hier – bei Bedürfnis – hinter den sicheren Mauern des Klosters Schutz und Geborgenheit. Kriterien brauche der Gast in der Regel nicht zu erfüllen. Religionen und Kulturen, ob gläubig oder Atheist, spielen dabei keine Rolle, genauso wenig wie die Nationalität des Gastes. Man mache keine Unterschiede, so Bruder Benedikt, sie alle werden im grossen Hause wärmstens empfangen und willkommen geheissen.
Die acht Franziskanerbrüder sind ein gut eingespieltes Team, eine kleine Familie. Jeder hat seine täglichen Aufgaben zu bewältigen, verrichtet seine auferlegte Arbeit und erwirbt mit seinem täglichen Job seinen wohlverdienten Lohn. Ältere beziehen ihre AHV, arbeiten weiterhin intern im riesigen Haus. Sie alle bezahlen ihre monatliche Miete, sind für private Auslagen selbst verantwortlich. Eigene finanzielle Besitztümer haben die Ordensbrüder keine, allfällige Spenden fliessen in den Fonds der Marienburg-Stiftung.
Täglich werden Aufgaben verrichtet, von denen die Dorfbewohner rund um die alten Mauern des Klosters Mariaburg meistens kaum etwas ahnen oder erfahren. Die Männer zeigen sich still, bescheiden und ohne Aufsehen. Soziale Dienste, Gassenarbeit und seelischer Beistand in der Bevölkerung sind mehr denn je ein Thema, und die Ordensbrüder sind unermüdlich bestrebt, nach Leibeskräften Gutes zu tun. Während einige Priester Messen abhalten, Gäste betreuen oder im Spital und in Seniorenheimen Besuche machen und seelischen Beistand leisten, sind andere in den umliegenden Dörfern oder in Zürich unterwegs. Dort widmen sie sich den Bedürftigen, nehmen sich den Ärmsten auf der Strasse an, verhelfen ihnen zu warmem Schlafplätzen oder stärkenden Mahlzeiten. Lindernde Gespräche sollen dem Hilfesuchenden Zuversicht und Vertrauen verschaffen. Diese Arbeit hinterlässt oft einfach einen Lichtblick im tristen, hoffnungslosen Alltag, zum Beispiel eines Suchtkranken. Die Zusammenarbeit mit Pfarrer Ernst Sieber ist ebenso Bestandteil ihrer Gassenarbeit.
Pater Gottfried, verantwortlich für die Gemeinschaft, gibt Besinnungswochen mit Vorträgen und geistlichen Übungen (sogenannte Exerzitien) in Klöstern weit über die Schweizer Grenze hinaus. Er begleitet jährlich Pilgerfahrten ins Heilige Land Israel. Pater Fidelis widmet sich dem Amt der Seelsorge im Kantonsspital Glarus. Pater Michael hat seine Aufgabe in der Jugendseelsorge in der Ostschweiz. Alle drei sind regelmässig in verschiedenen Pfarreien oder in Schwesterngemeinschaften anzutreffen für Gottesdienste und Seelsorge. Bruder René wiederum führt neben Seelsorgebetreuung in Seniorenheimen mehrere Buchhaltungen und ist zuständig für die Belange im Haus. Bruder Jean widmet sich der Betreuung interner Gäste auf Mariaburg. Zuständig für allerlei kleine Dienste im Kloster ist Bruder Louis. Er hilft auch Bruder Gottfried in den Beziehungen zu den Mitbrüdern im Heiligen Land für die Wallfahrten und Spenden an die Hilfswerke. Bruder Mariano gehört ebenfalls zu der Gruppe, seine Ämter betreffen die Kirchenbetreuung (Sakristan), die Näherei und die Wäscherei. Er ist Spezialschneider, stellt die dunkelbraunen, schweren Kutten her. Reinigungsarbeiten des Hauses und die Wäsche der Mitbrüder gehören ebenso zu seinen Aufgaben. Gesamthaft gibt es weltweit rund 13 500 Franziskaner, in der Schweiz selbst leben aber nur rund zwanzig Ordensmänner – nebst Glarus in Zürich, Thurgau und St. Gallen ...
... Fortsetzung folgt
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