×

Dreijähriger musste zehn Franken bezahlen

Die Mutter des dreijährigen Frederik musste für die Rückgabe eines verlorenen Spielzeuges im Stadtbus Chur zehn Franken bezahlen. Das ist allerdings kein Einzelfall.

Südostschweiz
14.11.17 - 18:47 Uhr
Leben & Freizeit
Die Mutter eines Jungen musste für die Rückgabe eines verlorenen Spielzeuges zehn Franken bezahlen.
Die Mutter eines Jungen musste für die Rückgabe eines verlorenen Spielzeuges zehn Franken bezahlen.
YANIK BUERKLI

Der 3-jährige Frederik hat während einer Fahrt im Churer Stadtbus einen Spielzeug-Bohrer aus seinem Werkzeuggürtel verloren. Der Bohrer wurde von einem Passagier gefunden und im Fundbüro der Stadtbus Chur AG abgegeben.

In einem Leserbrief von Frederik und seiner Mutter, der uns Anfang November erreicht hatte, berichteten wir bereits über den Vorfall. Die Geschichte, die so harmlos mit einem verlorenen Spielzeug begonnen hatte, war hier noch nicht zu Ende. Denn der Mutter des Jungen wurde das Spielzeug nicht einfach wieder ausgehändigt. Dies geschah erst nach einer Zahlung von zehn Franken. Für diesen Preis hätte die Mutter Frederik fast einen neuen Bohrer kaufen können, wie sie heute dem «Blick» sagte. Das sei aber nicht in Frage gekommen, da Frederik sehr an seinem Spielzeug hänge und er dieses erst im vergangenen Sommer zu seinem Geburtstag erhalten hatte.

Keine rechtliche Grundlage

Die Stadtbus Chur AG begründet die Kosten mit dem Aufwand, der bei Fundgegenständen entsteht. Laut Rechtsexperte Albert Romero, der sich im Auftrag von «Blick» den Fall näher angesehen hat, dürften keine Kosten auf die Rückgabe erhoben werden. So habe gemäss Romero weder der Finder eines Gegenstandes noch die Transportfirma, in deren Fundbüro der Gegenstand gebracht werden muss, ein Anrecht auf Finderlohn.

Kosten dürften nur dann verrechnet werden, wenn diese explizit mit der Suche eines Gegenstandes in Verbindung stehen. So zum Beispiel im Fall eines verlorenen Smartphones, dessen Besitzer durch die Polizei erst ermittelt werden müsse, erklärt Romero weiter.

Anpassungen vorgenommen

Laut dem Direktor der Stadtbus Chur AG, Ralf Kollegger, werde nun eine Anpassung vorgenommen. Neu würden für Gegenstände bis zu einem Wert von 20 Franken keine Gebühren mehr erhoben, wie Kollegger gegenüber dem «Blick» sagt.

Auf Anfrage von suedostschweiz.ch nahm die Mediensprecherin der Stadtbus Chur AG, Andrea Wuchner, nun Stellung zum besagten Fall. Begründet wird die Gebühr mit dem grossen Aufwand, der mit Fundgegenstände einhergehe. So würden die erhobenen Umtriebsentschädigungen nur einen Bruchteil der Gesamtkosten decken, sagt Wuchner. «Der Aufwand in Zusammenhang mit Fundgegenständen ist für unser Unternehmen erheblich. Unsere Chauffeure sammeln die Fundgegenstände in der Garage, welche sich in Chur West befindet. Danach werden sie ins Regionale Informationszentrum in der Bahnhofsunterführung gebracht. Wöchentlich werden dort ca. 10 bis 20 neue Fundgegenstände eingelagert, die verwaltet werden müssen.»

Auch den Vorwurf seitens «Blick», das Vorgehen habe keine rechtliche Grundlage, weist Wuchner entschieden zurück. So haben Transportunternehmen gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht sehr wohl Anspruch auf eine Umtriebsentschädigung. Wuchner stützt ihre Aussage auf Art. 722 Abs. 2 OR, der ihrer Meinung nach festhält, «dass ein Finder generell Anspruch auf Auslagenersatz (also eine Umtriebsentschädigung) und einen angemessenen Finderlohn hat. Für Anstaltsfunde (das heisst z.B. für Funde in öffentlichen Verkehrsmitteln) schliesst Art. 722 Abs. 3 OR nur einen Finderlohn explizit aus.»

«Mit anderen Worten: Eine Umtriebsentschädigung darf durch Verkehrsbetriebe erhoben werden. Die beim Fahrgast erhobenen Kosten von bis zu 15 Franken erachten wir vor diesem Hintergrund nicht als Gebühr im abgaberechtlichen Sinne, sondern als rechtlich gestützte Umtriebsentschädigung.»

Wie der Wert eines Fundgegenstandes allerdings eingeschätzt wird, beantwortet Wuchner nicht. Auch auf die Frage, wie zwei Fundgegenstände einer gleichen Art aber mit unterschiedlichem Wert, zum Beispiel eine Mütze mit einem Wert unter den besagten 20 Franken und eine darüber, gehandhabt werden, bleibt offen. Dazu Andrea Wuchner: «Der Kunde soll sich über den wiedergefundenen Gegenstand freuen. Gleichzeitig soll er eine anfallende Gebühr als angemessen empfinden. Dies ist bei teureren Gegenständen erfahrungsgemäss der Fall.»

Es hätte auch teurer werden können

Mediensprecherin Andrea Wuchner verweist darauf, dass die Stadtbus Chur AG im Frühsommer 2017 die Praxis der grossen Transportunternehmen übernommen habe. So würden bei der Abholung eines Fundgegenstandes drei unterschiedliche Bearbeitungsgebühren erhoben:

  • Mit Stadtbus-Abo: 5 Franken
  • Mit SBB-/RhB/Postauto-Abo (z.B. GA, Büga oder Halbtax): 10 Franken
  • Ohne Abo oder mit ChipCard: 15 Franken

Mit der Mutter des kleinen Frederik sei man aber in Kontakt. «Wir haben diesen Kontakt bereits vor der ersten Medienanfrage aufgenommen.», so Wuchner.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass gewisse Zeitgenossen das Gefühl haben, es sei alles umsonst... Selbstverständlich wird eine Aufwandsentschädigung erhoben, das ist bei fast jedem Fundbüro der Fall und nicht erst seit gestern...

Mehr zu Leben & Freizeit MEHR