Politik in Jugendsprache
Wenn Jungpolitiker verschiedener Parteien diskutieren, bleiben die Konfliktlinien die gleichen. Die Sprache aber ist eine andere: näher an der Jugend.
Wenn Jungpolitiker verschiedener Parteien diskutieren, bleiben die Konfliktlinien die gleichen. Die Sprache aber ist eine andere: näher an der Jugend.
Von Ruben Schönenberger
«Im Unterricht wird Politik oft von oben erklärt. In der Schweiz kann Politik aber von unten gestaltet werden.» Mit diesen Worten eröffnete Ramiz Ibrahimovic, Rapperswil-Jona, den Jungparteientag an der Kantonsschule Wattwil und erklärte auch gleich, warum es zu diesem Anlass gekommen war.
In der Folge diskutierte Ibrahimovic als Vertreter der Jungfreisinnigen beim ersten Podium gleich selbst mit. Zusammen mit Valentin Faust, Rapperswil-Jona, von den Jungen Grünen, und Andreas Bisig, Rapperswil-Jona, von den Jungen Grünliberalen, widmete er sich dem von den Kantonsschülerinnen und Kantonsschülern gewählten Thema «Gerechtigkeit». Eine Diskussion, die «so alt wie die Menschheit ist», wie Moderator Ruben Schuler sagte. Die Diskussion wurde trotzdem engagiert geführt. Der subjektive Begriff der Gerechtigkeit wurde wenig überraschend von den Podiumsteilnehmern unterschiedlich interpretiert. Während Ibrahimovic die sogenannten Abwehrrechte – etwa Meinungsfreiheit oder der Schutz vor willkürlicher Verhaftung – ins Zentrum stellte, gingen Faust und Bisig vor allem auf die Startchancen ein. «Was nützt mir Meinungsfreiheit, wenn ich nichts zu essen habe», sagte Bisig.
Diskussion entlang gewohnter Linien
Auch wenn sich an diesem Podium Jungpolitiker gegenüberstanden, entwickelte sich die Diskussion entlang gewohnter Parteilinien. Der Jungfreisinn betonte die Eigenverantwortung der Menschen und warnte vor zu viel Staat. Die Jungen Grünen forderten «Grundbausteine fürs Leben, zum Beispiel eine qualitativ gute Schulbildung», wie es Faust ausdrückte. Den Jungen Grünliberalen sind gleiche Startchancen ebenfalls wichtig, sie betonten aber auch, dass sich Leistung auszahlen muss.
Dass sich die Podiumsteilnehmer nicht ohne Grund für ihre jeweilige Partei entschieden hatten, zeigte sich auch in der Frage nach der besten Aufteilung eines knappen Guts. Ibrahimovic stellte mit einer Analogie einer schulischen Projektarbeit die Leistung des Individuums in den Vordergrund, dabei soll aber auch den Schwachen geholfen werden, wo sie sich denn Mühe geben. Wer nichts leisten will, soll weniger kriegen. Bisig unterschied zwischen verschiedenen Gütern. Der Markt sei zwar oft Garant für die beste Verteilung, es gebe aber Ausnahmen. Der Organhandel sei so eines. Und Faust schliesslich wollte das Gut schon gar nicht aufteilen. «Stellt euch vor, vor eurem Haus gibt es eine zusätzliche Grünfläche. Warum sollen wir diese aufteilen, damit jeder seinen eigenen Quadratmeter hat, mit dem er nichts anfangen kann?», fragte er rhetorisch. Das grosse Interesse der Jugendlichen am Thema zeigte sich in der anschliessenden Fragerunde. Von Frauenquoten in Verwaltungsräten über Waffenexporte bis zu Bildungsausgaben war ein bunter Themenmix zu hören.
Auch die zweite Diskussion des Nachmittags gestaltete sich weitgehend entlang bekannter Fronten. Sam Büsser, St. Gallenkappel, Junge SVP, und Karin Dubler, Reichenburg, von der Juso, diskutierten über die «Ehe für alle». Auch dieses Thema hatten die Jugendlichen der Kantonsschule Wattwil ausgewählt. «Es ist schlimm, dass wir immer noch darüber reden müssen. Es geht schliesslich bloss um die Gleichstellung vor dem Gesetz», sagte Dubler. Büsser konterte: «Es geht nicht um Gleichstellung, sondern um Gleichmacherei.»
Wer soll Kinder adoptieren dürfen?
In den grossen Fragen blieben die Fronten klar. Büsser möchte die Ehe als kirchliche Institution und als Bund zwischen Mann und Frau wahren. Dubler betonte, dass alle Leute die gleichen Chancen haben sollten, auch wenn sie selber an sich keine Verfechterin der Ehe sei. Büsser setzte sich aber auch für die rechtliche Stärkung der eingetragenen Partnerschaft ein und machte die immer noch zu beobachtende Diskriminierung gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren als gesellschaftliches Problem aus. «Vielleicht ist die Gesellschaft einfach noch nicht so weit», sagte er mehrfach. Büsser verneinte auch, dass die Eltern Einfluss auf die sexuelle Ausrichtung ihrer Kinder hätten. «Man wird so geboren», sagte er beispielsweise. Trotzdem sprach er sich gegen das Adoptionsrecht aus, unter anderem weil Kinder so Gefahr liefen, in der Schule gemobbt zu werden. Dubler hingegen betonte: «Es gibt so viele Kinder, die ein Zuhause suchen, und so viele Homosexuelle, die gerne adoptieren würden.»
Auch hier schalteten sich die Jugendlichen anschliessend aktiv in die Diskussion ein. Wo Diskriminierung anfängt, was man dagegen tun kann und ob die Kirche ihren Ehebegriff nicht auch einmal ändern wird, waren nur einige der Fragen.
Auch wenn die Konfliktlinien in beiden Diskussionen nicht überraschten, eine Diskussion wie unter Politikerinnen und Politikern der Mutterpartei war es doch nicht. Die Beispiele waren nahe am jugendlichen Publikum, ebenso die Sprache. Hier durften Worte wie «Dieser Scheiss» oder «Blödsinn» fallen. Die Schülerinnen und Schüler dankten es mit grosser Aufmerksamkeit und aktiver Teilnahme. Und nicht zuletzt zeigte alleine das Alter der Podiumsteilnehmerinnen und Podiumsteilnehmer, dass Politik nicht nur von Menschen jenseits der Jugend gemacht wird.
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