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Chronik der Protestanten in Uznach

Vor 500 Jahren brach die Reformation durch. In Uznach vermochte sie allerdings nicht Fuss zu fassen. Das Jahr des Gedenkens soll Anlass sein, auf die Geschichte der Protestanten in Uznach einzugehen.

Südostschweiz
30.06.17 - 19:12 Uhr
Leben & Freizeit
Die evangelisch-reformierte Kirche in Uznach wurde 1961 eingweiht.
Die evangelisch-reformierte Kirche in Uznach wurde 1961 eingweiht.
KILIAN OBERHOLZER

Von Kilian Oberholzer

Bevor der Schreibende auf die Geschichte der Protestanten in Uznach eingeht, schildert er eingangs einen Teil seiner Familiengeschichte: «Mein Grossvater mütterlicherseits, Ernst Hofmann (1868 – 1946) war als Zürcher protestantisch. 1875 hatte sein Vater, mein Urgrossvater Gottfried Hofmann (1831 – 1906), die ‘Rotfarb’ genannte Textilfirma im Osten der Gemeinde Uznach übernommen.
Ernst Hofmann heiratete Berta Schubiger (1867 – 1948) aus der gut katholischen Familie Moritz und Mathilde Schubiger-Fuchs aus der Seidenweberei E. Schubiger & Cie in Uznach. Die beiden gingen die Ehe nach katholischem Ritus ein, in der Absicht, Kinder katholisch zu erziehen. Die protestantische Familie Hofmann soll damit einverstanden gewesen sein.
Es gab damals in Uznach keine protestantische Kirche und in der Schule keinen Religionsunterricht in dieser Konfession. Die Evangelischen mussten nach Bilten oder Rapperswil zum Gottesdienst fahren. Der evangelische Pfarrer von Bilten, den die Familie Hofmann um Rat fragte, soll gesagt haben: ‘Wir brauchen nicht Katholen oder Evangelen, sondern Christen.’ So hat man in unserer Familie erzählt. Die katholische Konfession seiner Frau, ihr regelmässiger Gottesdienstbesuch und die katholische Erziehung der Kinder haben meinem Grossvater Zeit seines Lebens offenbar keine Probleme gemacht. Mir selber war bis zu seiner Beerdigung nicht bewusst geworden, dass er nicht katholisch war.» Nach diesen einleitenden persönlichen Bemerkungen zur Uznacher Geschichte.

Zeit der Reformation

Uznach und die umliegenden Gemeinden der Grafschaft Uznach führten nie die Reformation durch, während die Gaster-Gemeinden und auch Rapperswil sich zum neuen Glauben bekannten. In der Folge des Zweiten Kappeler Krieges kehrten das Gaster und Rapperswil wieder zur katholischen Konfession zurück. Warum es in Uznach und den übrigen Pfarreien der Grafschaft nicht zur Reformation kam, ist nicht bekannt.
Ob es der Einfluss von Schwyz war, der aber im Gaster nicht ausreichte, um die Reformation zu verhindern? March und Höfe als Schwyzer Untertanengebiete blieben auch beim alten Glauben. Möglich ist, dass sich die Gemeinden des Gasters durch die Reformation Unabhängigkeit vom Abt von Einsiedeln (Kaltbrunn) oder vom Damenstift Schänis erhofften.

Unzufriedenheit mit dem Klerus

Eine Abhandlung über die Reformation im Gaster berichtet ausführlich über die Missstände im Klerus, so vor allem über die Missachtung des Zölibatsgebotes. Handgreiflichkeiten und Spielleidenschaft des Klerus sind überliefert. Eine Uznacher Klageschrift wegen mangelnder Seelsorge durch die Antoniter vom 15. Juli 1491 zielte aber in ganz andere Richtung.
Uznach klagte bei den Herren von Schwyz und Glarus, es seien die Versprechungen der Toggenburger Grafen bei der Gründung der Antoniter Niederlassung auf Schaffung einer Propstei von mindestens sechs Klerikern nicht erfüllt worden. Die Antoniter würden die Zahlungen an den Kirchenunterhalt nicht leisten. Die bepfründeten Priester seien oft abwesend und ihre Vertreter seien schlecht ausgebildet. Sittliches Fehlverhalten hingegen wird nicht gerügt. Entweder führten diese Priester einen sittlich einwandfreien Lebenswandel, oder die Bevölkerung stellte in dieser Hinsicht keine allzu hohen Erwartungen.

Erster protestantischer Märtyrer

Obwohl Uznach nicht zum neuen Glauben wechselte, ist die Grafschaft zum Brennpunkt der Politik geworden. Die Einwohner von Kaltbrunn haben Jakob Kaiser, genannt Schlosser, einen Uznacher Bürger, zum neugläubigen Pfarrer eingesetzt, der dann in Kaltbrunn im Sinne Zwinglis wirkte. Das Recht, den Pfarrer zu bestimmen, lag aber nicht bei der Gemeinde, sondern beim Abt von Einsiedeln. Kaiser war zugleich Pfarrer von Schwerzenbach im Kanton Zürich.
An Markttagen hat Kaiser in Uznach in der Hinterstadt, also ausserhalb der Stadtmauern, dort wo heute an der Gasterstrasse das steinerne Kreuz steht, den neuen Glauben gepredigt. Schwyz wollte dies nicht dulden. Als Kaiser am 22. Mai 1529 von Schwerzenbach nach Kaltbrunn ritt, nahmen ihn die Schwyzer in einem Wald bei Eschenbach, also auf Gebiet der Grafschaft Uznach, ihrem Untertanengebiet, fest. Sie führten ihn nach Schwyz über und verurteilten ihn dort zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Zürich hat gegen diese Hinrichtung protestiert, allerdings vergeblich. Es bestand die Gefahr eines Krieges zwischen Zürich und Schwyz, doch Bern und Glarus haben vermittelt.
Gegenüber Zürich hat die Bevölkerung von Uznach sich an dieser Verurteilung als nicht beteiligt erklärt. Tatsächlich lag die hohe Gerichtsbarkeit in der Grafschaft Uznach damals bei den Schirmorten Schwyz und Glarus.

Keine Reformierten im Gebiet

Die Grafschaft Uznach war katholisch geblieben; Rapperswil und Gaster kehrten zum alten Glauben zurück. Damit gab es bis ins 19. Jahrhundert in diesem Gebiet keine Reformierten. In Uznach und im Gaster hat mehr der Stand Schwyz als der Bischof von Konstanz für die Pflege des aktiven katholischen religiösen Lebens gesorgt.
Dass in der Region keine Protestanten Wohnsitz nehmen durften, entsprach ganz dem Denken und dem Recht der damaligen Zeit. Es galt der Grundsatz «cuius regio, eius et religio», wonach der politische Machthaber auch die Religion der Untertanen bestimmte. So setzten Zürich und Bern in ihren Gebieten die Reformation durch, die Innerschweizer Stände hielten am alten Glauben fest. Nur in Ausnahmefällen gab es in einer Gemeinde beide Konfessionen: So musste der Abt von St. Gallen, der Gebietsherr im Toggenburg, auf Druck der mächtigen Stände Zürich und Bern den Reformierten die freie Religionsausübung gestatten, dies aufgrund der von den Herren von Raron ausgestellten Freiheitsbriefen. In Graubünden und Glarus entschieden die Gemeinden über die Konfessionszugehörigkeit.

Die ersten Uzner Protestanten

In Uznach liessen sich erst in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts Evangelische nieder, die hier auch wirtschaftlich aktiv wurden. Allerdings ist ihnen das nicht leicht gemacht worden. 1824 ist August Koenlein, einem Bergbauingenieur aus Bayern, wegen seiner evangelischen Konfession der Erwerb von Grundeigentum verwehrt worden. Erst später hat er Kohlenabbau betreiben und sich auf der Rüti das heutige Haus Züger erbauen dürfen. Den Gründern der Spinnerei Uznaberg, der protestantischen Zürcher Familie Brändlin, ist der Erwerb der Fabrikliegenschaft nur über einen Strohmann gelungen. Die Gründer der Rotfarb sind zwar einheimische Katholiken gewesen, sie haben die Fabrik bald an den aus dem Elsass stammenden Jean Sequin übergeben müssen. Die Niederlassung ist ihm erst gewährt worden, nachdem er sich über seine katholische Konfession ausgewiesen hatte.
Ein Bild aus der damaligen Zeit: 1832 ist das Kind eines aus dem Glarnerland stammenden Druckermeisters in der Rotfarb gestorben. Der Uznacher Pfarrer Rudolf Rothlin hat es auf dem Friedhof, damals einem rein katholischen Friedhof, beerdigt. Fanatiker haben das Grab geöffnet und den Sarg danebengelegt. Pfarrer Rothlin hat eine ernste Predigt gehalten, und darauf hat die ganze Gemeinde an der Beerdigung teilgenommen. 1875 ging die Rotfarb an die Zürcher Familie Hofmann über, die hier Wohnsitz  genommen und bald zu den führenden protestantischen Familien gehörte.
Mit der Zeit haben sich vermehrt Familien evangelischen Glaubens in Uznach niedergelassen. So haben 1859 Gottlieb und Jean Streuli aus dem zürcherischen Hirzel das Haus Falken erworben, und ihre Nachkommen haben das Unternehmen Streuli aufgebaut. In der Folge haben sich weitere Protestanten, vor allem leitende Angestellte der Industrie und der Bahn, in Uznach niedergelassen.

Gründung der Kirchgemeinde

Erst 1920 ist die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Uznach und Umgebung gegründet worden. Dazu gehörten damals wie heute die Gemeinden Uznach, Benken, Kaltbrunn, Rieden, Gommiswald, Ernetschwil, St. Gallenkappel, Goldingen, Eschenbach und Schmerikon. Die Gemeinde zählte damals gut 800 Seelen. Vorher gehörten die Uznacher Reformierten zur Kirchgemeinde Rapperswil. Eine ehemalige Ausstellungshalle für Kutschen, das gelbe Gebäude auf dem heutigen Areal der Firma Streuli, wurde als Gottesdienstraum genutzt. Von einer Kirche konnte man nicht reden. Für den Kauf wurden ca. 100 000 Franken aufgewendet. Dazu steuerte die Kirchgemeinde Rapperswil 35 000 Franken als Auslösung bei. Die damalige Lokalzeitung St. Galler Volksblatt berichtete über die Gründung der Kirchgemeinde kurz und ohne jeden Kommentar.
Zuvor gab es im Jahr 1910 eine Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirchgemeinde Uznach und der evangelischen Kirchgemeinde Rapperswil. Es ging um die Frage der Benutzung der Kreuzkirche für protestantische Abdankungsfeiern. Man einigte sich dahin gehend, dass die Kreuzkirche mit Ausnahme des Chorraumes für Abdankungsfeiern zur Verfügung stehe. Das Begräbniswesen bedeute damals einen kulturpolitischen Streitpunkt, nachdem die katholischen Kirchgemeinden durch die Einführung des staatlichen Begräbniswesens faktisch um die Begräbnisplätze enteignet worden waren.

Bau der protestantischen Kirche

Seit 1953 regte sich der Wille zum Bau einer richtigen Kirche. Die evangelische Kirchenvorsteherschaft suchte ein Bauareal in der Nähe des Bahnhofs, wollte aber wegen schlechten Baugrunds nicht auf dem eigenen Areal bauen. Sie konnte damit rechnen, dass aufgrund der personellen Konstellation die Bank vom Linthgebiet ein Gesuch um Verkauf des Areals ehemals Adolf Schubiger-Rusch als Baugrundstück positiv beantworten werde. So wurde hier die Kirche gebaut und die Villa als Pfarrwohnung und Kirchgemeindehaus genutzt.
Ein grosses Kreuz, ohne Corpus, in einer evangelischen Kirche, war damals ungewohnt. Das Kreuz ist damals von katholischer Seite als Zeichen der Verbundenheit geschätzt worden. Von der Politischen Gemeinde, der katholischen Kirchgemeinde, der Burgerkorporation und der Ortsgemeinde sind damals Beiträge von 6800 Franken eingegangen. Davon sollen 5000 Franken der Politischen Gemeinde für eine Glocke verwendet worden sein. Die Beiträge der drei anderen Korporationen sind also eher bescheiden ausgefallen. Die Kirche wurde am 15. Oktober 1961 eingeweiht. Im Jahr 2007 erfolgte eine sanfte Innenrenovation.

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