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So geht Schule heute

Finanzwissen per Computergame: Die Schulklasse von Celina Picenoni in Niederurnen erarbeitet es mit Finance Mission Heroes. Das Beispiel soll Schule machen und den Jungen helfen, Schulden zu vermeiden.

Fridolin
Rast
08.06.17 - 06:12 Uhr
Leben & Freizeit
Es posieren Regierungsrat Benjamin Mühlemann, Lehrer-Präsident  Beat Zemp und Kantonalbankpräsident Martin Leutenegger.
Es posieren Regierungsrat Benjamin Mühlemann, Lehrer-Präsident Beat Zemp und Kantonalbankpräsident Martin Leutenegger.
BILD FRIDOLIN RAST

Sebastian und Lukas von der zweiten Real in Niederurnen wissen Bescheid. Und sie führen auch gleich ins Computerspiel ein, mit dem sie bei Celina Picenoni seit ein paar Wochen gelegentlich spielen und lernen. Lukas stattet mit ein paar Mausklicks seine Finance Mission Heroes aus. Mit Backofenhandschuhen, Maronipfanne und Besen zum Beispiel kämpfen sie dann gegen die Roboter, die jede Nacht die Bankkonti der Einwohner ausrauben.

Erlebbares Finanzwissen

Spielerisch lernen sie mithilfe des Games zu überlegen, wie sie ihr Geld ausgeben. Sie wissen, dass es mit dem Kauf eines Töffli nicht getan ist. Dass Benzin, Unterhalt, vielleicht sogar Bussen dazukommen.

Als Erster hat gestern gewissermassen der Glarner Oberlehrer das Computerspiel präsentiert: Bildungsdirektor und Regierungsrat Benjamin Mühlemann. «Meist spielt man ein Online-Spiel, weil einem das Spielen gefällt», sagt er. Die Helden auf Finanzmission hätten den Nebeneffekt, dass sie für den Umgang mit Geld sensibilisieren und die Finanzkompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern.

Mühlemann betont, dass sein Departement Bildung und Kultur die Initiative der Schweizerischen Lehrerverbände und des Kantonalbankenverbands unterstützt. Diese haben zusammen den Verein Finance Mission gegründet, der das Programm entwickelt und anbietet. Und der garantiert, dass die Partner die Charta für sauberes Bildungssponsoring einhalten.

Viele haben Schulden

Das Wissen ums Geld ist laut Beat Zemp, Präsident der Deutschschweizer Lehrer, nötig: «Denn es steht mit der Finanzkompetenz der Jugendlichen nicht zum Guten. Und das ist etwas peinlich für ein Land, in dem der Finanzsektor eine so hohe volkswirtschaftliche Bedeutung hat.»

Mehr als jeder vierte 18- bis 24-Jährige lebt in einem Haushalt mit Zahlungsrückständen. Wenn man Leasing dazurechnet, lebt sogar die Hälfte in einem verschuldeten Haushalt. Das zeigt eine Studie von Martin Brown, Professor an der Hochschule St. Gallen und Vorstandsmitglied von Finance Mission. Eine Schuldenfalle, in der die meisten Betroffenen auch fünf Jahre später noch gefangen seien.

Doch eben diese Jugendlichen stehen vor schwierigen Finanzentscheiden, betont Brown: «Und sie haben wenig Wissen.» Auch die Eltern wissen zwar mehr, wenn sie ein gutes Einkommen und gute Bildung haben, doch wissen die Frauen weniger als die Männer. Bei den Jungen setzen sich die Unterschiede fort. So, dass auch bei den Schülern im 7. bis 9. Schuljahr die Hälfte nichts anfangen kann mit Fragen zu Zinsen und Inflation. Sie – und alle anderen Interessierten – können nun in der ganzen Schweiz mit dem frei verfügbaren und werbefreien Spiel lernen.

Lebensnahe Ausbildung

«Die Schülerinnen und Schüler werden das Spiel cool finden, wenn es gut im Lernplan eingebaut wird», zeigt sich Bildungsdirektor Benjamin Mühlemann überzeugt. Zwar mache die Schule schon heute sehr viel, doch mit dem neuen Glarner Lehrplan 21 ab August muss sie ausdrücklich Kompetenzen zu Existenzsicherung, Konsum, Güterverteilung und Produktion vermitteln. «Und auf der Basis von eigenen Erfahrungen werden auch Werthaltungen und Zielkonflikte in der Schule diskutiert.» So, dass sie der Versuchung des «Alles – und sofort» durch Online-Werbung und -Einkauf sowie Kreditkarte nicht erliegen.

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Die Erwartungen in den Lehrplan 21 sind gross. Alles soll er richten. Kann er das überhaupt? Jetzt wollen auch noch Firmen in der Schule missionieren. Die längst fällige Aufwertung der Deutsch- und
MINT-Fächer kann nur mit Klassen- oder Frontalunterricht erreicht
werden. In den „Grundlagen für den Lehrplan 21“ ist jedoch nur noch das
„selbstgesteuerte Lernen“ vorgeschrieben, der Frontalunterricht kommt nicht mehr vor: https://www.lehrplan.ch/sites/default/files/Grundlagenbericht.pdf
Das "selbstgesteuerte Lernen" bedeutet in der Praxis, dass qualifizierte Lehrer und Klassenunterricht abgeschafft werden, weil jedes Kind ab dem 1. Schultag alleine bestimmen soll, wann, wie, was und ob es lernen will. Weil das viel mehr Zeit braucht, werden im LP21 die fachlichen Ziele vermehrt nach hinten, in die nächsten Klassen, verschoben oder ganz aufgegeben. Die LP21 kompatiblen Selbst-Lernbücher sind dünner und enthalten nur noch die Hälfte des bisherigen Stoffs.

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