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Zweitwohnungen: Bergkantone fordern Gesetz mit Augenmass

Eine strenge Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative hätte im Berggebiet fatale Folgen. Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone fordert deshalb ein tourismusfreundliches Gesetz.

Südostschweiz
22.02.13 - 01:00 Uhr

Von Ueli Handschin

Chur/Bern. – Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte gestern eine Medienmitteilung über zwei Studien zur Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative gerade erst verbreitet, da meldeten sich schon die Regierungskonferenz der Bergkantone (RKGK) und die Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) zu Wort. Die Analysen bestätigten, dass die Zweitwohnungsinitiative «drastische Auswirkungen» im Berggebiet haben werde. Wie gravierend diese würden, sei von der Ausgestaltung des Zweitwohnungsgesetzes abhängig, teilten die beiden Gremien mit.

Angst vor Billigtourismus

Eine der Studien, verfasst von der BAK Basel Economics AG, rechnet mit einem Verlust von 8600 Arbeitsplätzen im Alpenraum bis 2015, sollte die Initiative so umgesetzt werden, wie sie der Bundesrat in seiner Verordnung vom August letzten Jahres vorgesehen hat. Wie viele dieser Stellen in Graubünden verloren gingen, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Nach Regionen aufgeschlüsselte Zahlen lägen ihm nicht vor, sagte einer der drei Autoren auf Anfrage. Eine Veröffentlichung der Daten nach Kantonen sei zudem nicht vorgesehen.

In stark betroffenen Regionen rechnen die beiden Regierungskonferenzen mit einem «Schock». Der Wegfall von Quersubventionierungen für Hotelerneuerungen durch den Zweitwohnungsbau treffe die gehobene Hotellerie und unterlaufe «einen wichtigen Träger der Qualitätsstrategie im Schweizer Tourismus». Gerechnet werden müsse «mit einem verstärkten Trend zur Low-Cost-Hotellerie», was sich auf die Wertschöpfung und den Charakter der Destinationen auswirken werde.

Besitzstand wahren

Aus all diesen Gründen müsse das Zweitwohnungsgesetz «zwingend mit Augenmass und tourismusfreundlich» ausgestaltet werden. Der Besitzstand müsse garantiert und massvolle Erweiterungen bestehender Zweitwohnungen müssten möglich bleiben. Auch die Umnutzung von Hotels sei unter gewissen Kriterien zu gewährleisten und Konzepte mit Dauervermietungen zu prüfen. Zudem brauche es flankierende Massnahmen zur Standortförderung. Auch neue solche Instrumente müssten in Betracht gezogen werden. Ins Zentrum sei ein «bewirtschaftungsorientierter Tourismus» zu stellen, der eine stabile wirtschaftliche Grundlage biete.

Regierungspräsident Hansjörg Trachsel, der als Volkswirtschaftsdirektor der VDK angehört, wollte zu den Studien des Seco nicht Stellung nehmen, weil er diese noch nicht konsultieren konnte. Laut Regierungsrat Mario Cavigelli, Präsident der RKGK, ist es vor allem wichtig, dass das Entwicklungspotenzial der Tourismusregionen nicht stärker als unbedingt notwendig eingeschränkt wird. Als mögliche neue Fördermassnahme stehe die Unterstützung neuer Beherbergungskonzepte zur Diskussion, sagte Cavigelli.

Modell hat ausgedient

Jon Pult, Präsident der SP Graubünden, hält es für unumgänglich, dass die Zahl der Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft sinkt. Das Volk wolle eben nicht länger einen Tourismus, der mit aufgeblähtem Zweitwohnungsbau die Zersiedelung anheize und seine eigene Grundlage zerstöre. «Dieses Business-Modell hat ausgedient», erklärte Pult auf Anfrage. Insofern hätten sich die Rahmenbedingungen mit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative grundlegend geändert. Jedem Unternehmer sei zu raten, sich auf die neue Lage einzustellen, statt auf dem Status quo zu beharren, den im Grunde niemand mehr wolle und befürworten könne.

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