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«Zum Abschied reich ich Dir die Hände» – Leon Schlumpf

Mehrere Hundert Menschen haben gestern in Chur von alt Bundesrat Leon Schlumpf Abschied genommen. Politiker, Wirtschaftsleute und sehr viele Bürger folgten der bewegenden Abdankungsfeier in der Martinskirche.

Südostschweiz
14.07.12 - 02:00 Uhr

Von Olivier Berger (Text) und Yanik Bürkli (Bilder)

Chur. – «Zum Abschied reich ich Dir die Hände und sage leis ‘Auf Wiedersehn’»: Den Schlager habe ihr Grossvater jeweils auf dem Klavier gespielt, bevor er nach seinen traditionellen sonntäglichen Besuchen bei ihrer Familie gegen Mittag wieder aufgebrochen sei. Daran erinnerte sich Giannina Leonie Widmer, Enkelin des am Samstag verstorbenen alt Bundesrats Leon Schlumpf, während der gestrigen Trauerfeier. Und ihr jüngerer Bruder Ursin Widmer intonierte den Titel von Lale Andersen aus dem Jahr 1943 anschliessend gemeinsam mit seinen Freunden.

Abschied vom Landesvater

«Zum Abschied reich ich Dir die Hände»: Schon eine halbe Stunde vor Beginn der Feier bildete sich vor der Churer Martinskirche eine Menschentraube. Geduldig warteten die Trauergäste darauf, Schlumpfs Tochter, Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, und ihrer Familie ihr Mitgefühl bekunden zu können. Es waren mitnichten nur Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, die den früheren Magistraten auf seinem letzten Gang begleiteten. Auffallend viele Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um Abschied zu nehmen. Leon Schlumpf sei halt ein «echter Landesvater» gewesen, betonte Bundesrat Ueli Maurer während der Feier.

Die Spuren, die Leon Schlumpf während seines politischen Wirkens hinterlassen habe, seien so gross gewesen, «dass wir nach 25 Jahren immer noch in diesen Spuren weitergehen», sagte Maurer. Nationalratspräsident Hansjörg Walter sah den Verstorbenen auf einer Stufe mit den grossen Pionieren wie Alfred Escher. «Er hat das Fundament der postmodernen Schweiz gelegt.»

Abschied vom Politiker

«Zum Abschied reich ich Dir die Hände»: Welchen Respekt die offizielle Schweiz dem früheren Magistraten zollte, zeigte sich nicht nur an der Menge politischer Prominenz, welche den Weg nach Chur auf sich genommen hatte: Ausser durch Eveline Widmer-Schlumpf und Maurer war der Bundesrat durch Didier Burkhalter und Bundeskanzlerin Corina Casanova vertreten; gekommen waren auch der direkte Nachfolger des Verstorbenen, alt Bundesrat Adolf Ogi, und die alt Bundesräte Pascal Couchepin und Samuel Schmid.

Leon Schlumpf vermochte die politische Schweiz über seinen Tod hinaus zu vereinen. Selbst die SVP Schweiz, die er einst mitbegründet und der er später bei der Gründung der BDP den Rücken gekehrt hatte, hatte einen Kranz geschickt; Adrian Amstutz, SVP-Fraktionschef im Nationalrat, befand sich unter den Trauergästen. Gekommen waren zudem viele von Leon Schlumpfs Weggefährten, darunter viele ehemalige Bündner Regierungs- und Grossräte. Ebenfalls anwesend waren aktuelle Mitglieder von National-, Stände- und Grossrat sowie der Churer Stadtpräsident Christian Boner.

Abschied vom Menschen

«Zum Abschied reich ich Dir die Hände»: Gedacht wurde an der von Pfarrer Hans Senn persönlich und bewegend gestalteten Feier aber weniger des Politikers als des Menschen Leon Schlumpf. Humorvoll und pragmatisch sei er gewesen, ein guter Zuhörer, sagte etwa Bundesrat Maurer. Senn erinnerte an Leon Schlumpfs Grundwerte: «Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Treue und Zuversicht.» Und so dürfte Enkelin Giannina Leonie Widmer allen aus dem Herzen gesprochen haben, als sie sagte: «Lieber Neni, du fehlst uns.»

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