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Zeitreise durch Zeitschichten

In der archäologischen Ausgrabungsstätte in Chur hat das Ensemble ö! kürzlich die Zuhörer auf eine musikalische Zeitreise mitgenommen. Bei dem Konzert unter dem Titel «Palimpsest – Zeitschichten» standen sich Architektur und Musik im Spannungsfeld gegenüber.

Südostschweiz
22.09.10 - 02:00 Uhr

Von Domenic Buchli

Das zweite Konzert der «Moment-Monument Grischun»-Reihe des Ensembles ö! fand am Montagabend in der archäologischen Überbauung in Chur statt. Der richtige Ort für «Palimpsest -Zeitschichten». Der aus dem Griechischen stammende Begriff steht für abgeschabt und bedeutet wiederkehrendes Beschreiben antiker und mittelalterlicher Manuskripte.Mit den Schichtungen römischer Ruinen und Musik des Ensembles ö! standen sich Architektur und Musik im Spannungsverhältnis gegenüber. Durch Erläuterungen von David Sontòn Caflisch zur Musik und Tilo Richter zur Überbauung der römischen Ruinen durch Peter Zumthor war der Abend lanciert. Eine pulsierende Zeitreise konnte beginnen. Vielseitig in der Form, logisch in der Geschlossenheit der Materie. Der Abend wurde von oben herab auf die Zuhörer mit Renaissance Musik von John Dowland (vier Madrigale) eröffnet, vorgetragen von David Sontòn Caflisch, Genevieve Camenisch, Christian Hieronimy und Daniel Sailer. Das Streichtrio «Zayin III» aus dem Zyklus Zayin des Spaniers Francisco Guerrero entpuppte sich als Überinstrument, mäandernd durch Wendungen und Biegungen.Von Iannis Xenakis weiss man, welchen Prinzipien seine Kompositionen entsprechen. Das Stück für Tonband «Orient-Occident» bildete den Beweis dazu. Mit «Orient-Occident» wechselte der Ort des Geschehens in den vorderen Teil der Überbauung.

Ausgewogene Interpretation

Friedemann Treibers, Freund von Sontòn Caflisch, «Perspektiven» in vier Sätzen für Flöte, Bassklarinette, Violine und Kontrabass bestach nicht nur darin, dass die grossen Unterschiede in den Stimmlagen vom Piccolo, der Violine zum Kontrabass und Bass-/Kontrabassklarinette lagen, sondern auch durch die ausgewogene Interpretation von Sontòn Caflisch, Riccarda Caflisch, Marc Lardon und Daniel Sailer.Nach dem offerierten Pausenapéro ging es in den zweiten Teil. Dieser begann mit einer weiteren Schichtung, der «Passage für stereoverstärkte Bassflöte solo» des Japaners Makoto Shinohara, vorgetragen durch Riccarda Caflisch. Zum Abschluss des Abends dann die ganze andere Richtung – oder auch nicht?Dylan Spence führte mit computerunterstützter Elektronik das Publikum unbeirrt und geradlinig auf die oberste und damit heutige Schichtung zurück. Der Zeitkreis war geschlossen.

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