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Zeichen gegen das Vergessen im Obersee- und Schwändital

Sie gehören zum Dorf. Doch kaum einer weiss noch, warum sie einst aufgestellt wurden. «Zeichen am Wege im Näfelser Obersee- und Schwändital» heisst die Maturaarbeit, mit der Roman Hauser ein Stück Dorfkultur dokumentiert.

Südostschweiz
27.01.13 - 01:00 Uhr

Von Claudia Kock Marti

Näfels. – Im Grunde liegt das Thema für Roman Hauser am Weg. So wohnt er in Näfels unweit des historischen Fahrtsplatzes an der Strasse zum Oberseetal. Im Kontakt mit Ortshistoriker Fridolin Hauser tauchte die Idee auf, die Wegzeichen ins Obersee- und Schwändital gründlich zu erforschen. Als der Maturand im Geschichtsunterricht vom nationalen Geschichtswettbewerb hört, fängt er Feuer. Das Thema für 2013 heisst «Orte. Geschichten? Geschichte!». Etwas für Näfels zu machen und am Wettbewerb teilzunehmen, passt für ihn zusammen.

Das über Näfels wachende Plattenkreuz oder den Mäitlistäi am Obersee kannte er vom Sehen. Von den vielen anderen Zeichen, die Fridolin Hauser bereits vor 30 Jahren einmal auflistete, aber nie näher beschrieb, wusste Roman Hauser noch fast nichts. Mehr als 50 Zeichen – Kreuze, Tafeln und Gedenksteine – in den beiden Tälern systemmatisch zu erforschen, erwies sich als zu ambitiös. Vier Zeichen untersuchte er gründlich anhand schriftlicher und mündlicher Quellen; bei den restlichen trug er vor allem das Wissen von Zeitzeugen zusammen.

Jubiläumskreuz hoch über Näfels

«1933 war es 1900 Jahre her, dass Jesus Christus gekreuzigt wurde», erklärt Hauser. Mit dem Plattenkreuz auf dem «Plattenköpfli» wollte Pater Reinhold Wick vom Ordo Fratrum Minorum ein Zeichen, eine Erinnerung an den Tod Christi, setzen.

Gebaut wurde das 5,1 Meter hohe und 3,3 Meter breite Kreuz Anfang 1934, weiss Hauser. In Fronarbeit errichteten es Jungsodalen. Das sind Angehörige einer religiösen Knabenorganisation der Patres des Kapuzinerklosters.

Am 13. Mai 1934 fand die Einweihungsfeier, ein riesiges Volksfest, für alle Näfelser statt. In die Freude des Kreuzweihtages habe Gott einen schweren Wermutstropfen gemischt, berichtete das «Volksblatt» am 14. Mai 1934. So war einen Tag vor der Feier bei der Installation der Beleuchtung der 16-jährige Ministrant und Jungsodale Josef Landolt tödlich verunglückt, wie Hauser mit diversen Quellen nachlesbar macht. Zur Geschichte des Kreuzes gehören auch zwei Vandalenakte in den Jahren 2008 und 2011, wie Hauser belegt.

Mäitlistäi am Obersee

«Hier ertranken am Pfingstmontag 1931 die drei Schwestern Agnes, Caecilia, Barbara Landolt, geb. 1913, 1914, 1915. Sie waren bereit – Sei es auch Du.» Eine Tragödie, ein Dorfunglück, an dem nicht nur ganz Näfels, sondern sogar der Papst Anteil nahm, ereignete sich am Obersee und ist auf dem Gedenkstein der Geschwister Landolt verewigt. Die drei nahmen ein Fussbad; die Jüngste rutschte aus und ertrank, die Zweite und die Dritte, die nacheinander helfen wollten, wurden allesamt in die Tiefe des Sees gezogen. Zusätzlich zum Gedenkstein am See gibt es auch einen Grabstein aus Holz beim Elternhaus in Näfels, wie Hauser berichtet.

Eine dritte Unglücksgeschichte, die der Maturand ausführlich erforscht, ist die Ermordung des Wildhüters Heinrich Marazzani, der «in treuer Pflichterfüllung» am 15. November 1936 im Oberseetal ermordet wurde. Ein Kruzifix und eine Gedenktafel sollen daran erinnern.

«Tief verwurzeltes Bedürfnis»

«Ich bin überrascht, wie viele Wegzeichen es im relativ kleinräumigen Gebiet des Obersee- und Schwänditals gibt», stellt er am Schluss seiner Recherchen fest. Sie liessen das tief verwurzelte Bedürfnis der Menschen erkennen, Zeichen zu setzen, um besondere Ereignisse oder Schicksalsschläge für sich und die Nachwelt in Erinnerung zu behalten. Dahinter steckten meist religiös-motivierte Gründe. Strikte Kriterien für das Errichten eines Wegzeichens gebe es nicht. Eher seien die Zeichen auf die Initiative einzelner Personen zurückzuführen. Die Dorfgemeinschaft habe vor 80 Jahren aber einen anderen Zusammenhalt gehabt und auch kollektive Trauer bei einem Unglücksfall gelebt.

Was passiert mit der reichhaltigen Dokumentation? Hauser schmunzelt. Zuerst einmal mache er jetzt die Matura. An einer Veranstaltung des Kulturforums Brandluft werde er die Arbeit öffentlich vorstellen. Und auch eine Publikation sei denkbar, wenn die Näfelser daran interessiert seien.

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