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WM-Tschuttibildli: Kunst zum Kleben ohne Kommerz

«Tschutti Heftli» heisst die Alternative zum Panini-Album. Die von Künstlern geschaffenen Bildli mit allen WM-Stars gibts in Graubünden an drei Orten zu kaufen.

Südostschweiz
03.06.14 - 02:00 Uhr

Von Ursina Straub

Chur. – Jeden Samstag zwischen 10 und 11 Uhr wird der Kartenladen Werkarten an der Churer Bahnhofstrasse zur Tauschbörse. WM-begeisterte Kids und kunstaffine Fussballfans beugen sich dann über ihre «Tschutti Heftli», bieten Fussballer-Bildi an, die sie doppelt haben und hoffen, fehlende Sticker von einem anderen Sammler zu ergattern.

«Tschutti Heftli», das ist die Alternative zu den Panini-Bildern. Die Porträts der WM-Kicker kommen nicht als dröge Passbilder daher, sondern wurden von Künstlern gestaltet. Die Mannschaft Mexiko etwa hat der Karikaturist Andy Weixler gezeichnet, die italienischen Spieler modellierte der Deutsche Til Mette und die Schweizer Mannschaft rückte der hiesige Illustrator Patrick Graf ins Bild.

«Ich muss nachbestellen», sagt Claudia Clavuot, Inhaberin von Werkarten. Bereits hat sie alle WM-Sammelalben verkauft. Nachbestellen müssen auch die Macher des «Tschutti Heftlis» um den Luzerner Illustrator Silvan Glanzmann: Zwei Millionen Klebebildli und 5000 Alben wurden heuer gedruckt. «Jetzt lassen wir eine Million Aufkleber und 2500 Alben nachdrucken», informiert Glanzmann auf Anfrage. Als Dreingabe wurde ein Spezialkleber mit der Stürmerhoffnung Josip Drmic in Auftrag gegeben; der Sticker liegt auch an den drei Bündner «Tschutti Heftli»-Verkaufsstellen in Chur, Davos und Sta. Maria auf.

Gestickte Kicker

Das «Tschutti Heftli» ist eine Erfolgsgeschichte. Als vor sechs Jahren – just vor Beginn der Fussballeuropameisterschaft – einige Kunstschulstudierende der Hochschule Luzern begannen, die Profi-Kicker zu sticken, malen und modellieren, dachte niemand daran, dass die Bildli im Stile von Panini-Klebern über die Alternativszene hinaus Anklang finden würden. Eine Fehleinschätzung. Nachdem die lokale Presse über den künstlerischen Beitrag zur EM berichtete, stieg das Interesse an den Tschuttibildli rasant, es entstanden Sammlerbörsen, und bereits von der allerersten Serie, die noch von Glanzmanns Freunden in nächtlichen Aktionen von Hand verpackt wurde, mussten 200 000 Sticker nachgedruckt werden.

Um die Künstler zu ermitteln, die je eine Mannschaft der WM 2014 porträtieren durften, wurde letztes Jahr erstmals ein Illustrationswettbewerb ausgeschrieben. 400 Arbeiten aus aller Welt erreichten die Jury, die vom Jahrhundertfussballer Pelé präsidiert wird, und in der unter anderen der «Tages-Anzeiger»-Karikaturist Felix Schaad und TV-Moderator Bernhard Thurnheer sitzen. Unter den 39 Auserwählten sind sowohl Kunstschaffende aus Europa wie auch aus dem WM-Gastgeberland Brasilien. «Ziel ist, jungen Künstlern eine Plattform zu bieten», so Glanzmann. «Es haben aber auch gestandene Illustratoren Kleber gestaltet.»

Zehn Rappen für die Verlierer

Dennoch ist die Kunst zum Kleben kein Kommerz. Im Gegenteil: Die Macher möchten zeigen, dass Fussball Leidenschaft und Kultur bedeuten kann. Mit dem Erlös aus den Tschuttibildern und den Sammelalben produzieren die Luzerner ihr eigenes Fussballmagazin, das zwei Mal jährlich erscheint, sie unterstützen aber auch jene, die im ganzen WM-Rummel auf der Schattenseite stehen: Zehn Rappen pro Stickertüte geht an das Hilfswerk Terre des Hommes Schweiz, das die negativen Folgen des Grossanlasses abzufedern versucht. In den zwölf brasilianischen Austragungsstätten beispielsweise ist die Bevölkerung von Zwangsräumungen betroffen, weil ganze Stadtteile dem Erdboden gleichgemacht werden, und der Strassenhandel, mit dem viele ihren Lebensunterhalt verdienen, wurde von der Fifa verboten. Es ist auch dieses soziale Engagement, das Werkarten-Inhaberin Clavuot von den kunstvollen Spielerbildern überzeugte. «Und wer weiss», meint sie augenzwinkernd, «vielleicht kommen die Nachwuchszeichner dereinst gross heraus, sodass die Sammelalben nicht nur Kult- sondern auch Kunststatus haben.»

Das «Tschutti Heftli»-Sammelalbum à drei Franken und Zehner-Packungen Bildli liegen in den Läden Werkarten und Werkeria in Chur auf; im Tabac- und Souvenirshop an der Promenade 120 in Davos und am Kiosk an der Hauptstrasse in Sta. Maria.

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