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Wie Basel zur Picasso-Hochburg wurde

Die Rezeptionsgeschichte von Pablo Picassos Schaffen in Basel könnte nicht spannender sein. An ihre vielen Verzweigungen erinnert unter dem Motto «Die Picassos sind da!» eine hervo rragend dokumentierte Schau im Basler Kunstmuseum.

Südostschweiz
04.05.13 - 02:00 Uhr

Von Walter Labhart

Basel. – Nebst Paris und New York kann sich keine Kulturstadt rühmen, so viele und qualitativ hochstehende Pablo-Picasso-Sammlungen aufzuweisen wie Basel. Wie sehr der Jahrhundertmaler am Rheinknie geschätzt wurde und wird, geht nicht zuletzt aus 80 Ausstellungen hervor, in denen er von 1914 bis 2012 vertreten war. Seit 1954 trug der Galerist Ernst Beyeler mit international beachteten Einzelausstellungen zur Verbreitung des vielerorts abgelehnten Spätwerks bei. Picassos Aufbruch in die Moderne mit Werken des analytischen Kubismus bildete schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg einen der Schwerpunkte in der Privatsammlung des Basler Bankiers Raoul La Roche, die seit 1952 stufenweise als Schenkung ins Kunstmuseum Basel gelangte.

Erstmals vereinigt dieses Museum jetzt die beträchtlichen eigenen Werkbestände mit jenen der Fondation Beyeler und mit zahlreichen Leihgaben aus lokalem Privatbesitz – eine Schau von überwältigender Vielfalt und Qualität.

Brillante Gestaltung

Von Anita Haldemann und Nina Zimmer mit viel Kennerschaft und gestalterischer Raffinesse kuratiert, ergab die Zusammenführung der verschiedenen Sammlungen eine mit vielen Meisterwerken glänzende Retrospektive. Gegenüber den unterschiedlich dicht gehängten Exponaten folgt eine leere, weisse Wand auf die andere. Viele leere Seiten enthält auch der Ausstellungskatalog. Für dessen typografische Bravourleistung zeichnet das Büro 146 verantwortlich. Wer sich einen Überblick über Picassos epochenreiches Lebenswerk verschaffen will, ist bereits mit dem ebenfalls chronologisch gegliederten Katalog gut bedient.

Der weite Entwicklungsweg reicht von der ungestüm gemalten «Femme dans la loge» (1901) über die kubistischen Pioniertaten, den Neoklassizismus und die Annäherung an den Surrealismus bis zum fast monochromen «Nu couché jouant avec un chat» (1964) oder noch späteren Gemälden und Grafiken. Spezielle Akzente setzen nicht nur malerische Arbeiten mit Materialcollagen und Skulptu- ren, sondern auch weitaus weniger bekannte, mit Ölfarbe ausgeführte Zeichnungen von Frauenköpfen auf Zeitungspapier. Sie tragen die Gesichtszüge von Dora Maar, die als einzige Lebenspartnerin des Künstlers dank der Fondation Beyeler auch in Tafelbildern, Federzeichnungen und sogar in einer Bronzeskulptur präsent ist. Aus einer Basler Privatsammlung stammt die aus politischen Gründen populär gewordene Farbstiftzeichnung «Fleurs et mains» (1958). Picasso liess sie auch als Lithografie erscheinen, bevor er sie als Vorlage für ein Plakat in fünf Sprachen dem Stockholmer Friedenskongress zur Verfügung stellte.

«All We Need Is Pablo»

Als nach einem Flugzeugabsturz die Basler Charterfluggesellschaft Globe Air 1967 Konkurs anmelden musste, geriet der Hauptaktionär Peter Staechelin in finanzielle Not. Sollten die Gemälde «Les deux frères» und «Arlequin assis» aus seiner Sammlung als Leihgaben weiterhin im Basler Kunstmuseum bleiben können, mussten zur Abwendung des Verkaufs ins Ausland 8,4 Millionen Franken aufgebracht werden. Nachdem Regierung und Grosser Rat sechs Millionen bewilligt hatten und dagegen ein Referendum ergriffen wurde, konnte der Kredit in einer kantonalen Volksabstimmung für gut befunden werden. Die restlichen 2,4 Millionen Franken wurden nach einem «Bettlerfest» privat aufgetrieben, zu welchem die Basler Jugend mit Transparenten wie «All We Need Is Pablo» und Buttons wesentlich beitrug.

Von jenen Aktionen tief beeindruckt, schenkte Picasso der Stadt Basel drei späte Bilder und eine zentrale Studie zum Gemälde «Les Demoiselles d’Avignon» (1907), das als Geburtsstunde des Kubismus gilt. Wie es dazu kam, dass das Basler Kunstmuseum 1968 mit einem Banner «Die Picassos sind da!» diesen speziellen Zuwachs verkünden durfte, kann in der Ausstellung mittels Film, Fotos und weiteren Dokumenten nacherlebt werden.

«Die Picassos sind da!». Bis 21. Juli. Kunstmuseum Basel.

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