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«Wer jetzt die Moralkeule schwingt, ist fehl am Platz»

FDP-Präsident Philipp Müller stellt sich vor Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Dabei kritisiert er das Verhalten der Berner Kantonsbehörden.

Südostschweiz
13.09.14 - 02:00 Uhr

Mit Philipp Müller sprach Lorenz Honegger

Herr Müller, FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann schleuste in seiner Zeit als Unternehmer 250 Millionen Franken am Fiskus vorbei. Dem «Blick» sagte er gestern, das Optimieren von Steuern sei «sehr schweizerisch», solange es mit dem Segen der Behörden geschehe. Finden Sie das auch?

Philipp Müller: Erstens wurde nichts ungesetzlich am Fiskus vorbeigeschleust und zweitens ist es in der Schweiz üblich, dass Unternehmen mit den kantonalen Steuerbehörden Abmachungen über die künftige Versteuerung von bestimmten Unternehmensaktivitäten eingehen.

Die Ammann-Gruppe hätte die Viertelmilliarde aus heutiger Sicht hierzulande versteuern müssen. Denn faktisch hatte sie an den Offshore-Standorten Jersey und Luxemburg keine Geschäftssitze – es handelte sich um reine Briefkastenfirmen. Zu diesem Schluss gelangte laut «Rundschau»-Recherchen auch die Eidgenössische Steuerverwaltung und widersprach damit den Berner Behörden, die das Konstrukt bewilligt hatten.

Ihre Schlussfolgerung trifft nicht zu. Wären es Briefkastenfirmen gewesen, hätten die Berner Steuerbehörden das nicht bewilligt. Tatsache ist: Es ist normal, dass Steuerbehörden auf Kantons- und Bundesebene bei der Beurteilung von Steuerangelegenheiten nicht immer gleicher Meinung sind. Am Schluss muss sich das steuerpflichtige Unternehmen, in diesem Fall die Ammann-Gruppe, darauf verlassen können, dass die Abmachungen mit den Behörden rechtsverbindlich sind. Ich muss zudem betonen: Es geht hier um Steuerangelegenheiten der Ammann-Gruppe und nicht um jene der Person Johann Schneider-Ammann.

Das ist spitzfindig: Das Offshore-Konstrukt entstand, als er noch Chef war.

Nein, das ist nicht spitzfindig. Das Unternehmen beschäftigt in der Schweiz immerhin 1300 Arbeitnehmer und baute die Stellen auch während der Finanzkrise nicht ab. Zehn Prozent sind Lehrlinge. Das zeigt doch, dass das Unternehmen sehr verantwortungsvoll handelt.

Am Stammtisch versteht man nicht, warum ein angeblicher Patron mit sozialer Verantwortung im rechtlichen Graubereich agiert und seine Steuern nicht in der Schweiz bezahlt.

Warum soll es ein Graubereich sein, wenn ein Unternehmen sich an die Steuergesetze hält und die zuständige Steuerbehörde das ausdrücklich bestätigt? Die Ammann-Gruppe ist eine weltweit tätige Firma, die über die Art und Weise der Finanzierung ihrer internationalen Aktivitäten grünes Licht von den Behörden bekam. Es verzichtet ja auch kein Mensch auf den Abzug für Berufsauslagen, nur damit der Staat mehr Geld einnehmen kann. Wer jetzt die Moralkeule schwingt, ist fehl am Platz.

«Als Nationalrat kann ich Abzüge machen»

Der Mann auf der Strasse hat nicht so viele Möglichkeiten zur Steueroptimierung wie ein grosses Unternehmen.

Der Mann auf der Strasse hat in der Regel auch nicht die Verantwortung für ein global tätiges Unternehmen mit Hunderten von Arbeitnehmenden. Als Nationalrat habe ich auch einen einfachen Lohnausweis. Trotzdem kann ich gewisse Abzüge machen. Ich sage es noch einmal: Man kann jetzt nicht die Moralkeule schwingen, nur weil eine Firma den gesetzlichen vorgegebenen Spielraum mit Einverständnis der Steuerbehörde nutzte.

Sollte das Unternehmen eines Wirtschaftsministers nicht höhere moralische Ansprüche erfüllen als internationale Konzerne wie Microsoft oder Google, die wegen Steuervermeidungspraktiken oft in den Schlagzeilen stehen?

Das ist doch absurd. Da hält sich ein Unternehmen genau an die Steuergesetze, und doch werden nun moralische Ansprüche ins Feld geführt. Was ist denn moralischer, als geltende Gesetze einzuhalten? Übrigens: Die zwei genannten Unternehmen bieten in der Schweiz keinen einzigen Lehrlingsplatz an. Bei der Ammann-Gruppe sind es rund 130.

Bundesrat Schneider-Ammann kritisierte gestern die von den Berner Behörden veranlasste, rückwirkende Untersuchung des damaligen Steuerkonstrukts. Wie sehen Sie das?

Das ist tatsächlich ein Hammer. Wenn man beginnt, eine rechtlich verbindliche Abmachung zwischen den Steuerbehörden und einem Unternehmen rückwirkend infrage zu stellen, muss sich das Unternehmen – entschuldigen Sie meine Wortwahl – verarscht fühlen. Die Ammann-Gruppe machte damals alles transparent. Es geht hier um etwas ganz Grundlegendes, das hohe Gut der Rechtssicherheit.

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