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Wem Glarus den Arschwald verdankt

Vor 2000 Jahren war Glarus noch zweisprachig. Alemannen und Rätoromanen lebten friedlich nebeneinander. Davon zeugen noch heute viele romanische Orts- und Flurnamen.

Südostschweiz
14.08.11 - 02:00 Uhr

Von Viola Pfeiffer

Glarus. – Zur Zeit der Römer muss es im Glarnerland öfters schönes Wetter gehabt haben, anders lässt sich die Namensgebung für den Landstrich zwischen Walensee und Tödi nicht erklären.

Als kurz vor Christi Geburt im Glarnerland die Romanisierung einsetzte, wurde das Glarnerland Clarona (Plural Claronas) genannt, was lichte, helle Stelle im Gelände heisst. Das schreit doch geradezu nach schönem Wetter.

Eine Besiedlung jagt die nächste

Fritz Zopfi schreibt in seinem Aufsatz «Zeugnisse alter Zweisprachigkeit im Glarnerland», dass sich in Glarus drei sprachliche Epochen klar unterscheiden lassen. Zuerst gab es die vorrömische Zeit, in der die Kelten hier lebten. Diese Epoche endete ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung.

Danach kamen die Rätoromanen und besiedelten das Glarnerland. Mit der Zeit merkten auch die Alemannen, dass sich die Pässe hier sehr gut als wirtschaftliche Verbindungen eignen. Die deutsche Besiedlung begann. Nach ungefähr 500 Jahren deutsch-romanischer Zweisprachigkeit ging im 11. Jahrhundert diese Ära zu Ende, und die deutsche Sprache gewann die Überhand.

Manche mögens anstössig

Ein weiteres Zeugnis der Rätoromanen im Glarnerland ist der Arschwald in Näfels. Der heisst nämlich nicht etwa so, weil er am Arsch der Welt liegt, sondern weil dort irgendwann mal ein Wald abgebrannt wurde. Das romanische Wort arder (Partizip ars) bedeutet so viel wie brennen.

Die vielen anderen Rodungsnamen rund um den Arschwald, unter anderem Bränden und Äschen, lassen ebenfalls darauf schliessen, dass die Menschen schlicht und einfach lieber ein vulgäres Wort verstehen als ein ganz normales.

«Es kommt vom Nichtverstehen der Sprache: Wenn man nicht weiss, was ein Wort heisst, deutscht man es einfach ein», erklärt Gertrud Walch, Sprachwissenschaftlerin und Autorin des Buches «Orts- und Flurnamen des Kantons Glarus». Weitere «Ärsche» gibt es übrigens auch am Wiggis in Netstal oder in Elm.

Klarheit, Kies oder ein Heiliger

Dass man aber doch anständig sein kann, beweisen die Bewohner von Linthal: Die haben ihre Arschplangge in das weniger grobe Füdlenplangge umbenannt.

So klar wie bei Ars(ch) ist es nicht immer. Leider gibt es Namensforscher, die nicht sehr romantisch sind und den Ursprung des Wortes Glarus woanders vermuten.

Oder doch Hilarius?

Er komme vom rätischen Wort glarauns = kiesig, steinig, voll Geröll. Das Wort Clarona als Ursprung gilt vielerorts als unwahrscheinlich, da Siedler die Umgebung nicht mit Augen von Touristen sehen. Sie sehen das Terrain als Bewirtschafter, deswegen ist Kies wohl wahrscheinlicher als Klarheit.

Wiederum andere Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Name Glarus am ehesten mit dem Heiligen Hilarius (Glaris) in Verbindung gebracht werden sollte.

Doch diese Annahme wird eher kritisiert als akzeptiert.

Schwierige Beweisführung

Gertrud Walch meint zu diesen Konflikten: «Es hängt halt immer davon ab, auf was man zurückgreifen kann. Der Erste, der einen Namen analysiert, kann nur aus seiner eigenen Perspektive schreiben.

Der Zweite hat es gleich viel einfacher, der hat ja schon einen Ansatz. Widerlegen ist eben immer einfacher als beweisen.» Wie dem auch sei: Auf Rätoromanisch heisst Glarus immer noch Glaruna.

Ob man nun Romantiker ist oder nicht, kann jeder selber entscheiden. Aber klingt Glaruna nicht viel eher nach Clarona?

Quellen: Benutzt wurden unter anderem die Bücher «Rätisches Namenbuch» von Roberto Planta, «Wie der Berg zu seinem Namen kam» von Andrea Schorta und diverse Aufsätze von Fritz Zopfi, Heinrich Schmid und Johannes Hubschmid, allesamt aus dem Archiv vom «Dicziunari Rumantsch Grischun».

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