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Weitere Leichen im Wrack der «Concordia» gefunden

Am vierten Tag nach der Havarie des Kreuz- fahrtschiffs «Costa Concordia» vor der italienischen Küste wird die Beweislast gegen den Kapitän immer drückender. Im Schiffswrack haben Taucher unterdessen fünf weitere Leichen entdeckt.

Südostschweiz
18.01.12 - 01:00 Uhr

Die Toten seien gestern im überfluteten Heckteil des gekenterten Schiffs entdeckt worden, bestätigte ein Sprecher der Gemeinde Giglio. Ob es sich um Passagiere oder Besatzungsmitglieder handelte, blieb zunächst unklar. Damit erhöht sich die Zahl der geborgenen Opfer auf mindestens elf.

Insgesamt blieben noch 24 Menschen vermisst. Darunter befinden sich nach Angaben des italienischen Krisenstabs Personen aus Deutschland, Italien, Frankreich, den USA, Ungarn, Indien und Peru.

Belastendes Gespräch

Nachdem die Suche in der Nacht aus Sicherheitsgründen eingestellt worden war, sprengten Experten mehrere Löcher in den Rumpf, damit die Rettungsmannschaften besseren Zugang zu bislang versperrten Bereichen des Schiffs erhielten. Hoffnungen, dass die Vermissten noch lebend geborgen werden könnten, hatten die Rettungsmannschaften kaum noch.

Durch neue Zeugenaussagen, Dokumente und andere Indizien geriet der bereits stark unter Beschuss stehende Kapitän des Schiffs, Francesco Schettino, weiter in Erklärungsnotstand. Mitschnitte eines Telefonats zwischen Schettino und einem Offizier der zuständigen Kommandantur des Festlandhafens von Livorno erhärteten den Verdacht, dass der Kapitän noch vor Ende der Evakuierung von Bord ging (siehe Seite Klartext). Schettino wurde gestern drei Stunden lang verhört. Er widersprach seinem Anwalt zufolge der Darstellung, das Schiff verlassen zu haben. Er habe den Ermittlern gesagt, «Tausenden Menschen das Leben gerettet» zu haben.

Schwere Vorwürfe

Der 52-Jährige soll eigenmächtig die gefährlich nahe Route gewählt haben, um seinem von der Insel stammenden Oberkellner die Möglichkeit zu geben, Giglio zu grüssen. Medienberichten zufolge hatte dessen Schwester auf dem sozialen Netzwerk Facebook angekündigt, dass die «Costa Concordia» bald ganz nah vorbeifahren werde. Schettino zufolge war der Felsen, mit dem das Schiff kollidierte, nicht kartografiert. Dieser Darstellung widersprachen allerdings sowohl die Reederei als auch Schifffahrtsexperten. Der Kapitän befindet sich seit Samstag in Untersuchungshaft Die italienische Staatsanwaltschaft wirft ihm mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen der «Costa Concordia» während der Evakuierung vor. Das Kreuzfahrtschiff mit 4200 Menschen an Bord war am Freitag nahe der Insel Giglio vor der Westküste Italiens auf einen Felsen gefahren und gekentert. Der 290 Meter lange Luxusliner liegt derzeit in starker Schräglage vor der Insel und droht abzurutschen.

Drohende Umweltschäden

Neben der menschlichen Tragödie rücken mehr und mehr mögliche Umweltauswirkungen ins Blickfeld. Bis zu 2400 Tonnen Schweröl sollen in dem Schiff sein. Noch ist keine grössere Menge ausgetreten. Mit dem Abpumpen des Treibstoffs könnte heute begonnen werden. «Wir sind bereit, die Operation heute zu starten», sagte ein Verantwortlicher der niederländischen Bergungsfirma Smit Salvage, die mit den Arbeiten beauftragt wurde, bei einer telefonischen Pressekonferenz. Umweltschutzverbände äusserten sich besorgt: Dem wichtigsten Walschutzgebiet im Mittelmeer drohe eine Katastrophe. (sda)

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